Rasch progressive Glomerulonephritis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der rasch progressiven Glomerulonephritis handelt es sich um einen speziellen Typ der Glomerulonephritis. Typisch für die rasch progressive Glomerulonephritis ist der schnelle Anstieg von sogenannten Retentionswerten bei Patienten, die an einer Glomerulonephritis leiden. Das Phänomen stellt eine medizinische Notfallsituation dar. Bei ausbleibender Behandlung schwebt das Leben der erkrankten Person durch ein Versagen der Nierenfunktion in Gefahr.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine rasch progressive Glomerulonephritis?

Die rasch progressive Glomerulonephritis beginnt plötzlich und schreitet mit hohem Tempo voran. Die erkrankten Personen leiden zum Beispiel unter Bluthochdruck sowie einer Proteinurie.
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Die rasch progressive Glomerulonephritis wird von vielen Medizinern mit der Abkürzung RPGN bezeichnet. Die Krankheit äußert sich in Schüben einer Glomerulonephritis extrakapillärer Art. In zahlreichen Fällen entwickelt sich die rasch progressive Glomerulonephritis zu einem Nierenversagen durch eine Insuffizienz der Leistung des Organs.

Aus diesem Grund ist eine schnelle und individuell abgestimmte Behandlung der rasch progressiven Glomerulonephritis unbedingt erforderlich, da die Patienten andernfalls nach wenigen Wochen oder Monaten eine komplette Niereninsuffizienz erleiden. Die rasch progressive Glomerulonephritis wird mitunter auch als halbmondförmige Glomerulonephritis bezeichnet.

Aktuell tritt die rasch progressive Glomerulonephritis relativ selten auf, nämlich mit einer Prävalenz von unter 1:1.000.000. Die genaue Ursache der rasch progressiven Glomerulonephritis ist nicht in jedem Fall feststellbar. Grundsätzlich wird zwischen drei unterschiedlichen Ausprägungen der rasch progressiven Glomerulonephritis differenziert, die in erster Linie durch histologische Analysen voneinander abgegrenzt werden.

Ursachen

Die rasch progressive Glomerulonephritis tritt häufig als idiopathische Erkrankung auf, wobei keine genaue Ursache zu identifizieren ist. In anderen Fällen ergibt sich die rasch progressive Glomerulonephritis im Rahmen systemischer Krankheiten, etwa bei einer Granulomatose mit Polyangiitis oder einer sogenannten mikroskopischen Polyangiitis.

Beim ersten Typ der rasch progressiven Glomerulonephritis sind die Ursachen vor allem in bestimmten Antikörpern zu finden. Diese richten sich gegen die glomeruläre basale Membran. Das Phänomen tritt unter anderem beim sogenannten Goodpasture-Syndrom auf. Das Vorhandensein der typischen Antikörper bei histologischen Untersuchungen weist auf diesen Typ der rasch progressiven Glomerulonephritis hin.

Die zweite Form der Erkrankung wird ausgelöst, indem sich bestimmte Immunkomplexe anreichern und ablagern. Möglich ist eine derartige Entwicklung zum Beispiel bei Lupus erythematodes. Auch bei anderen Pathogenesen, die mit Immunkomplexen in Zusammenhang stehen, bildet sich mitunter eine rasch progressive Glomerulonephritis des zweiten Typs.

Der dritte Krankheitstyp der rasch progressiven Glomerulonephritis ist dadurch gekennzeichnet, dass bei elektronenmikroskopischen Untersuchungen weder Antikörper gegen basale Membranen noch Immunkomplexe identifiziert werden. Manche Personen weisen eine Vaskulitis im Rahmen von Morbus Wegener auf. Dabei ist auch eine mikroskopische Polyangiitis möglich. Diese Form der Krankheit wird mitunter auch Pauci-Immun-Glomerulonephritis genannt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die rasch progressive Glomerulonephritis beginnt plötzlich und schreitet mit hohem Tempo voran. Die erkrankten Personen leiden zum Beispiel unter Bluthochdruck sowie einer Proteinurie. Dabei zeigt sich in einigen Fällen das nephrotische Syndrom.

Oftmals entwickelt sich schnell eine Nierenschwäche, die bei ausbleibender Behandlung häufig zum Versagen der Nierenfunktion führt. Deshalb sind die Patienten mit rasch progressiver Glomerulonephritis in der Regel bereits kurze Zeit nach Einsetzen der Krankheit auf eine Dialyse angewiesen. Allerdings erscheinen die Nieren bei bildgebenden Verfahren nicht als vergrößert.

Tritt die rasch progressive Glomerulonephritis in Assoziation mit dem Goodpasture-Syndrom auf, leiden die Personen unter Umständen an Blutungen der Lunge. Bei mikroskopischen Untersuchungen histologischer Gewebeproben werden Thrombosen an den Glomeruli sichtbar. Außerdem sind in diesem Bereich charakteristische Halbmonde zu erkennen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose der rasch progressiven Glomerulonephritis wird von einem spezialisierten Facharzt gestellt. Eine wichtige Rolle spielen dabei serologische Analysen. Ausschlaggebende Marker sind zum Beispiel Antikörper gegen die basalen Membranen oder sogenannte ANCAs. Zusätzlich wird in der Regel eine Biopsie der Niere durchgeführt.

Im überwiegenden Teil der Fälle gleicht die rasch progressive Glomerulonephritis in ihrem Verlauf dem akuten nephritischen Syndrom und verursacht entsprechende typische Beschwerden, die eine Diagnose erleichtern. Bei der histologischen Untersuchung zeigt sich unter anderem ein Halbmond der Glomeruli. Die benachbarten Bereiche sind oftmals entzündet.

Die verschiedenen Typen der rasch progressiven Glomerulonephritis sind mittels spezieller Färbetechniken identifizierbar. Derartige Methoden werden als Immunfluoreszenz bezeichnet und sichern gemeinsam mit den anderen Symptomen die Diagnose der rasch progressiven Glomerulonephritis.

Komplikationen

In erster Linie leiden die Betroffenen bei dieser Erkrankung an einem sehr hohen Blutdruck. Dabei kann es häufig zu Blutungen und weiterhin auch zu einem Infarkt kommen. Weiterhin führt die Erkrankung auch zu einer Nierenschwäche, wobei es im schlimmsten Fall zu einer Niereninsuffizienz kommen kann.

Dabei sind die Patienten auf eine Transplantation oder auf eine Dialyse angewiesen, um nicht zu versterben. In der Lunge treten Blutungen auf, die zu Atembeschwerden führen können. Die Lebensqualität des Patienten wird durch die Erkrankung erheblich verringert und eingeschränkt. Aufgrund der Atembeschwerden können die Betroffenen auch das Bewusstsein verlieren und sich bei einem Sturz möglicherweise verletzen.

Die Patienten wirken ebenfalls sehr müde und abgeschlagen und nehmen dabei nicht mehr aktiv am Alltag teil. Auch psychische Beschwerden oder Depressionen können durch diese Erkrankung auftreten. Die Behandlung selbst erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Dadurch werden die Beschwerden erheblich gelindert.

Allerdings sind die meisten Betroffenen auf eine Spenderniere angewiesen, um weiterhin am Leben zu bleiben. Dabei kann es auch bei der Translation zu Komplikationen kommen. In der Regel wird die Lebenserwartung des Patienten bei dieser Erkrankung erheblich verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Diese Krankheit muss in jedem Fall durch einen Arzt behandelt werden. Dabei wirken sich eine frühe Diagnose und Behandlung der Glomerulonephritis positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Auch weitere Komplikationen können dadurch verhindert werden. In der Regel tritt bei der Glomerulonephritis keine Selbstheilung auf, wobei die Erkrankung auch nicht mit Mitteln der Selbsthilfe behandelt werden kann.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einem starken Bluthochdruck leidet. Dabei tritt dieser Blutdruck ohne einen erkennbaren Grund auf. Sogar an der Lunge kann es dabei zu Blutungen kommen, sodass der Speichel blutig schmecken kann. Sollten diese Beschwerden eintreten, so ist ein Besuch bei einem Arzt auf jeden Fall notwendig. Auf der Haut können sich auch Flecken ausbilden, die ebenfalls auf die Erkrankung hindeuten könnten. In den meisten Fällen kann die Glomerulonephritis durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Weiterhin sollte in einem Notfall direkt ein Notarzt gerufen oder das Krankenhaus aufgesucht werden.

Behandlung & Therapie

Die Therapie der rasch progressiven Glomerulonephritis erfolgt in erster Linie medikamentös. Dabei erhalten die Patienten immunsuppressive Wirkstoffe in hohen Dosierungen. Gleichzeitig nehmen die Personen Steroide und die Substanz Cyclophosphamid ein. Liegt das Goodpasture-Syndrom vor, kommt zudem eine Plasmaseparation zum Einsatz.

Sobald die Patienten an einer Nierenschwäche leiden, ist eine regelmäßige Dialyse notwendig. Falls eine Grunderkrankung der rasch progressiven Glomerulonephritis bekannt ist, so steht deren Behandlung im Vordergrund. Die Dialyse ist im überwiegenden Teil der Fälle dringend notwendig, da die Patienten in Lebensgefahr schweben.

Die Prognose der rasch progressiven Glomerulonephritis profitiert von einem zeitigen Beginn behandlungstechnischer Maßnahmen. Falls Personen nicht adäquat auf die Maßnahmen ansprechen, kommt eine Transplantation der Niere in Betracht. Bei zu spätem therapeutischen Intervenieren droht der Tod der betroffenen Patienten in der Folge von Nierenversagen.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung der rasch progressiven Glomerulonephritis ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand kaum möglich. Die Ursachen der Entstehung der rasch progressiven Glomerulonephritis sind nicht exakt bekannt, sodass auch wirksame Gegenmaßnahmen vor Krankheitsbeginn nicht ausreichend erforscht sind.

Nachsorge

Die Nachsorgebehandlung einer rasch progressiven Glomerulonephritis besteht vor allem darin, Erkrankungen, die in Folge der rasch progressiven Glomerulonephritis oder der Dialyse entstehen können, zu verhindern. Um einem Kaliummangels oder anderen Nährstoffmangelerscheinungen vorzubeugen, muss das Blut regelmäßig kontrolliert werden. Zusätzlich sollten nach einer Dialyse Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, die alle Nährstoffe enthalten, welche durch die Dialyse verloren gehen können.

Wird ein Mangel im Blut festgestellt, sollten zusätzlich nährstoffhaltige Infusionen verabreicht werden. Außerdem sollte der Blutdruck regelmäßig kontrolliert werden. Wird ein zu hoher Blutdruck festgestellt, müssen blutdrucksenkende Medikamente und gegebenenfalls Betablocker eingenommen werden. Wenn die Nieren noch arbeiten, sollten vorsorglich ausschwemmende Medikamente (Wassertabletten) eingenommen werden, da in Folge einer rasch progressiven Glomerulonephritis Lungenödeme und Lungenblutungen auftreten können.

In diesem Fall sollten außerdem regelmäßige Kontrollen der Nierenwerte erfolgen, um ein vollständiges Nierenversagen rechtzeitig zu erkennen und therapieren zu können. Zusätzlich sollte die Lunge regelmäßig mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT, Ultraschall) untersucht werden, um Wasseransammlungen frühzeitig zu erkennen. Sollte Atemnot auftreten, muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden, da ein entstandenes Lungenödem ursächlich hierfür sein könnte.

Alkoholkonsum und Rauchen müssen nach einer rasch progressiven Glomerulonephritis eingestellt werden, da die Giftstoffe in Alkohol und Tabak die geschwächte Entgiftungsfunktion des Körpers überlasten können, was zum Tod führen kann.

Das können Sie selbst tun

Die rasch progressive Glomerulonephritis ist ein medizinischer Notfall und muss schnell behandelt werden. Ansonsten droht eine chronische Niereninsuffizienz. Im akuten Stadium der Erkrankung ist keine Selbsthilfe möglich. Es müssen alle notwendigen medizinischen Maßnahmen getroffen werden, um ein chronisches nephritisches Syndrom zu vermeiden. Das ist jedoch nicht immer möglich. Viel hängt vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ab.

Wenn sich jedoch trotz Therapie eine chronische Niereninsuffizienz entwickelt, gibt es einige Möglichkeiten durch Selbsthilfe, den Krankheitsprozess zu stoppen oder zu verlangsamen. Dabei sollte aber bedacht werden, dass Niereninsuffizienz ein Begriff ist, der viele unterschiedliche Nierenerkrankungen und Erkrankungsstadien zusammenfasst. Daher hilft es dem Patienten, sich mit anderen Betroffenen innerhalb von Selbsthilfegruppen miteinander auszutauschen. Adressen von Selbsthilfegruppen können unter anderem im Internet gefunden werden. Der Informationsaustausch über Selbsthilfemöglichkeiten, Präventionsmaßnahmen und Erfahrungen hilft vielen Patienten, den Alltag besser zu meistern und damit die Lebensqualität zu steigern. Das betrifft sowohl die körperliche als auch seelische Gesundheit. Bereits die Gewissheit, dass es Behandlungsmöglichkeiten gibt, hilft vielen Betroffenen aus einem seelischen Tief zu kommen und aktiv etwas gegen die Krankheit zu tun.

Zur Eigenverantwortung des Patienten gehört unter anderem, dass er sich mit Information über das Krankheitsbild vertraut macht, Risikofaktoren erkennt, regelmäßig den Nephrologen aufsucht, die Ernährung umstellt, den Blutdruck ständig kontrolliert und sich viel an frischer Luft bewegt.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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