Diabetische Neuropathie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der diabetischen Neuropathie handelt es sich um eine Erkrankung der Nerven, die im Rahmen einer langjährigen Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) entstehen kann. Die Symptomatik beginnt typischerweise zunächst im Bereich der Füße und kann sich mit einem Verlust der Sensibilität und Kribbeln, aber auch mit Lähmungserscheinungen äußern.

Inhaltsverzeichnis

Was ist diabetische Neuropathie?

Die diabetische Neuropathie äußert sich zunächst durch unspezifische Beinschmerzen und Missempfindungen in den Gliedern. Typisch ist ein zunehmendes Kribbeln, welches oft mit Sensibilitätsstörungen und Taubheitsgefühlen verbunden ist.
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Unter einer Neuropathie versteht man eine Erkrankung der Nerven (genauer gesagt der peripheren Nerven, also aller Nerven des Körpers mit Ausnahme des Gehirns und des Rückenmarks), die verschiedene Ursachen haben kann. Bei der diabetischen Neuropathie handelt es sich um die typischen Nervenschäden, die als Folgen der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) auftreten können.

Eine diabetische Neuropathie tritt bei rund 30% der Diabetiker im Laufe ihres Lebens auf. Diese Nervenschädigung kann zu einer Vielzahl von Beschwerden führen. Die diabetische Neuropathie äußert sich typischerweise in einer peripheren Polyneuropathie, bei der viele Nerven gleichmäßig betroffen sind, und in einer autonomen Neuropathie, also in einer Erkrankung der Nerven des unwillkürlichen Nervensystems.

Ursachen

Die genauen Faktoren der Entstehung einer diabetischen Neuropathie sind bislang nicht gut verstanden. Unzweifelhaft spielt der erhöhte Blutzuckerspiegel eine entscheidende Rolle für die Entstehung einer diabetischen Neuropathie.

So entwickelt sich die Neuropathie bei Diabetikern mit schlechter Einstellung des Blutzuckers im Durchschnitt deutlich schneller als bei gut eingestellten Patienten.

Ein Faktor, der für die Zerstörung von Nervenzellen bei der diabetischen Neuropathie verantwortlich gemacht wird, ist die Bildung von Zucker-Eiweiß-Verbindungen, die bei hoher Blutzuckerkonzentration entstehen können und eine direkte schädigende Wirkung auf die Nervenzellen entfalten können.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die diabetische Neuropathie äußert sich zunächst durch unspezifische Beinschmerzen und Missempfindungen in den Gliedern. Typisch ist ein zunehmendes Kribbeln, welches oft mit Sensibilitätsstörungen und Taubheitsgefühlen verbunden ist. Bei einer diabetischen Neuropathie reagieren die Beine empfindlicher auf Berührungsreize.

Dadurch kommt es beim Anziehen von Socken oder Strumpfhosen häufig zu einem seltsamen Empfinden, das meist bei den Zehen beginnt und von dort bis zu den Unterschenkeln ausstrahlt. Charakteristisch sind auch die kleinen, meist kaum sichtbaren Wunden am Fuß, die sich im Verlauf der Erkrankung vergrößern und irreversible Schäden hervorrufen können.

Weiterhin kann sich die Erkrankung durch ein Unwohlsein äußern. Das typische Krankheitsgefühl tritt vor allem bei chronischen Beschwerden auf. Es äußert sich durch blasse Haut, regelmäßige Schweißausbrüche und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Die von der Neuropathie betroffenen Hautstellen fühlen sich zudem kalt an und weisen oft eine auffällige Verfärbung auf.

Wird eine diabetische Neuropathie nicht behandelt, können sich ernste Folgeerkrankungen einstellen. Zunächst besteht das Risiko von Gefäßschäden und Embolien. Es kann zu einer Unterversorgung unterschiedlicher Organe kommen, wodurch weitere Komplikationen auftreten können. Zudem besteht an den betroffenen Stellen am Bein ein erhöhtes Infektionsrisiko, woraus Abszesse und Geschwüre resultieren können.

Diagnose & Verlauf

Oft wird die Diagnose einer diabetischen Neuropathie erst gestellt, wenn bei dem Patienten Symptome wie z.B. ein Kribbeln in den Füßen auftreten.

Die Diagnose kann jedoch schon früher gestellt werden, wenn bei Patienten mit einer Zuckerkrankheit gezielt nach Symptomen einer diabetischen Neuropathie gesucht wird. Die periphere Polyneuropathie zeigt sich zuerst oft in einer verminderten Sensibilität und Temperaturempfindlichkeit, die typischerweise zunächst strumpfförmig die Zehen, Füße und Unterschenkel befällt.

Eine Möglichkeit zur frühen Diagnosestellung besteht darin, mit einer Stimmgabel das Vibrationsempfinden an diesen Stellen zu überprüfen. Auch das Temperaturempfinden kann durch Berührung des Fußes mit warmen oder kalten Gegenständen überprüft werden.

Durch eine Untersuchung der Reflexe mit einem Reflexhammer kann die Funktion der Nerven ebenfalls näher geprüft werden. Eine genauere Untersuchung der Nerven ist mittels Elektroneurographie (ENG) und Elektromyographie (EMG) möglich.

Im Rahmen der autonomen Neuropathie kommt es bei der diabetischen Neuropathie zu Fehlregulationen des Herz-Kreislauf-Systems, die sich z. B. im Langzeit-EKG und beim sogenannten Schellong-Test, der aus Blutdruckmessungen im Liegen und nach dem Aufstehen besteht, zeigen.

Komplikationen

Eine Diabetische Neuropathie entsteht im Rahmen eines Diabetes. Dadurch, dass die Konzentration des Zuckers im Blut kontinuierlich stark erhöht ist, kommt es zu den verschiedensten Komplikationen. Zuckermoleküle können sich mit Proteinen verbinden, welche infolgedessen kleinste Gefäße verstopfen können, wodurch es zu einer mangelnden Versorgung unterschiedlicher Organe kommt.

Ein Beispiel dafür sind Nerven (Diabetische Neuropathie), wodurch es zu Sensibilitätsstörungen und Lähmungserscheinungen kommen kann. Dies ist insbesondere am Fuß der Fall. Der Betroffene merkt meistens nicht, dass sich kleinere Wunden am Fuß befinden und beachtet diese nicht. Die Wunden können sich im Verlaufe vergrößern und irreversible Schäden verursachen, da es auch zu Wundheilungsstörungen aufgrund des Diabetes kommt.

Außerdem ist das Risiko für eine Infektion erhöht. Dadurch kann der Fuß absterben und muss im schlimmsten Falle amputiert werden (Diabetischer Fuß). Des Weiteren werden Gefäße in der Netzhaut verstopft, wodurch es zu Störungen in der Sehkraft kommen kann. In den schlimmsten Fällen kann dies sogar bis hin zu einer Erblindung führen (Diabetische Retinopathie).

Typischerweise führt Diabetes zu einer Störung der Nierenfunktion, welches bis hin zu einem völligen Versagen führen kann (Diabetische Nephropathie). Es kommt zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität und es muss gegebenenfalls eine Dialyse interveniert werden oder sogar eine Transplantation der Niere.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Leidet der Betroffene unter Störungen der Sensibilität, Taubheitsgefühlen oder einem Kribbeln auf der Haut, gilt dies als ungewöhnlich. Halten die Beschwerden an oder nehmen sie an Intensität und Umfang zu, muss ein Arzt konsultiert werden. Kommt es zu Lähmungserscheinungen, ist schnellstmöglich ein Arzt aufzusuchen.

Bei schmerzenden Beinen oder Beeinträchtigungen der Fortbewegung, ist es ratsam, eine Kontrolluntersuchung vornehmen zu lassen. Liegt eine Überempfindlichkeit bei der Wahrnehmung von Berührungen eines anderen Menschen oder Kleidungsstücken auf der Haut vor, besteht Grund zur Besorgnis. Ein Arzt ist aufzusuchen, damit die Ursache der Unannehmlichkeiten gefunden werden kann.

Entwickelt sich eine veränderte Wahrnehmung gegenüber Temperatureinflüssen in den Zehen, Füßen und Unterschenkeln, ist ein Arztbesuch notwendig. Bei einem allgemeinen Unwohlsein oder einem diffusen Gefühl, dass Unstimmigkeiten vorliegen, sollte ein Arzt konsultiert werden. Die Symptome können sich am gesamten Körper einstellen, vorrangig sind jedoch die Beine und Füße betroffen.

Daher sollte insbesondere bei Unregelmäßigkeiten in den Gliedmaßen schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden. Bei einem Gefühl des Ameisenlaufens auf der Haut oder bei bohrenden und brennenden Schmerzen, sollte eine Untersuchung erfolgen, da eine medizinische Versorgung benötigt wird. Einige Erkrankte berichten von einem Pelzigkeitsgefühl, welches als Hinweis für einen Arztbesuch gilt.

Behandlung & Therapie

Ein wesentlicher Faktor in der Behandlung der diabetischen Neuropathie ist die konsequente Einstellung der Blutzuckerwerte, um das Fortschreiten der Erkrankung einzudämmen.

Dies kann je nach Ausprägung und Art der Zuckerkrankheit durch Gewichtsreduktion, durch Tabletten (sogenannte orale Antidiabetika) oder durch Insulininjektionen erfolgen. Schmerzen, die im Rahmen der Polyneuropathie auftreten können, können symptomatisch mit Schmerzmitteln behandelt werden.

Hier spielen auch sogenannte Co-Analgetika, die die Schmerzwahrnehmung beeinflussen, wie z. B. Antidepressiva oder Antiepileptika, eine wichtige Rolle. Weitere Therapieoptionen bestehen in der Gabe von B-Vitaminen (Vitamin B1, B6 und B12) sowie von Fettsäuren wie Alpha-Liponsäure und Gamma-Linolensäure.

Einige Folgen der autonomen Neuropathie können gezielt behandelt werden. So kann die diabetische Neuropathie zu einer Impotenz, zu Verdauungsbeschwerden und zu einem Blutdruckanstieg führen, die jeweils mit spezifischen Medikamenten behandelt werden können.

Aussicht & Prognose

Obgleich ein Diabetes nicht heilbar ist, gilt die Prognose der diabetischen Neuropathie als günstig bei Patienten, die erst für kurze Zeit unter einem Diabetes leiden.

Bei Langzeitpatienten verschlechtert sich die Prognose. Die Lebenszeit ist insbesondere bei Patienten, die schon über mehrere Jahre an einem Diabetes leiden, mit einer zusätzlichen diabetischen Neuropathie stark verkürzt. Es kommt vermehrt zu Störungen der Nierenfunktion und eine Erblindung kann eintreten. Die Lebensqualität ist herabgesetzt und das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, ist erhöht.

Patienten, bei denen der Diabetes erst vor wenigen Monaten diagnostiziert wurde, haben bei einer konsequenten Umstellung der Lebensführung sowie einer guten medizinischen Behandlung eine gute Aussicht auf eine Linderung der Beschwerden.

Das Behandlungsziel ist die Verhinderung eines Krankheitsfortschritts. Dies gelingt mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten bei diesen Patienten in fast allen Fällen. Wird der Blutzuckerwert optimal eingestellt und lebt der Patient gesund, kommt es zu einer Verbesserung der Gesundheit. Neben einer ausreichenden Bewegung und dem Halten des Normalgewichts, sind Überanstrengungen zu vermeiden.

Die Reduzierung von Stress und die Anwendung von Entspannungstechniken zum Ausgleich der täglichen Herausforderungen, helfen zusätzlich bei der Bewältigung der Erkrankung. Werden die Empfehlungen eingehalten, kann der Patient das Auftreten weiterer Beschwerden verhindern.


Vorbeugung

Die beste Vorsorge einer diabetischen Neuropathie besteht in einer guten Behandlung des Diabetes mellitus. Hierfür spielt auch eine frühe Erkennung der Zuckerkrankheit eine Rolle, um die Zeit, in der der Patient unkontrolliert hohe Blutzuckerwerte hat, möglichst gering zu halten.

Zusätzlich sollte insbesondere bei beginnenden Zeichen einer Neuropathie auf Alkohol verzichtet werden, da dieser zu einer zusätzlichen Schädigung der Nerven führen kann. Eine gefürchtete Komplikation der diabetischen Neuropathie ist das diabetische Fußsyndrom: Aufgrund der veminderten Sensibilität kommt es häufiger zu kleinen Wunden am Fuß, die aufgrund der Zuckerkrankheit schlechter heilen.

Häufig ist am Ende eine Amputation erforderlich. Um dies zu verhindern, sollten die Füße täglich z.B. mit einem Spiegel untersucht und bei Problemen rasch ein Arzt aufgesucht werden.

Nachsorge

Aufgrund des chronischen Verlaufs einer diabetischen Erkrankung sollte der Patient regelmäßig zur Kontrolle beim Hausarzt als auch zu den entsprechenden Fachärzten kommen. Da der Diabetes mellitus häufig auch die Nerven betrifft, sollte der Patient zum Neurologen, um die Funktion der Nerven zu überprüfen und gegebenenfalls eine Behandlung einleiten. Die Nerven werden soweit geschädigt, dass Taubheitsgefühle oder Muskelschwäche entstehen.

Der Hausarzt sollte deswegen in der Sprechstunde auf den Fuß schauen, da aufgrund der Nervenschädigung häufig Verletzungen vom Patienten übersehen werden. Bei weitreichenden Schädigungen des Fußes (Diabetischer Fuß) kann im schlimmsten Fall auch eine Amputation in Erwägung gezogen werden. Daneben sollte ebenfalls der Zucker überprüft werden, um die Einstellung der Medikamente zu kontrollieren und eventuell eine Umstellung einzuleiten.

Bei einem neu entdeckten Diabetes mellitus sollte der Patient mit Medikamenten eingestellt werden und geschult werden, da die Einnahme sehr komplex sein kann. Neben den Nerven sind auch andere Organe häufig vom Diabetes mellitus betroffem. Der Patient sollte demnach auch jährlich zur Kontrolle beim Augenarzt, der mittels der Augenhintergrundspiegelung eine Veränderung der Netzhaut erkennen kann, die bis hin zu einer Erblindung führen kann.

Des Weiteren sollte auch ein Nephrologe regelmäßig konsultiert werden, da Schäden an der Niere nicht selten sind und bei uneingestellten Diabetes mellitus bis hin zu einem Nierenversagen führen kann.

Das können Sie selbst tun

Eine diabetische Neuropathie bedarf grundsätzlich einer ärztlichen Behandlung. Der Diabetiker kann jedoch auch selbst aktiv werden, um sich vor den Folgen der Nervenstörung zu schützen.

Zu den wichtigsten Maßnahmen zählt das Messen des Blutzuckers. Dies sollte in Absprache mit dem Arzt sowie zu klar bestimmten Zeiten erfolgen. Von Bedeutung sind außerdem die Kontrolle von Blutfett, Body-Mass-Index (BMI), Blutdruck sowie dem Umfang der Taille. Außerdem wird dem Diabetiker empfohlen, gut auf seine Nerven zu achten und Stress möglichst zu vermeiden. Ebenso ratsam ist der Verzicht auf nervenschädigende Faktoren wie Nikotin und Alkohol.

Leidet der Diabetiker unter Übergewicht, wird empfohlen, dieses abzubauen. Dabei helfen eine ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung. Wer trotz diabetischer Neuropathie Sport treiben möchte, ist gut beraten, im Vorfeld mit dem Arzt zu sprechen, um die individuellen Einschränkungen und Möglichkeiten abzuklären.

So werden die Füße nicht durch jede Sportart in gleichem Maße belastet. Eine bedeutende Rolle spielt zudem die Verwendung von diabetikergerechtem Schuhwerk oder Einlagen. Ebenso wichtig ist eine tägliche Kontrolle und Pflege der Füße.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass sich der Diabetiker regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen unterzieht und einmal pro Jahr auf eventuelle Nervenschäden kontrollieren lässt. Dabei liegt der Schwerpunkt in erster Linie auf den Füßen.

Welche Maßnahmen letztlich individuell am besten geeignet sind, sollte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Usadel, K.-H., Wahl, P.: Diabetologie und Stoffwechsel. In: Bob, A. u. K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2009

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