SIRS (Systemisch inflammatorisches Response Syndrom)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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SIRS ist eine Abkürzung für das Systemisch inflammatorische Response Syndrom. Im Rahmen von Infektionen spricht die Medizin bei dieser immunologischen Ganzkörperentzündung auch von einer Sepsis. Die Ausräumung des Entzündungsfokus ist ein wichtiger Behandlungsschritt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist SIRS?

Eine Leukozytenzahl von unter 4000/mm3 oder über 12000/mm3 kommt als Anzeichen für ein SIRS in Frage. Dasselbe gilt für einen weniger als zehnprozentigen Anteil unreifer Leukozyten.
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Entzündungsreaktionen sind Anzeichen für eine immunologische Aktivierung. Über immunologische Entzündungen will das Immunsystem Krankheitserreger oder andere Schadstoffe aus dem Organismus entfernen. Fremdstoffe, Antigene oder abnorme Gewebszustände lösen einen Reiz aus, der die immunologische Abwehrreaktion initiiert. Die jeweilige Entzündungsreaktion kann in betroffenen Organen und den umliegenden Geweben stattfinden oder systematisch den gesamten Körper betreffen.

Letztlich kann jeder Reiz über einem physiologisch normalen Maß eine Entzündung aktivieren. Das gilt für physikalische Reize genauso wie für mechanische Reize. Neben den thermischen, strahlungsbedingten und chemischen Ursachen können Entzündungen auch Allergene oder Autoallergene und tatsächliche Krankheitserreger wie Viren zur Ursache haben. SIRS steht für systemisch inflammatorische Response Syndrom und damit eine Entzündungsreaktion des gesamten Körpers.

Statt einer lokalen Entzündung liegt beim systemisch inflammatorischen Response Syndrom also eine systemische Entzündung vor, die sich von einem direkt betroffenen Gewebe aus im Körper ausbreitet. Das Krankheitsbild ähnelt der Blutvergiftung. Anders als bei einer Sepsis sind beim SIRS allerdings keine Infektionen nachweisbar.

Ursachen

Letztlich ist die Sepsis eine infektiöse Sonderform des SIRS. Das systemisch inflammatorische Response Syndrom kann somit durch noch mehr Umständen ausgelöst werden als die Sepsis, gleicht ihr aber in den Grundeigenschaften. Die systemische Entzündungsreaktion ohne nachweisbare Infektion kann immunologische Ursache haben. Das Krankheitsbild kann aber auch durch chemische Zusammenhänge verursacht werden.

So zum Beispiel bei einer akuten Pankreatitis, die Gallensäure in die Bauchspeicheldrüsengänge zurück staut und so das Epithel der Pankreas schädigt oder für verschiedene Substanzen permeabel macht. Auch thermische Auslöser kommen als Ursache eines SIRS in Frage. Hierzu zählen beispielsweise Verbrennungen ab einer bestimmten Größe und Schwere. Unter den mechanischen Auslösern zählen große Operationen zu den wichtigsten Ursachen des SIRS.

Insbesondere Eingriffe mit einem extrakorporalen Kreislauf werden als Auslöser für die Entzündungsreaktionen beobachtet. Neben Herzoperationen können aber auch große Wundflächen das SIRS verursachen. Ebenso kommen schwere Traumata, Blutungen, Ischämien oder Anaphylaxien als Auslöser in Frage. Schwere Erkrankungen wie eine nekrotisierende Pankreatitis sind eine ebenso denkbare Ursache für die systemisch inflammatorische Response des gesamten Körpers.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Verschiedene Parameter weisen auf das SIRS hin. An einem Patienten liegen gleichzeitig meist allerdings nur rund zwei davon vor. Zu den Kriterien der Diagnosestellung zählt zum Beispiel eine Körpertemperatur unter 36 oder über 38 Grad Celsius. Dasselbe gilt für eine Herzfrequenz über 90 pro Minute. Tachypnoen mit Atemfrequenzen über 20 pro Minute und einem paCO2 unter 32 mmHg oder Oxygenierungsindices unter 200 sind ebenso denkbar.

Auch eine Leukozytenzahl von unter 4000/mm3 oder über 12000/mm3 kommt als Anzeichen für ein SIRS in Frage. Dasselbe gilt für einen weniger als zehnprozentigen Anteil unreifer Leukozyten. Im Labor stellen sich die Hypophosphatämie und die Thrombozytopenie als zusätzliche Marker für das SIRS heraus. Auch ein drastischer Abfall des Fibrinogens oder der Faktoren II, V und X kann Hinweise auf das Krankheitsbild liefern.

CRP und BSG sind in der Regel hoch positiv und das Procalcitonin befindet sich in permanentem Anstieg. Auch ansteigendes IL-6 und IL-8 ist ein Indiz, da es sich dabei um die hauptsächlichen Vermittler der Akute-Phase-Reaktion handelt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Arzt stellt die Diagnose auf ein SIRS anhand der genannten Parameter. Mindestens zwei der obenstehenden Kriterien müssen für die Diagnostizierung erfüllt sein. Die Kombination von Fieber und abnormer Leukozytose ist die häufigste Kombination bei der Diagnostizierung des SIRS und verweist auf eine angemessene oder auch überschießende Immunreaktion.

Eine Körpertemperatur unter 36 Grad Celsius wird in Kombination mit einer Leukopenie auch ein kaltes SIRS genannt und spricht für eine Abwehrschwäche. Wenn zwei oder mehr der genannten Kriterien Wird das SIRS von einer nachweisbaren Infektion begleitet werden, ist nicht mehr vom systemisch inflammatorischen Response Syndrom, sondern von einer Sepsis die Rede. Der Verlauf hängt stark vom Krankheitsbild im Einzelfall ab. Eine möglichst frühe Behandlung verbessert die Prognose. Die Therapieeinleitung vor dem Nachweis von möglichen Erregern gilt als empfohlener Standard.

Komplikationen

Im Verlauf der Erkrankung kann SIRS eine Reihe von Beschwerden und Komplikationen verursachen. Die Ganzkörperentzündung ruft zunächst eine Überhitzung des Körpers hervor – es kommt zu Beschwerden wie Fieber und Hyperventilation. Steigt die Körpertemperatur auf über 41 Grad Celsius, kann es zu lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Beschwerden kommen. Bei fehlender Behandlung kommt es schließlich zum Kreislaufkollaps oder zu Herzversagen.

Auch Begleitsymptome wie Dehydration und Mangelerscheinungen können unbehandelt einen tödlichen Verlauf nehmen. Aufgrund der Abwehrschwäche besteht zudem ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Dadurch können im gesamten Körper Entzündungen auftreten, die im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung nach sich ziehen. Sind die inneren Organe oder die Haut betroffen, stellen sich weitere Komplikationen ein, zum Beispiel Niereninsuffizienz und Abszesse.

Die Behandlung ist ebenfalls mit Risiken verbunden. So kann es bei der Gabe von Antibiotika zu Magen-Darm-Beschwerden, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen und Hautirritationen kommen. Auch Allergien und Unverträglichkeitsreaktionen sind nicht auszuschließen. Im Rahmen eines operativen Eingriffs kann es zu Infektionen, Blutungen und Verletzungen von Nerven kommen. Auch allergische Reaktionen auf die verwendeten Stoffe und Materialien können in manchen Fällen auftreten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei SIRS ist auf jeden Fall eine medizinische Behandlung notwendig. Im schlimmsten Fall kann der Betroffene aufgrund der Beschwerden des Syndroms auch versterben, sodass eine frühe Diagnose sehr wichtig ist. Meist ist die Lebenserwartung des Patienten durch SIRS deutlich verringert. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an einer deutlich zu tiefen oder deutlich zu hohen Körpertemperatur leidet. Dabei kann es zu einer sehr hochfrequenten Atmung oder Schnappatmung kommen.

Viele Betroffene leiden unter Fieber oder sogar an einem Bewusstseinsverlust. Treten diese Beschwerden auf, so ist sofort ein Arzt aufzusuchen. Auch eine verringerte Abwehrkraft des Immunsystems kann auf diese Erkrankung hindeuten und sollte immer durch einen Arzt untersucht werden. In erster Linie kann bei SIRS ein Allgemeinarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung findet dann meist durch einen Facharzt statt. Ob die Behandlung zu einem Erfolg führt, kann nicht immer vorausgesagt werden. In Notfällen sollte das Krankenhaus aufgesucht oder der Notarzt gerufen werden.

Behandlung & Therapie

Zur Therapie des SIRS muss zunächst eine Identifizierung des Entzündungsfokus erfolgen. Wenn der Fokus der inflammatorischen Reaktion detektiert wurde, erfolgt eine chirurgische Intervention, die der Sanierung des Fokus dient. Die Gabe von Antibiotika erfolgt initial und entspricht einer breiten Abdeckung nach Verdacht. Dieser Schritt lässt sich als kalkulierte Therapie bezeichnen. Ein Antibiogramm wird erstellt, um eventuelle Resistenzen aufzuklären.

Danach wird gegebenenfalls auf eine spezifizierte Antibiotikatherapie gewechselt. Die medikamentösen und chirurgischen Schritte werden durch eine Volumenzufuhr abgerundet, die einen ZVD über acht bis zwölf mmHg und einen arteriellen Mitteldrucks über 65 mmHg herstellt. Wenn die Volumengabe zur Werterreichung nicht genügt, wird so zeitig wie möglich eine Behandlung mit Vasopressoren oder positiv inotropen Substanzen wie Noradrenalin in Erwägung gezogen.

Die Therapie verfolgt eine zentralvenöse Sauerstoffsättigung von mehr als 70 Prozent, die im weiteren Therapieverlauf gehalten wird. Zusätzlich wird eine ideale Hb-Konzentration mit einem Hämatokrit über 24 bis 30 Prozent angestrebt. Dieser Wert lässt sich gegebenenfalls durch Erythrozytenkonzentratgabe erreichen. Die Beatmung mit einem tidalen Volumen von sechs Millilitern pro Kilogramm Körpergewicht dient der Lungenprotektion, wobei das Open-Lung-Konzept mit einem PEEP über dem Inflektionspunkt verfolgt wird.


Vorbeugung

Das SIRS ist eine relativ natürliche Reaktion. Schweren Verlaufsformen kann gegebenenfalls durch eine rasche Behandlung vorgebeugt werden. Vor allem die zeitige Ausräumung des Entzündungsfokus lässt sich als Vorbeugemaßnahme bezeichnen.

Nachsorge

Vom systemisch inflammatorischen Response Syndrom (abgekürzt als SIRS) ist der gesamte Organismus betroffen. Nicht behandelt kann sich aus dem Syndrom eine lebensbedrohliche Sepsis mit Organversagen entwickeln. Neben einer Behandlung der Grunderkrankung ist eine ärztliche Nachsorge notwendig. Ziel ist das Vermeiden von organischen Folgeschäden und einem septischen Schock. Für einen günstigen Krankheitsverlauf müssen Therapie und Nachsorge innerhalb eines Tages rechtzeitig erfolgen.

Der Betroffene erhält antibiotische und/oder antiinflammatorische Mittel. Mit Hilfe der Medikamente soll die Entzündung abklingen, zudem müssen die Vitalfunktionen genau überwacht werden. Nach der Notfallbehandlung soll der Patient außer Lebensgefahr sein. Die Betreuung soll ein Wiederkehren des SIRS verhindern. Die weitere Nachsorge hängt von der ursächlichen Erkrankung ab, sie wird noch in der Klinik eingeleitet.

Bei einer medikamentösen Therapie kontrolliert der Facharzt die Heilungsfortschritte. Die Nachsorge endet mit der Ausheilung. Im Fall einer operativen Behandlung ist sie mittel- bis langfristig angesetzt. Nach der Entlassung aus der Klinik muss der Patient in zeitlich festgelegten Abständen beim Hausarzt vorstellig werden. Dort wird der postoperative Zustand ermittelt. Die Nachsorge endet, wenn der Betroffene als stabil befunden wird.

Das können Sie selbst tun

Die Möglichkeiten der Selbsthilfe beschränken sich bei dieser Störung auf die Ergreifung von Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens und Stärkung des Immunsystems. Mit einer ausgewogenen und vitaminreichen Nahrungsmittelzufuhr kann der Organismus des Patienten unterstützt werden. Ausreichender Sauerstoff, die Vermeidung von Umgebungen mit Schadstoffen und eine tägliche Bewegung bei frischer Luft helfen dem Körper bei dem Aufbau von Abwehrkräften.

Zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden ist eine Lebensmittelzufuhr wichtig, die an die Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet ist. Alkohol, Nikotin, eine fetthaltige Nahrung oder eine zu große Aufnahme von Nahrungsmitteln sind zu vermeiden. Um Muskel- und Gliederschmerzen Einhalt zu gebieten, empfehlen sich regelmäßige ausgleichende Bewegungen, wärmende Bäder oder Massagen. Körperliche Überanstrengungen sind ebenso zu unterlassen wie die Einnahme einer einseitigen oder starren Körperhaltung. Bei ersten Beschwerden oder einem Unwohlsein sind Pausen einzulegen, damit der Organismus Zeit für die Regenerierung bekommt. Bei Kopfschmerzen empfiehlt es sich, Ruhe zu bewahren und Stressoren bestmöglich abzubauen.

Kognitive Trainings können im Alltag Anwendung finden, um emotionale Belastungen abzubauen und ein inneres Gleichgewicht zu fördern. Verschiedene Entspannungstechniken helfen ebenfalls bei einer Linderung vorhandener Beschwerden. Wenngleich keine Genesung eintritt, so können Methoden wie Yoga oder Meditation dem Patienten auf dem Gebiet der Selbsthilfe eine Verbesserung des Wohlbefindens verschaffen.

Quellen

  • Hahn, H., et al.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer, Berlin 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

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