Spinozerebelläre Ataxie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Neurologie stellt eines der facettenreichsten, faszinierendsten Fachgebiete der Medizin dar. Neben Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Morbus Alzheimer und dem allseits bekannten Schlaganfall, sind auch die Spinozerebelläre Ataxien von immenser Bedeutung. Diese stellen den Oberbegriff für unterschiedlichste Störungen derKoordination von Bewegungen dar. Der Verlust von Nervenzellen führt hierbei zu einem fehlerhaftenZusammenspiel der Muskulatur.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Spinozerebelläre Ataxie?

Die Ursache liegt in dem Zugrundegehen der Purkinje-Zellen (die größten Neurone des Kleinhirns), bedingt durch die autosomal dominante Vererbung pathologischer Gene.
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Spinozerebelläre Ataxien (englisch: spinocerebellar ataxias, kurz: SCA) bezeichnen eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS) des Menschen. Die Neurone (Nervenzellen) des Kleinhirns (Zerebellum) und des Rückenmarks (Medulla spinalis) gehen hierbei progredient zugrunde. Krankheiten aus diesem Formkreis sind äußerst selten, sie treten in den USA und Mitteleuropa mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von einer einzigen Neuerkrankung auf Einhunderttausend Einwohner auf.

Ursachen

Die Ursache liegt in dem Zugrundegehen der Purkinje-Zellen (die größten Neurone des Kleinhirns), bedingt durch die autosomal dominante Vererbung pathologischer Gene. Derzeit sind mehr als fünfundzwanzig verschiedene Genorte bekannt. Die Untergruppen der spinozerebellären Ataxie werden nach diesen auslösenden Genen definiert und als SCA Typ 1, Typ 2, Typ 3, beziehungsweise SCA1, SCA2, SCA3 et cetera bezeichnet.

Die Typen 1, 2, 6, 7 sowie 17 zählen zur Gruppe der Trinukleotiderkrankungen (wie zum Beispiel Chorea Huntington), da die Erkrankung durch eine Mutation in Form einer ungewöhnlich langen Triplettwiederholung (Triplett= Drei aufeinanderfolgende Nukleobasen einer Nukleinsäure) des Codons CAG (was der Aminosäure Glutamin entspricht) hervorgerufen wird. Die spinozerebelläre Ataxie Typ 3 (SCA3), auch als Machado-Joseph-Krankheit (MJD) bezeichnet, stellt mit einem Anteil von fünfunddreißig Prozent an den autosomal dominant vererbten zerebellären Ataxien die häufigste Form dieser Erkrankung innerhalb Deutschlands dar.

Symptome, Beschwerden und Anzeichen

Der Krankheitsbeginn liegt in den meisten Fällen zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr. Kardinalsymptom ist die Koordinationsstörung von Bewegungsabläufen (Ataxie). Patienten klagen über daraus resultierende Gang- und Standunsicherheit sowie das ungeschickte Greifen von Gegenständen.

Hinzu kommen eine Veränderung der Sprachmelodie (Dysarthrie) und eine Bewegungsstörung der Augen (Nystagmus). In Abhängigkeit von den Untergruppen der spinozerebellären Ataxie zeigen sich außerdem Symptome, die je nach Beteiligung anderer Gehirnregionen auftreten, beispielsweise Muskelkrämpfe, Spastik (pathologische Erhöhung des Muskeltonus).

Auch Gedächtnisstörung (Demenz), Gefühlsstörungen und Missempfindungen, Schluckstörungen, Inkontinenz, Verschlechterung des Sehvermögens, Verlangsamung von Bewegungsabläufen und unruhige Beine (Restless-Legs-Syndrom). Manche Patienten zeigen parkinsonähnliche Symptome, die auf Medikamente zur Behandlung des Morbus Parkinson gut ansprechen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnosestellung erfolgt aus der ausführlichen Anamnese, klinisch-neurologischen Untersuchungen sowie Zusatzbefunden (zum Beispiel Liquoruntersuchung, Magnetresonanztomografie und neurophysiologische Untersuchung), um andere mögliche Erkrankungen auszuschließen. Eine molekulargenetische Untersuchung ist zur Sicherung der Diagnose dringend notwendig.

Häufig ist es schwer, manchmal gar unmöglich, festzustellen, was für eine Art von Ataxie vorliegt, da sie sich nur geringfügig unterscheiden. Im Krankheitsverlauf nehmen die Symptome zu, bis die Erkrankung (in den meisten Fällen) zum Tod des Patienten führt.

Komplikationen

Abhängig davon, um welche Form der Erkrankung es sich handelt, können spinozerebelläre Ataxien verschiedene Komplikationen hervorrufen. Im Allgemeinen führen Ataxien zu Muskelkrämpfen, spastischen Zuckungen und Veränderungen der Sprachmelodie. Außerdem können Gedächtnisstörungen auftreten, die sich im weiteren Verlauf zu einer Demenz entwickeln können.

Die Verlangsamung von Bewegungsabläufen stellt für die Betroffenen häufig eine erhebliche Einschränkung im Alltag dar. In Verbindung mit anderen Komplikationen, wie der typischen Verschlechterung des Sehvermögens, ruft eine Ataxie dann mitunter auch seelische Leiden hervor. Unabhängig von der Krankheitsform, nehmen die Symptome im Krankheitsverlauf zu. In den meisten Fällen führen spinozerebelläre Ataxien zum Tod des Patienten. Die Behandlung einer neurologischen Störung birgt ebenfalls Risiken.

Eine medikamentöse Therapie ist für die Betroffenen immer mit gewissen Neben- und Wechselwirkungen verbunden. Selbiges gilt für die Ergotherapie und die Physiotherapie, die gelegentlich mit Verspannungen, Muskelkater und kleineren Verletzungen einhergehen. Operative Eingriffe sind bei spinzerebellären Ataxien selten, können aber zu Infektionen, Blutungen, Nachblutungen, Infektionen und Wundheilungsstörungen führen. Verläuft der Eingriff schlecht, kann es unter Umständen auch zu einer Verschlimmerung der ursprünglichen Störung kommen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In der Regel ist der Patient bei dieser Krankheit immer auf eine medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen. Dabei wirkt sich vor allem eine frühzeitige Diagnose mit einer frühzeitigen Behandlung sehr positiv auf den weiteren Verlauf aus. Nur dadurch können weitere Komplikationen verhindert werden, da es bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung kommen kann.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn es beim Betroffenen zu Beschwerden bei der Bewegung und bei der Koordination kommt. In der Regel können die Patienten nicht ohne Weiteres gerade gehen oder nach Sachen richtig greifen. Auch Krämpfe in den Muskeln oder eine Spastik können auf diese Krankheit hindeuten. Viele Betroffene leiden auch an Schluckbeschwerden oder sogar an einer Inkontinenz und an weiteren Missempfindungen.

Die Krankheit kann durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Bei der weiteren Behandlung ist jedoch meist der Besuch bei einem Facharzt notwendig. Es kann dabei leidet auch nicht universell vorausgesagt werden, ob es dabei zu einer vollständigen Heilung kommen kann.

Behandlung & Therapie

Bisher ist eine ursächliche Therapie der spinozerebellären Ataxien nicht bekannt. Im Vordergrund steht eine symptomatische Behandlung im Sinne der Funktionserhaltung, um die Lebensqualität der Patienten so lange wie möglich zu wahren. Hierzu gehören Medikamente, Ergotherapie und Physiotherapie sowie Logopädie.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ergab eine Pilotstudie, dass Kleinhirn-Ataxien auf den WirkstoffRiluzol ansprechen. Zwar wurde die Forschung zu spinozerebellären Ataxien innerhalb der letzten Jahre stark intensiviert, ist jedoch aktuell noch nicht so weit fortgeschritten, dass in näherer Zukunft mit einer kurativen Therapie zu rechnen ist.

Bei der Ergo- und Physiotherapie wird die Beweglichkeit der einzelnen Körperabschnitte erhalten, schwindende Muskulatur gekräftigt und die Synapsenbildung stimuliert. Die Aktivitäten des täglichen Lebens werden geübt, um die Selbstständigkeit der Patienten weitestgehend zu erhalten. In der Logopädie wird an bestehenden Sprachproblemen gearbeitet.


Vorbeugung

Da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, ist jegliche Prävention unmöglich.

Nachsorge

Der Sammelbegriff 'spinozerebelläre Ataxie' bezeichnet genetisch bedingte Krankheitsbilder, bei denen das Nervensystem betroffen ist. Gestörte motorische Abläufe bis hin zur Demenz im Spätstadium sind typische Erscheinungen. Im Gegensatz zu anderen Erberkrankungen treten die Beschwerden nicht ausschließlich im Kindesalter auf. Die Ataxie bricht durchschnittlich in einem Alter von 30 bis 40 Jahren aus, bei manchen Patienten früher oder erst ab dem 50. bis 60. Lebensjahr. Bis diesem Zeitpunkt war der Betroffene symptomfrei.

Nach dem derzeitigen Stand kann eine spinozerebelläre Ataxie nicht geheilt werden. Die Krankheit verläuft chronisch und nimmt in jedem Fall einen tödlichen Ausgang. Die Nachsorge liegt in der Symptomlinderung, dem Patienten soll ein weitgehend normales Lebens ermöglicht werden. Eine parallele, psychotherapeutische Begleitung ist für den Betroffenen sinnvoll, da die Erkrankung mit einer seelischen Belastung einhergehen kann.

Auch Angehörige haben die Möglichkeit, sich von einem Psychotherapeuten unterstützen zu lassen. Durch die Übungen soll die Beweglichkeit der Glieder erhalten bleiben. Ist das Sprachzentrum von den neurologischen Ausfällen betroffen, empfehlen sich logopädische Therapien. Die nachsorgenden Maßnahmen sind langfristig angesetzt, sie begleiten den Patienten vom Ausbruch bis zum späten Stadium der Krankheit. Eine Nachsorge ist nur dann sinnvoll, wenn sie über Jahre konsequent durchgeführt wird.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Spinocerebellären Ataxie steht die ärztliche und physiotherapeutische Behandlung im Vordergrund. Begleitend dazu können die Patienten einige Dinge tun, um den Alltag mit der Erkrankung leichter zu gestalten.

Die Koordinationsstörung schränkt die Betroffenen erheblich im Alltag ein. Deshalb besteht die wichtigste Maßnahme darin, die Einschränkungen zu kompensieren und den Erkrankten so gut wie möglich zu unterstützen. Meist ist der Umzug in eine behindertengerechte Wohnung vonnöten. Die zunehmenden Bewegungseinschränkungen bedürfen zudem einer Gehhilfe für den Patienten. Betroffene Personen benötigen Unterstützung im Alltag, da selbst einfache Tätigkeiten meist nicht mehr ohne fremde Hilfe ausgeführt werden können. Die Betroffenen sollten Fachliteratur zu der Spinocerebellären Ataxie lesen, um die Erkrankung besser verstehen und akzeptieren zu können.

Begleitend dazu empfehlen sich Gespräche mit anderen Betroffenen, etwa im Rahmen einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Parkinson. In den späteren Stadien der Erkrankung ist eine ambulante und schließlich eine stationäre Pflege notwendig. Im Endstadium der Erkrankung, wenn Bewegungen und Gespräche zunehmend schwieriger werden, kann auch eine umfassende therapeutische Betreuung für den Patienten und seine Angehörigen sinnvoll sein.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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