Renale Anämie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine renale Anämie ist eine nierenbedingte Blutarmut, die auf Störungen der Erythropoese (Synthese roter Blutkörperchen) durch eine Niereninsuffizienz zurückgeführt werden kann. Das Ausmaß einer renalen Anämie wird vom Schweregrad der zugrunde liegenden Niereninsuffizienz bedingt. Eine renale Anämie ist in der Regel medikamentös gut therapierbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine renale Anämie?

Durch die verringerte Versorgung mit Sauerstoff ist die Leistungsfähigkeit herabgesetzt, Patienten fühlen sich müde und abgeschlagen. Schwindel und Kopfschmerzen können auftreten.
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Als renale Anämie wird eine durch eine Niereninsuffizienz (Unterfunktion der Nieren) bedingte Blutarmut bezeichnet, die auf einen Erythrozytenmangel im Blut zurückzuführen ist.

Die verminderte Menge an Erythrozyten, die über das Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) den Transport von Sauerstoff im Blut gewährleisten, führt zu einer Sauerstoffunterversorgung des Körpers und bewirkt die für eine renale Anämie typischen Symptome wie Blässe, schnelle Ermüdungserscheinungen und Atemnot.

Dabei nimmt die Wahrscheinlich einer Erkrankung an renaler Anämie mit fortschreitender Niereninsuffizienz zu. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz (Dialysepflichtigkeit, benötigte Nierentransplantation) wird in den meisten Fällen eine renale Anämie festgestellt.

Ursachen

Eine renale Anämie wird durch eine chronische Niereninsuffizienz verursacht, die wiederum unterschiedlich bedingt sein kann. So können eine langjährige Diabetes, ein überhöhter Schmerzmittelkonsum sowie entzündliche Erkrankungen der Nieren eine Niereninsuffizienz und bereits im frühen Stadium eine renale Anämie bewirken.

In gesunden Nieren werden über vier Fünftel des Bedarfs an Erythropoetin produziert, einem Hormon, das die Erythropoese (Erythrozytensynthese) im Knochenmark stimuliert. Bei einer Niereninsuffizienz wird dieses Hormon in nur unzureichender Menge gebildet, so dass zu wenig Erythrozyten synthetisiert werden und sich eine renale Anämie entwickelt.

Auch eine verminderte Lebenszeit der Erythrozyten sowie eine gestörte Eisenaufnahme durch das Hämoglobin können auf eine Niereninsuffizienz zurückgeführt werden und somit eine renale Anämie verursachen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei einer durch Niereninsuffizienz ausgelösten Anämie kommt es zu den typischen Symptomen einer Blutarmut. Durch die verringerte Versorgung mit Sauerstoff ist die Leistungsfähigkeit herabgesetzt, Patienten fühlen sich müde und abgeschlagen. Schwindel und Kopfschmerzen können auftreten.

Haut und Schleimhäute sind blass, sie haben eine Farbe ähnlich wie Milchkaffee. Bei körperlicher Belastung kommt es zu Kurzatmigkeit (Dyspnoe). Anfangs bessern sich die Atemschwierigkeiten im Ruhezustand, im fortgeschrittenen Stadium der Anämie bleiben sie auch in Ruhe bestehen. Die Zunge sieht rot und glatt aus, was von Medizinern als Lackzunge bezeichnet wird.

Zusätzlich zu den Symptomen, die durch die Blutarmut verursacht werden, entstehen weitere Beschwerden durch die Funktionsstörung der Nieren. Der Blutdruck steigt an, die Konzentrationsfähigkeit lässt nach und Zustände von Verwirrtheit sind möglich. Der Verdauungstrakt ist ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen, was Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen zur Folge hat.

Durch Appetitlosigkeit verlieren Betroffene häufig Gewicht. Auf der Haut zeigen sich sogenannte urämische Veränderungen wie Trockenheit, Schuppenbildung und Juckreiz. Letzterer kann so stark sein, dass sich Patienten die Haut aufkratzen. Nicht selten infizieren sich diese Kratzspuren. Durch die Schädigung der Nieren kann es zu Zyklusstörungen und Impotenz kommen. In manchen Fällen treten Sensibilitätsstörungen, Wadenkrämpfe und Knochenschmerzen auf. Auch verstärkter Herzschlag, Herzrasen und Herzrhythmusstörungen sind möglich.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose einer renalen Anämie erfolgt anhand einer Blutbildanalyse, im Rahmen derer Blutzellenzahl, der Hämoglobin- sowie der Hämatokritwert (Gesamtanteil der Blutzellen am Blut) bestimmt werden. Ist der Wert der roten Blutkörperchen bei normalwertigem Hämoglobin und/oder der Hämatokritwert vermindert, kann von einer renalen Anämie ausgegangen werden.

Im Anfangsstadium einer renalen Anämie sind im Ruhezustand oftmals keine Symptome feststellbar, während belastungsbedingt schnell Ermüdungserscheinungen sowie Schwäche und Atemnot auftreten können. Bei einer fortgeschrittenen renalen Anämie sind diese Symptome auch im Ruhezustand beobachtbar. Ferner geht eine renale Anämie mit einem erhöhten Herzzeitvolumen einher, da der Organismus über eine höhere Herzpumpleistung den Sauerstoffmangel zu kompensieren versucht.

Da renale Anämie durch Niereninsuffizienz bedingt ist, sind die für Nierenschäden charakteristischen Symptome (Hautblässe, Ikterus, Magen-Darm-Beschwerden u. a.) in Abhängigkeit von Ausmaß und Stadium der Nierenerkrankung zu beobachten. Eine nicht therapierte renale Anämie führt langfristig zu einer physischen und geistigen Leistungsverminderung sowie einer verkürzten Lebenserwartung.

Komplikationen

Die renale Anämie führt häufig zu Komplikationen, die aber immer von der Art und Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig sind. So besteht unter anderem bei Diabetikern das größte Risiko, frühzeitig an einer schweren renalen Anämie zu leiden. Wenn jedoch leichte Nierenschäden vorliegen, ist die Anämie nur schwach ausgeprägt und zeigt kaum Symptome. In schweren Fällen tritt Müdigkeit, Leistungsabfall, geistiger Abbau mit Verwirrtheitszuständen, Atemnot und erhöhter Puls auf.

Zusätzlich kann es zu Bluthochdruck, Knochenschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden kommen. Insgesamt besteht ein großes Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das gilt umso mehr, je später die Therapie der renalen Anämie bei noch nicht dialysepflichtigen Patienten beginnt. Außerdem steigen dann auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte und natürlich die Behandlungskosten.

Insgesamt wirkt sich eine unbehandelte renale Anämie negativ auf die Leistungsfähigkeit von Körper und Geist aus. Außerdem kommt es zu einer drastischen Verkürzung der Lebenserwartung. Schwer wiegt auch die Minderung der Lebensqualität der Patienten. Aufgrund der chronischen Beschwerden kann es bei den Betroffenen zusätzlich zu psychischen Erkrankungen kommen.

Besonders das Risiko für die Entstehung von Depressionen ist erhöht. Da bei der renalen Anämie das Hormon Erythropoetin (EPO) fehlt, muss es im Rahmen der Therapie zugeführt werden. Die Risiken dieser Therapie sind zwar gering, können aber anfangs zur Blutdrucksteigerung und zu einer leichten Erhöhung des Thromboserisikos führen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Diese Erkrankung sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Dabei kann es im schlimmsten Falle unbehandelt zum Tod des Betroffenen kommen. In der Regel kann diese Krankheit relativ gut mit Hilfe von Medikamenten behandelt werden. In erster Linie ist ein Arzt dann aufzusuchen, wenn der Patient unter einer gestörten Sauerstoffaufnahme leidet. Dabei kommt es häufig zu einer starken Müdigkeit und zu Schwindelgefühlen. Auch starke Kopfschmerzen, die dauerhaft auftreten können auf die Erkrankung hindeuten.

In den meisten Fällen wirkt auch die Haut des Betroffenen sehr blass und es kommt zu einer Kurzatmigkeit. Weiterhin weisen auch starke Verdauungsbeschwerden oder eine Appetitlosigkeit auf die Erkrankung hin. Die Haut des Patienten ist gerötet und es kommt zu einem Juckreiz. Sollten diese Beschwerden daher über einen längeren Zeitraum auftreten und das Leben des Betroffenen erschweren, so ist auf jeden Fall ein Arzt aufzusuchen. In der Regel kann die Erkrankung gut behandelt werden, sodass auch die Lebenserwartung des Betroffenen dadurch nicht verringert wird. Eine vollständige Heilung wird jedoch meist nicht erreicht, sodass der Patient auf eine lebenslange Behandlung angewiesen ist.

Behandlung & Therapie

Eine renale Anämie wird medikamentös therapiert. Ist die renale Anämie auf einen Erythropoetinmangel zurückzuführen, was den Regelfall darstellt, wird zur Beseitigung des vorliegenden Hormonmangels gentechnisch synthetisiertes Erythropoetin gespritzt (EPO-Therapie bzw. Erythropoetinsubstitution).

Durch die Erythropoetinsubstitution wird der Hormonmangel ausgeglichen und die Blutbildung stimuliert, weshalb eine zusätzliche Eisenaufnahme notwendig werden kann. Eine hinreichende Eisenmenge stellt eine essentielle Voraussetzung für die Erythropoese dar. Der erhöhte Eisenbedarf kann durch einen entsprechenden Ernährungsplan sowie durch zusätzliche Eisenpräparate gewährleistet werden.

Da die Eisenaufnahme im Magen-Darm-Trakt durch Tabletten (perorale Eisentherapie) lediglich eingeschränkt möglich ist und in vielen Fällen Verdauungsstörungen und Übelkeit nach sich ziehen kann, wird bei renaler Anämie eine intravenöse Verabreichung (parenterale Eisentherapie) empfohlen.

Durch eine Erythropoetinsubstitution werden Bluttransfusionen sowie die mit diesen einhergehenden Risiken (Viruserkrankungen, übersteigerte Immunsystemreaktionen, Hemmung der körpereigenen Erythrozytenbildung) umgangen. Bei Betroffenen, bei denen noch keine Dialysepflicht vorliegt, wird das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen minimiert.

Im Falle einer Nierentransplantation ist in der Regel eine Verbesserung der renalen Anämie zu beobachten, da mit der neuen Niere die Ursache für eine renale Anämie beseitigt wurde und genügend Erythropoetin produziert werden kann.


Vorbeugung

Da eine renale Anämie durch eine Niereninsuffizienz bedingt wird, zielen vorbeugende Maßnahmen auf eine Vermeidung von Nierenschäden ab. Hierzu gehören eine gesunde Ernährung sowie die frühzeitige Behandlung von Erkrankungen, die eine Niereninsuffizienz (Diabetes mellitus, entzündliche Nierenerkrankungen) und somit eine renale Anämie hervorrufen können. Regelmäßig stattfindende Blutwertkontrollen bei chronischer Niereninsuffizienz tragen zu einer frühzeitigen Diagnose und Behebung einer renalen Anämie bei.

Nachsorge

Die Nachsorge der renalen Anämie ist abhängig von seiner Ursache. Jedenfalls ist eine regelmäßige Prüfung der Blutwerte erforderlich, um gegebenenfalls sofort reagieren zu können. Den Turnus legt hierbei der Arzt fest. Ist die Niere der Auslöser, ist dies am besten ein Nephrologe.

Die Kontrolle kann monatlich oder bei Manifestierung auch in größeren Abständen notwendig sein. Gerade bei Niereninsuffizienz ist davon auszugehen, dass die renale Anämie erneut auftritt. Wichtig ist dann die Prüfung auf mindestens folgende Blutwerte: Hämoglobin und GFR (Harnproduktion der Nieren). Sobald der GFR unter 15 ml/min sinkt, tritt Nierenversagen auf. Hämoglobin (Hb) sollte nicht unter 11 g/dl abfallen. Hämoglobin ist der eisenhaltige und daher rote Blutfarbstoff, der für den Transport des Sauerstoffs im Blut verantwortlich ist.

Der Eisengehalt kann durch Eisentabletten oder eine Injektion erhöht werden. Sobald der Hämoglobinwert erneut absinkt, muss wieder eine Erythropoetin- (EPO-) Gabe erfolgen, deren Wirkung zeitlich um mehrere Wochen verzögert auftritt. EPO ist das Hormon, das das Knochenmark zur Blutbildung anregt. Da der Blutdruck hierbei ansteigen kann, muss auch dieser in der Nachsorge täglich kontrolliert und notiert werden. Auf der Basis einer Dokumentation der Blutdruckwerte kann der Arzt entscheiden, ob mit Blutdruck senkenden Mitteln therapiert werden muss.

Das können Sie selbst tun

Patienten, die an renaler Anämie leiden, können den Behandlungserfolg durch eine Umstellung ihrer Ernährung positiv beeinflussen. Da mit der Blutarmut ein Mangel an Eisen einhergeht, ist die Aufnahme eisenhaltiger Lebensmittel notwendig. Besonders dann, wenn Betroffene entsprechende Medikamente (wie z. B. Tabletten) nicht gut vertragen. Zu eisenhaltigen Lebensmitteln zählen vor allem Fleisch, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. Es ist ratsam bei deren Verzehr gleichzeitig eine ausreichende Zufuhr von Vitamin C (z. B. durch ein Glas Orangensaft) sicherzustellen, da dies die Aufnahme von Eisen im Körper erleichtert.

Auch ein gesundes Maß an Bewegung kann - je nachdem in welchem Stadium sich die renale Anämie befindet - einen positiven Einfluss auf den Körper haben. Entspannungsübungen und Bewegung führen zu einem besseren Körpergefühl und können zudem Begleiterkrankungen, wie z. B. Herz-Kreislauf-Probleme, lindern. Der Kontakt und Austausch mit Gleichgesinnten in einer Selbsthilfegruppe kann sich ebenfalls sehr positiv auf Patienten und deren Wohlbefinden auswirken.

Der Gang zum Arzt ist jedoch unabdingbar. Denn nur durch eine medikamentöse Behandlung können die Symptome der renalen Anämie dauerhaft behandelt werden. So sollten Betroffene ihre Blutwerte regelmäßig kontrollieren lassen, um bei eventuellen Verschlechterungen frühzeitig eingreifen zu können.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010

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