Episodisches Gedächtnis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das episodische Gedächtnis macht den Menschen zu der Person, die er ist. Störungen und der komplette Ausfall dieser Gedächtnisfunktion haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Bewältigung des persönlichen Alltags.
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Was ist das episodische Gedächtnis?
Das episodische Gedächtnis gehört zum so genannten deklarativen Langzeitgedächtnis. Es ist im Hippocampus, Temporal- und Frontallappen lokalisiert. In diesem sind alle individuellen Erlebnisse und Situationen abgespeichert. Mit der Hilfe des episodischen Gedächtnisses ist der Mensch so in der Lage, in die individuelle Vergangenheit zu reisen und seine Zukunft zu planen.
Sämtliche Ereignisse, die der Mensch im Laufe seines Lebens macht, werden dort in ihrem exakten situativen Kontext abgelegt und können - wenn keine Beeinträchtigung des episodischen Gedächtnisses vorliegt - in dieser Form abgerufen werden. Im höheren Lebensalter nimmt die Fähigkeit, sich an persönlich Erlebtes zu erinnern, kontinuierlich ab.
Das episodische Gedächtnis benötigt zum optimalen Funktionieren Informationen aus dem semantischen Gedächtnis. Dort sind Allgemeinwissen, Faktenwissen und generelle Erfahrungen hinterlegt.
Für die Funktionsweise des episodischen Gedächtnisses ist charakteristisch, dass die meisten neuronalen Verknüpfungen nur kurzfristig angelegt werden, es sei denn, der Betreffende kann sie mit persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen seiner Vergangenheit assoziieren.
Die Erinnerung an frühere Ereignisse wird meist durch Schlüsselreize aus der persönlichen Umgebung (Musik, Gerüche, bestimmte Personen etc.) oder aus dem eigenen Innern (Emotionen) ausgelöst. Die im episodischen Gedächtnis gespeicherten Inhalte werden von den Gefühlen des Betreffenden entsprechend ihrer Wertigkeit sortiert. Je besser die allgemeine Gedächtnisleistung, desto mehr Informationen können auch aus dem episodischen Gedächtnis abgerufen werden.
Funktion & Aufgabe
Das im episodischen Gedächtnis Abgelegte wirkt daher auch verhaltensmodifizierend: Wird das Ereignis negativ bewertet, zieht der Betreffende daraus andere Konsequenzen als würde er es positiv einschätzen. Erinnerungen an schlechte Erfahrungen bewirken beispielsweise das Vermeiden von Situationen, die dem ursprünglich Erlebten ähneln. Der Betreffende "lernt" aus in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen.
Persönliche Erlebnisse aus früheren Zeiten ermöglichen es dem Individuum auch, sich bestimmte Erlebnisse in der Zukunft vorzustellen und Zukunftspläne zu schmieden. Situationen der Vergangenheit, die positiv besetzt sind, werden auch später immer positiv beurteilt: Ein Musikstück, das mit einem beglückenden Erlebnis verknüpft wurde, ruft noch in 20 Jahren ähnliche Glücksgefühle hervor. Es kann sich daher noch zusätzlich motivierend und stimmungsaufhellend auswirken.
Außerdem hilft das episodische Gedächtnis, sich an Vergessenes oder Verlorenes zu erinnern. Indem die Person sich in die betreffende Situation zurückbegibt, in der sie den Gegenstand verloren hat, findet sie ihn meist wieder (beispielsweise die verlorene Geldbörse, die beim Zurückgehen ins Geschäft wiedergefunden wird).
Für das Individuum interessante objektive Inhalte, die mit eigenen Erlebnissen verknüpft werden können, werden ebenfalls im autobiografischen Gedächtnis abgelegt: Ein Leser wird sich noch in vielen Jahren an für ihn interessante Buch-Inhalte erinnern können, wenn er sich die Situation vergegenwärtigt, in der er das Buch damals las.
Das episodische Gedächtnis kann auch eine sozial verbindende Funktion haben. Persönliche Erinnerungen können anderen Menschen mitgeteilt werden und so menschliche Beziehungen stärken, was wiederum als positive Erfahrung im autobiografischen Gedächtnis hinterlegt wird. Die gegenteilige Erfahrung ist natürlich ebenfalls möglich.
Krankheiten & Beschwerden
Auch Konzentrationsstörungen wirken sich beeinträchtigend auf das episodische Gedächtnis aus. Dasselbe gilt für hirnorganische Störungen, die beispielsweise den Hippocampus betreffen. Für diese Art der Gedächtnisstörung ist charakteristisch, dass das semantische Gedächtnis einwandfrei, das episodische jedoch nicht mehr funktioniert. Neue Erfahrungen können nicht mehr mit bereits gemachten assoziiert und dauerhaft hinterlegt werden.
Bei der partiellen retrograden Amnesie werden bevorzugt die Inhalte vergessen, die nahe am Zeitpunkt der Hirnschädigung liegen. Liegt eine globale Amnesie vor, sind auch noch die persönlichen Informationen betroffen, die lange zurückliegen. Aktuelle Ereignisse und wichtige Erfahrungen können dann im episodischen Gedächtnis nicht mehr hinterlegt werden. Eine vorübergehende globale Amnesie (TGA) ist meist auf die Dauer von einer bis 24 Stunden begrenzt. Sie wird durch extreme psychische oder körperliche Belastungen ausgelöst. Der Betroffene hat keine Orientierung in Raum und Zeit.
Bei der psychogenen Amnesie ist nur ein bestimmtes Ereignis der individuellen Vergangenheit nicht mehr zugänglich. Verursacht wird sie meist durch ein psychisches Trauma, das die stark belastende Erfahrung verdrängt.
Beeinträchtigungen des autobiografischen Gedächtnisses können durch ein Schädel-Hirn-Trauma, Stress, epileptische Anfälle, Gehirnentzündung, Hirnhautentzündung, Gehirntumore, Migräne, Schlaganfall, Demenz, Alzheimer, Vergiftungen, Durchblutungsstörungen im Gehirn, seelische Traumata, Psychopharmaka und Alkoholmissbrauch verursacht werden. Behandelt werden sie, indem zuerst die Grunderkrankung beseitigt wird. Das kann mithilfe einer medikamentösen Behandlung, Psychotherapie, Entspannungsübungen (autogenes Training, Yoga, progressive Muskelentspannung) und speziellem Gedächtnistraining geschehen. Auch eine Umstellung des Körpers auf basische Ernährung kann sich positiv auf die Leistung des episodischen Gedächtnisses auswirken.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012