Morbus Wegener
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Morbus Wegener (Synonyme: Granulomatose mit Polyangiitis, granulomatöse Polyangiitis, Wegener-Granulomatose und Wegener-Granulomatose) ist eine chronische Entzündung der Blutgefäße, die mit einer Inzidenz von 5 bis 7 pro 100.000 Einwohner vergleichsweise selten ist. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, wobei der Altersgipfel bei Morbus Wegener um das 50. Lebensjahr liegt.
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Was ist Morbus Wegener?
Als Morbus Wegener wird eine entzündliche Erkrankung der Blutgefäße bezeichnet, die mit Nekrosen sowie einer Manifestierung von Granulomen im unteren (Lunge) und oberen Respirationstrakt (Nasenraum, Oropharynx, Mittelohr) wie auch in den Nieren einhergeht.
Im Initialstadium äußert sich die Erkrankung anhand von schnupfen- bzw. grippeähnlichen Beschwerden wie Kopf- und Gelenkschmerzen, Abgeschlagenheit, Fieber sowie Gewichtsabnahme. Im späteren Verlauf generalisiert die Erkrankung und in den meisten Fällen (etwa 80 Prozent) entwickeln sich Glomerulonephritiden (Entzündungen der Nierenkörperchen) und Mikroaneurysmen in den Nieren.
Die bei Morbus Wegener charakteristische chronische Vaskulitis (Entzündung der Gefäße) führt zu einer Mangeldurchblutung und –versorgung der betroffenen Organe, wobei prinzipiell sämtliche Organsysteme betroffen sein können.
Ursachen
Die spezifischen Auslöser für die Fehlregulierung konnten bisher nicht geklärt werden. Diskutiert wird eine Beteiligung von Inhalationsallergenen, die zu einer Hypersensibilitätsreaktion des Immunsystems (allergische Reaktion) führt.
Ebenso werden bakterielle Infektionen der Nasenschleimhaut mit Staphylokokkus aureus und eine mögliche genetische Disposition (Veranlagung) als potentielle Triggerfaktoren (auslösende Faktoren) angenommen. Darüber hinaus kann der Morbus Wegener in einigen Fällen mit einem Alpha-1-Antitripsin-Mangel (genetisch bedingte Erkrankung des Proteinstoffwechsels) assoziiert werden.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Morbus Wegener kann verschiedene Organsysteme befallen und eine Vielzahl von Symptomen auslösen. Zu Beginn der Erkrankung stehen meist Beschwerden im Hals-Nasen-Ohren-Bereich im Vordergrund: Charakteristisch sind ein chronischer Schnupfen mit Blutbeimengungen, häufig auftretendes Nasenbluten und Geschwüre der Mundschleimhaut.
Breitet sich die Granulombildung auf die Nasennebenhöhlen aus, ist eine mit Schmerzen im Stirn- und Kieferbereich verbundene Entzündung die Folge. Eine Beteiligung der Ohren macht sich durch starke Ohrenschmerzen bemerkbar, gelegentlich treten Schwindelattacken auf. Anzeichen für Veränderungen im Hals können Schluckstörungen, Heiserkeit und ein trockener Reizhusten sein, beim Übergreifen auf die Lunge kann es zu Bluthusten und massiver Atemnot mit akuter Erstickungsgefahr kommen.
Starke atemabhängige Schmerzen im Brustbereich können auf eine Rippenfellentzündung oder eine Herzbeutelentzündung hindeuten. Viele Patienten leiden insbesondere in der Anfangsphase der Erkrankung unter Augenentzündungen und Sehstörungen, im weiteren Verlauf kann eine Nierenbeteiligung Bluthochdruck auslösen. Bei Blutbeimengungen im Urin ist an eine Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis) zu denken.
Weitere mögliche Symptome eines Morbus Wegener sind schmerzhafte, druckempfindliche Schwellungen an den Gelenken (insbesondere an den Extremitäten) sowie Missempfindungen und Taubheitsgefühle in Zehen und Fingern. Hauteinblutungen und kleine Hautgeschwüre kommen ebenfalls vor, beim Fortschreiten der Erkrankung können ganze Hautbereiche absterben. Begleitend treten oftmals unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme auf.
Diagnose & Verlauf
Ein Verdacht auf Morbus Wegener ergibt sich, wenn zwei der sogenannten vier ACR-Kriterien (oronasale Entzündung, pathologischer Röntgenthorax, pathologisches Urinsediment, granulomatöse Entzündungen) klinisch bestätigt werden können.
Abgesichert wird die Diagnose durch eine Biopsie mit anschließender histologischer Untersuchung, im Rahmen derer bei einem Morbus Wegener nekrotisierende und partiell granulomatöse Vaskulitiden der kleineren Blutgefäße nachgewiesen werden können. Eine Blutuntersuchung zeigt zudem erhöhte CRP- und Kreatinin-Werte (Niereninsuffizienz) sowie eine Leukozytose als Marker für chronische Entzündungen und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit.
Bei Vorliegen einer Glomerulonephritis sind darüber hinaus c-ANCA (Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper) im Serum und eine Erythrozyturie (Blut im Harn) nachweisbar. Das Röntgenbild weist Verschattungen im Bereich der Nasennebenhöhlen und infiltriertes Lungengewebe auf, während sich durch ein CT (Computertomographie) Granulome, Narben und Kavernen (pathologisch auffällige Hohlräume) feststellen lassen.
Differentialdiagnostisch sollte Morbus Wegener von einem Bronchialkarzinom und einem Goodpasture-Syndrom abgegrenzt werden. Untherapiert weist ein Morbus Wegener eine infauste (ungünstige) Prognose mit tödlichem Verlauf auf. Dagegen kann bei der Mehrzahl der Fälle (90 Prozent) im Rahmen einer Therapie eine Verbesserung der Symptome erzielt werden, wenngleich das Rezidivrisiko sehr hoch ist.
Komplikationen
Ebenso kommt es zu einer starken Verringerung der Belastbarkeit des Patienten und zu Entzündungen in der Nase oder in den Ohren. Diese Entzündungen können die Lebensqualität deutlich verringern. Mitunter tritt eine Bronchitis ein. Die Patienten leiden oft auch an Entzündungen an den Augen, die mit Sehbeschwerden einhergehen können.
Weiterhin kommt es zu Fieber und zu Schmerzen in den Gliedern, wodurch es zu Bewegungseinschränkungen im Alltag kommt. Die Lebensqualität wird durch Morbus Wegener deutlich verringert. Ohne Behandlung kann es dabei auch zu einer Niereninsuffizienz kommen, die weiterhin unbehandelt zum Tode des Patienten führen kann. Eine Behandlung kann die meisten Beschwerden einschränken.
Die Lebenserwartung des Betroffenen ist allerdings trotz Behandlung deutlich verringert und eingeschränkt. Der Patient ist dabei auch auf regelmäßige Kontrollen angewiesen und kann aufgrund der Beschwerden auch an psychischen Krankheiten leiden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine erhöhte Blutungsneigung gilt als ungewöhnlich und sollte weiter beobachtet werden. Kommt es zu einem gehäuften Auftreten von Nasenbluten oder Blutungen des Zahnfleisches, sind die Beobachtungen mit einem Arzt zu besprechen. Bei Störungen der Sinneswahrnehmungen wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Besorgniserregend sind Ohrenschmerzen, Entzündungen der Augen, Einschränkungen des Sehvermögens, eine Beeinträchtigung der Atmung oder ein Reizhusten. Veränderungen bei dem Schluckakt oder der Lautgebung müssen einem Arzt vorgestellt werden. Kommt es zu einer Atemnot, liegt ein akuter lebensbedrohlicher Zustand vor. Ein Rettungsdienst ist zu alarmieren und Erste-Hilfe-Maßnahmen sind einzuleiten, damit es zu keinem frühzeitigen Ableben des Patienten kommt.
Schwellungen der Gelenke, Beeinträchtigungen der Fortbewegung oder allgemeine Störungen der Mobilität sind untersuchen und behandeln zu lassen. Unstimmigkeiten der Durchblutung, ungewöhnliche Wahrnehmungsempfindungen auf der Haut oder ein Verlust der Muskelkraft sind von einem Arzt abklären zu lassen. Bluthochdruck, Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus sowie Gangunsicherheiten sollten untersucht werden. Eine schnelle Erschöpfung, ein Abnahme der gewohnten Leistungsfähigkeit und ein Verlust des Wohlbefindens sind Warnhinweise des Körpers, die mit einem Arzt besprochen werden sollten. Abgeschlagenheit, eine ungewollte Abnahme des Körpergewichts, Appetitlosigkeit und eine Verweigerung der Nahrungszufuhr müssen einem Arzt vorgestellt werden. Es droht eine Unterversorgung des Organismus, die zu einer akuten gesundsbedrohlichen Situation führen kann.
Behandlung & Therapie
Aufgrund der unkgeklärten Ätiologie kann ein Morbus Wegener nicht kausal, sondern lediglich symptomatisch therapiert werden. Die therapeutischen Maßnahmen zielen hierbei auf eine Drosselung des fehlregulierten Immunsystems und werden stadiengerecht angepasst.
So wird bei einem initialen und lokal begrenzten Stadium eine medikamentöse Kombinationstherapie aus Cotrimoxazol, das aus den Antibiotika Trimethoprim und Sulfamethoxazol besteht und auch prophylaktisch gegen eine oronasale Besiedelung mit Staphylokokkus aureus zum Einsatz kommt, sowie einem niedrig dosierten Glukokortikoid wie Prednisolon empfohlen. Liegt ein generalisiertes Stadium mit lebensbedrohlichen extrarespiratorischen Symptomen vor, kommen in aller Regel hochdosiertes Prednisolon sowie das Zytostatikum Cyclophosphamid zum Einsatz, wobei Letzteres bei einer Kontraindikation durch ein anderes Zytostatikum wie Methotrexat substituiert wird.
Ebenso kann eine kurzfristige Stoßtherapie mit Methylprednisolon, das intravenös appliziert wird, bei Therapieresistenz angezeigt sein. Können Remissionen festgestellt werden, kann das Zytostatikum durch Immunsuppressiva wie Mycophenolat oder Azathioprin, die in aller Regel besser verträglich sind, ersetzt werden, während die Dosis des Prednisolons sukzessiv auf eine dauerhafte Dosierung ausgeschlichen wird.
Eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz und/oder Lungenblutungen werden im Rahmen einer Plasmapherese, bei welcher das körpereigene Plasma durch eine Lösung aus Elektrolyten und Hydrogencarbonat substituiert wird, therapiert. Bei der Wahl der individuellen medikamentösen Therapie sollte das Risiko für Nierenschädigungen, die die Lebenserwartung beträchtlich einschränken können, berücksichtigt werden. Aufgrund der Nebenwirkungen sollte insbesondere die Nierenfunktion bei Vorliegen eines Morbus Wegener engmaschig kontrolliert werden.
Aussicht & Prognose
Unbehandelt weist Morbus Wegener eine äußerst schlechte Prognose auf. Die Entzündungen breiten sich in diesem Fall immer weiter aus und führen zu bleibenden Schädigungen. Betroffen sind insbesondere das Hör- und Sehvermögen sowie die Nierenfunktion. Sind die Nieren betroffen, kann es innerhalb weniger Monate aufgrund eines Nierenversagens zum Tod kommen. Häufige Entzündungen im Nasenbereich spiegeln sich zudem in einer sogenannten Sattelnase (Einsenkung des Nasenrückens) wider.
Eine Therapie wirkt dagegen einer Ausbreitung der Entzündungen entgegen. Lebenserwartung und -qualität ändern sich bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung kaum. Bei mehr als 90 Prozent der Betroffenen reduziert die Therapie die Beschwerden erheblich, bei 75 Prozent sogar so weit, dass zumindest vorübergehend ein beschwerdefreies Leben möglich ist (komplette Remission). Dennoch besteht bei etwa 50 Prozent der Betroffenen in Remission die Möglichkeit, dass auch bei erfolgreicher Behandlung wieder Beschwerden auftreten.
Zudem geht die langfristige oder wiederholte Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten und Kortikosteroiden (Erhaltungstherapie) mit einem erhöhten Risiko für Infektionen sowie die Entwicklung eines Grauen Stars (Katarakt) einher. Daher sind regelmäßige Kontrollen des Blutbildes sowie des Sehvermögens erforderlich. Darüber hinaus sind ein steroid-bedingter Haarausfall, Akne, Mundgeschwüre sowie eine Gewichtszunahme möglich.
Vorbeugung
Da die genauen Triggerfaktoren und die Ätiologie des Morbus Wegener ungeklärt sind, kann der Erkrankung derzeit nicht vorgebeugt werden.
Nachsorge
Dem Betroffenen stehen bei Morbus Wegener in den meisten Fällen nur sehr eingeschränkte und sehr wenige Maßnahmen der direkten Nachsorge zur Verfügung, sodass der Betroffene idealerweise schon sehr früh einen Arzt aufsuchen sollte. Dabei können weitere Komplikationen durch eine frühe Diagnose verhindert werden. Da es sich dabei allerdings um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann diese in der Regel nicht vollständig wieder geheilt werden, sodass der Betroffene immer auf einen Arzt angewiesen ist.
Vor allem bei einem bestehenden Kinderwunsch ist eine genetische Untersuchung und Beratung ratsam, um ein erneutes Auftreten von Morbus Wegener zu verhindern. Bei der Behandlung selbst sind die Patienten in den meisten Fällen auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen, die die Beschwerden lindern und einschränken können.
Hierbei sollten immer die Anweisungen des Arztes beachtet werden, wobei auch auf die richtige Dosierung zu achten ist. Die Betroffenen sind ebenso auf regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen der inneren Organe angewiesen, wobei vor allem die Nieren kontrolliert werden sollten. Der weitere Verlauf der Erkrankung hängt sehr stark vom Zeitpunkt der Diagnose ab, sodass eine allgemeine Voraussage in der Regel nicht erstellt werden kann. In einigen Fällen verringert Morbus Wegener die Lebenserwartung des Betroffenen.
Das können Sie selbst tun
Diese Krankheit kann für die Betroffenen sehr belastend sein, insbesondere, wenn der Morbus Wegener erst spät erkannt wurde. Obwohl alle Symptome der Erkrankung behandelt werden können, ist die Lebensqualität der Patienten meist stark eingeschränkt.
Für viele Patienten und deren Angehörige ist daher angeraten, sich neben den medizinisch erforderlichen Therapien auch psychotherapeutisch behandeln zu lassen, um dem Leidensdruck die Spitzen zu nehmen. Hilfreich sind auch die Kontakte zu den regional häufig vertretenen Morbus Wegener Selbsthilfegruppen, die im Internet zu finden sind. Alternativ können sich die Betroffenen auch an die Selbsthilfegruppe Vaskulitis (www.vaskulitis-shg.de) wenden, die sich mit allen seltenen Autoimmunerkrankungen auseinandersetzt, die zu chronischen Gefäßentzündungen führen. Die dort aufgeführten Links und Tipps können den Alltag der an Morbus Wegener Erkrankten deutlich erleichtern.
Sie profitieren auch von Entspannungstechniken jeglicher Art, weil sie auch gegen die Müdigkeit und das Gefühl der Abgeschlagenheit wirken, worunter die Patienten verstärkt leiden. Hier sind Yoga, die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Qigong und Tai Chi als empfehlenswert zu nennen. Doch die neuen, alternativen Therapieformen wie Musiktherapie, Lachyoga oder die Klopftherapie EFT sollten ebenfalls einmal ausprobiert werden, denn auch sie haben sich bereits als Entlastung für die Morbus Wegener Erkrankten erwiesen.
Quellen
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013