Roberts-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Mediziner bezeichnet als Roberts-Syndrom eine schwerwiegende, autosomal-rezessiv vererbte Fehlbildung. Das Roberts-Syndrom wird mitunter auch als Appelt-Gerken-Lenz-Syndrom, Pseudothalidomid-Syndrom sowie auch Roberts-SC-Phokomelie bezeichnet. Jene Bezeichnungen beschreiben keine unterschiedlichen Stadien oder Formen, sondern beruhen vorwiegend auf die Entdecker des Syndroms.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Roberts-Syndrom?

Das Roberts-Syndrom entsteht auf Grund von Mutationen im ESCO2-Gen. Das ESCO2-Gen befindet sich auf dem Chromosom 8 Genlocus p21.1.
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Als Roberts-Syndrom wird eine sehr selten vorkommende Fehlbildung beschrieben, die auf Grund einer genetischen Determination beziehungsweise Mutation auftritt. Charakteristisch ist vor allem das Fehlen der vier Extremitäten. Im Regelfall sind die Prognosen sehr schlecht; in vielen Fällen ist die körperliche beziehungsweise geistige Entwicklung stark eingeschränkt. Der Großteil der Betroffenen stirbt bei der Geburt.

Im Endeffekt erinnern Roberts-Syndrom-Betroffene auch an Contergan-Opfer, da sie ähnliche Miss- und Fehlbildungen aufweisen. Es gibt keine ursächliche Behandlung und auch keine vorbeugenden Maßnahmen, damit das Roberts-Syndrom verhindert werden kann. Mediziner, die das Roberts-Syndrom - auf Grund eines Gentests - feststellen, versuchen vorwiegend die Symptome zu lindern und die Lebensqualität des Betroffenen zu erhöhen. Das Roberts-Syndrom wurde zum ersten Mal 1919 beschrieben.

Der amerikanische Chirurg John Bingham Roberts verfasste die erste wissenschaftliche Beschreibung. Es dauerte jedoch 67 Jahre lang, bis weitere Erkenntnisse folgten. Es waren Hans Appelt, Widukind Lenz und Hartmut Gerken, drei Genetiker aus Deutschland, die im Jahr 1966 erste Forschungen betrieben. Aus diesem Grund wird die vererbte Fehlbildung als Roberts-Syndrom bezeichnet beziehungsweise ist jene auch als Appelt-Gerken-Lenz-Syndrom bekannt.

Ursachen

Das Roberts-Syndrom entsteht auf Grund von Mutationen im ESCO2-Gen. Das ESCO2-Gen befindet sich auf dem Chromosom 8 Genlocus p21.1. Vor allem spielt das Genprodukt von ESCO2 eine wesentliche Rolle; schlussendlich handelt es sich um eine sogenannte N-Acetyltransferase, welche sich beim Menschen aus genau 601 Aminosäuren zusammensetzt.

Tritt in die S-Phase ein und beginnt die Zellteilung, verdoppeln sich die Chromatiden. Jene Vorgehensweise löst das Syndrom aus. Bislang ist jedoch die Trägerfrequenz der Mutation unbekannt. Das ESCO2-Gen setzt sich aus insgesamt elf Exons mit 30,3 kb zusammen; es ist nicht zu sagen, welche Trägerfrequenz vorhanden ist. Aus welchen Gründen die Mutation entsteht, ist nicht bekannt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Betroffene, welche unter einem Roberts-Syndrom leiden beziehungsweise nicht als Totgeburt zur Welt gebracht werden oder kurz nach ihrer Geburt sterben, weisen zahlreiche Symptome auf, die auf die dementsprechende Mutation hinweisen. So besteht eine geistige Retardierung, eine Mikrozephalie (der Kopf weist eine geringe Größe auf), eine Phokomelie (sogenannte "Robbengliedrigkeit") sowie auch eine Brachyzephalie (Kurz- beziehungsweise Rundköpfigkeit).

In fast allen Fällen ist eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ersichtlich; auch eine Hyperplasie von Klitoris und Penis (Vergrößerung) ist gegeben. Die Hornhaut der Betroffenen ist getrübt beziehungsweise kann der Mediziner auch Missbildungen an inneren Organen (Herz oder auch Nieren) feststellen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Mediziner stellt zu Beginn eine Verdachtsdiagnose. Jene kann er problemlos - auf Grund der vorliegenden Symptome - stellen. Erst wenn die Mutation mittels Gentest nachgewiesen wurde, kann eine sogenannte Diagnosesicherung erfolgen. Bis es keinen genetischen Nachweis darüber gibt, dass tatsächlich eine Mutation vorliegt, die für das Roberts-Syndrom verantwortlich ist, liegt eine Verdachtsdiagnose vor, ganz egal, wie eindeutig die Symptome des Betroffenen sind.

In vielen Fällen sterben die Betroffenen nach der Geburt beziehungsweise werden bereits als Totgeburten auf die Welt gebracht. Es gibt aber auch einzelne Fälle, in denen eine normale geistige Weiterentwicklung dokumentiert wurde. Jedoch muss dahingehend erwähnt werden, dass dies die absolute Ausnahme darstellt. Der Krankheitsverlauf und die Prognosen sind überwiegend negativ.

Therapeutische Maßnahmen können theoretisch zwar den Krankheitsverlauf mindern oder die Symptome begünstigen, jedoch kann auch hier nicht von einem positiven Verlauf beziehungsweise einer positiven Prognose gesprochen werden.

Komplikationen

Betroffene des Robert-Syndroms sterben meist schon bei der Geburt oder kurz danach. Falls das erkrankte Kind überlebt, leidet es fast immer unter schweren geistigen und körperlichen Schädigungen. Das Fehlen der vier Gliedmaßen sowie andere typische Auffälligkeiten sind mit erheblichen Schmerzen für das Kind verbunden. Die geistige Behinderung geht mit vielgestaltigen Komplikationen einher – von Entwicklungsstörungen bis hin zu spezifischen Folgeerkrankungen und sozialer Ausgrenzung.

Im Allgemeinen leidet der Betroffene also unter verschiedenen Beschwerden und deren Spätfolgen. Dies hat Auswirkungen auf die psychische Verfassung des Kindes und der Eltern. Sollte es zu einer normalen geistigen Entwicklung kommen, so benötigt der Betroffene dennoch ein Leben lang Unterstützung. Weitere Komplikationen hängen von den spezifischen Symptomen ab.

So ist ein Fehlen der Glieder mit Bettlägerigkeit und ihren typischen Folgen verbunden, während eine Lippen-Gaumen-Spalte Sprachstörungen hervorruft. Bei der Behandlung der einzelnen Beschwerden können weitere Komplikationen auftreten. Im Rahmen eines operativen Eingriffs kommt es häufig zu Infektionen und Nervenverletzungen.

Aufgrund der meist schon schlechten körperlichen Verfassung der Betroffenen sind auch Herz-Kreislauf-Beschwerden und Wundheilstörungen nicht auszuschließen. Werden Medikamente verabreicht, können Neben- und Wechselwirkungen auftreten oder es kommt zu allergischen Reaktionen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kinder, die am Roberts-Syndrom leiden, müssen engmaschig ärztlich behandelt werden. Die verschiedenen körperlichen und geistigen Störungen werden rekonstruktiv und kosmetisch behandelt, um Wohlbefinden und Lebensqualität zu verbessern. Meist ist auch eine Physiotherapie vonnöten, um etwaige Fehlbildungen an Händen und Füßen zu kompensieren. Eltern von betroffenen Kindern sollten mit dem Arzt über die notwendigen Therapiemaßnahmen sprechen und die jeweiligen Fachärzte hinzuziehen. Abhängig vom Symptombild werden unter anderem Orthopäden, Neurologen, Chirurgen, Augenärzte und Dermatologen in die Behandlung involviert.

Der Kinderarzt kann die regelmäßigen Verlaufskontrollen übernehmen, insofern das Kind nicht stationär behandelt werden muss. Die Eltern und Angehörigen des betroffenen Kindes benötigen meist ebenfalls therapeutische Unterstützung. Wenn das Kind tot geboren wird oder die Erkrankung tödlich verläuft, stellt dies eine besonders große Belastung für die Eltern dar, die sich frühzeitig an einen geeigneten Psychologen wenden sollten, um das Trauma aufzuarbeiten und zu überwinden. Da es sich bei dem Roberts-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, ist bei einem erneuten Kinderwunsch eine genetische Beratung sinnvoll.

Behandlung & Therapie

Im Rahmen des Roberts-Syndroms gibt es keine ursächliche Therapie. Das bedeutet, dass vorwiegend die Symptome behandelt werden, sodass die Lebensqualität des Betroffenen - so gut wie möglich - gesteigert werden kann. Jedoch muss erwähnt werden, dass in vielen Fällen die Fehlbildungen derart drastisch sind, dass nur in geringen Ausmaßen geholfen werden kann.

Der Mediziner muss selbst abschätzen, inwiefern die Behandlung helfen kann. Das Roberts-Syndrom muss ausschließlich individuell begutachtet werden, um dann die Entscheidung zu treffen, welche Behandlung mitunter durchgeführt werden kann.

Vor allem sind es korrigierende Maßnahmen, damit eine Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden kann. Der Mediziner entscheidet sich für chirurgische Korrekturen, die vorwiegend kosmetischer und funktioneller Natur sind. So ist die Möglichkeit gegeben, die Lebensqualität des Betroffenen zu steigern. Zu den problemlosen Korrekturen zählt etwa die Behandlung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte.

Mitunter können auch sogenannte handchirurgische Eingriffe dazu führen, dass das Halten oder Greifen von Gegenständen erleichtert werden kann. Da Fehlbildungen der inneren Organe charakteristisch für das Roberts-Syndrom sind, werden hier individuelle Behandlungen durchgeführt. Dabei achtet der Mediziner auf die Ausprägung der Fehl- und Missbildungen der Organe, sodass auch hier individuelle Therapien durchgeführt werden.

Der Mediziner muss zudem auch die Entscheidung treffen, wenn das Roberts-Syndrom derart stark ausgeprägt ist, dass der Betroffene mitunter nur wenige Stunden oder Tage zu leben hat, keine zusätzlichen Behandlungen zu starten. So wartet der Mediziner im Endeffekt nur auf den natürlichen Tod des Patienten.


Vorbeugung

Das Roberts-Syndrom kann nicht vorgebeugt werden. Dies deshalb, da auch nicht bekannt ist, aus welchem Gründen die Mutation auftritt beziehungsweise ob es begünstigende Faktoren gibt.

Nachsorge

Die Nachsorge beim Roberts-Syndrom muss für jeden Betroffenen individuell stattfinden, da die Symptome sehr unterschiedlich sein können. Bei starken Fehlbildungen kann den Patienten nicht geholfen werden, sie sterben oft noch während der Geburt oder kurz danach. Zur Nachsorge gehören dann eine medikamentöse Behandlung oder eine palliativmedizinische Betreuung.

Wenn Operationen erforderlich sind, bestehen die wichtigsten Maßnahmen in einer guten Wundpflege und der Kontrolle der Operationsnarbe. Begleitend dazu findet oft eine Physiotherapie statt. Zur Nachsorge können außerdem weitergehende Untersuchungen durch Fachärzte gehören, abhängig vom Symptombild, das von Hornhauttrübung bis hin zu Missbildungen an den inneren Organen reichen kann.

Eine eigenständige Nachsorge findet meist aber nicht statt, da das Roberts-Syndrom ein chronisches Leiden darstellt und die Betroffenen ein Leben lang behandelt werden müssen. Der zuständige Facharzt muss gemeinsam mit den Angehörigen entscheiden, welche Therapiemöglichkeiten langfristig infrage kommen. Hierzu müssen gegebenenfalls auch Psychologen hinzugezogen werden, da die Erkrankung für die Beteiligten eine große seelische Belastung darstellen kann. Insbesondere die Eltern des Kindes benötigen seelischen Beistand, da die Patienten in den meisten Fällen kurz nach der Geburt versterben oder bereits tot geboren werden.

Das können Sie selbst tun

Das Robert-Syndrom kann in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten, die verschiedene Verläufe nehmen können. Je nach Verlauf muss gemeinsam mit dem Arzt eine individuelle Therapie erarbeitet werden, die unter anderem auch Selbsthilfemaßnahmen für die Angehörigen umfasst.

Bei einer leichten Erkrankung benötigen die Betroffenen zunächst verschiedene Operationen und physiotherapeutische Unterstützung. Meist liegen Fehlbildungen an allen vier Gliedern vor, weshalb in jedem Fall der Einsatz von Hilfsmitteln wie Krücken oder eines Rollstuhls vonnöten ist. Die Angehörigen sollten sich frühzeitig mit einer Hilfestelle in Verbindung setzen, um Unterstützung im Alltag zu erhalten. Da das Leiden für die Angehörigen eine erhebliche seelische Belastung darstellt, ist mitunter auch für die Eltern eine therapeutische Behandlung sinnvoll.

Nach operativen Eingriffen muss das Kind ständig überwacht werden. Es besteht ein erhöhtes Komplikationsrisiko, auch über den Krankenhausaufenthalt hinaus. Die Eltern sollten sich zudem mit Sonderschulen und Sonderkindergärten in Verbindung setzen. Je früher diese Maßnahmen eingeleitet werden, desto stressfreier kann das Leben mit einem erkrankten Kind bestritten werden. Kinder, die am Roberts-Syndrom leiden, können zu Hause Krankengymnastik betreiben. In jedem Fall müssen sie einen gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung und einer angepassten Ernährung führen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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