Swyer-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Swyer-Syndrom

Das Swyer-Syndrom ist eine Genmutation in der Embryonalphase. Die Betroffenen sind genetisch eigentlich Männer, die aber infantil weibliche Geschlechtsteile entwickeln. Nichtsdestotrotz leben Patienten des Swyer-Syndroms ein relativ normales Leben und werden meist über lebenslange Hormongaben behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Swyer-Syndrom?

Oft bleibt das Swyer-Syndrom bis in die Pubertät hinein unauffällig. In der Pubertät bleibt wegen der fehlenden Eierstöcke allerdings die Regelblutung aus. Die sekundäre Entwicklung der Geschlechtsteile findet ebenso wenig statt.
© saeid yaghoubi – stock.adobe.com

Das Swyer-Snydrom ist eine Form der Keimdrüsenfehlbildung, wie sie durch eine Mutation im Y-Chromosom hervorgerufen werden kann. Das Phänomen wird in der Fachsprache auch XY-Gonadendygenese genannt. Der englische Endokrinologe G. J. Swyer beschrieb die Mutation erstmals und gab dem Swyer-Syndrom damit den Namen. Auf die Chromosomensätze bezogen sind Betroffene dieses Syndroms Männer.

Fachsprachlich liegt im Hinblick auf den Chromosomensatz ein männlicher Karotyp 46-XY vor. Da beim Swyer-Syndrom aber kaum Hormonaktivitäten stattfinden, entwickeln sich weder Hoden, noch ein Penis. Die Betroffenen sind äußerlich scheinbar Frauen. Die entwickeln eine männliche Vagina, einen männlichen Uterus und männliche Labia. Diese Organe bleiben allerdings kindlich. Manchmal ist zusätzlich ein unterentwickelter Penis angelegt.

Oft sind männlich anmutende Züge auch überhaupt nicht gegeben. Das Ulrich-Turner-Syndrom und das Adrenogenitale Syndrom werden oft im selben Atemzug mit dem Swyer-Syndrom genannt, sind davon aber klar zu differenzieren.

Ursachen

Die Ursache des Swyer-Syndroms ist eine Genmutation während der Embryonalentwicklung. Die ersten Wochen der embryonalen Entwicklung verlaufen dabei in der Regel völlig normal. Erst etwa in der achten Woche verhindert ein Defekt oder gar eine Löschung des SRY-Gens die Weiterentwicklung des Embryos zum Mann. Das Swyer-Syndrom unterbricht die Embryonalentwicklung zum Mann insofern, als dass sich mit dem Defekt keine hormonaktiven Keimdrüsen ausbilden können.

Die weitere Entwicklung des Fötus verläuft daher nach dem Basisprogramm Frau. Es bilden sich weibliche Geschlechtsorgane, wobei statt der Eierstöcke lediglich Bindegewebsstränge entwickelt werden. Betroffene können den Gendefekt wegen der eigenen Zeugungsunfähigkeit nicht weitervererben. Ursächlich handelt es sich also je um eine Spontanmutation.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Oft bleibt das Swyer-Syndrom bis in die Pubertät hinein unauffällig. In der Pubertät bleibt wegen der fehlenden Eierstöcke allerdings die Regelblutung aus. Die sekundäre Entwicklung der Geschlechtsteile findet ebenso wenig statt. Das heißt, dass den Betroffenen zum Beispiel keine Brüste wachsen. Die ausbleibende Entwicklung in der Pubertät liegt an den fehlenden Hormonen. Oft haben Betroffene des Syndroms einen erhöhten Blutspiegel für das Follikel-stimulierende Hormon.

Das weibliche Östrogen wird allerdings nicht produziert. Bei eunuchoiden Körperproportionen kann Hochwuchs, aber auch Normalwuchs vorliegen. Da keine Hormone gebildet werden, steigt das Risiko für eine Osteoporose. Die Fachliteratur beschreibt außerdem ein hohes Entartungsrisiko für die unterentwickelt angelegten Gonaden, also Keimdrüsen. Manche Betroffene weisen bezüglich des Körperbaus eine typisch männliche Form mit schmalem Becken und breiten Schultern auf. Die gefühlte Identität ist in der Regel trotzdem weiblich.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des Swyer-Syndroms lässt sich oft schon anamnestisch und blickdiagnostisch stellen. Per Ultraschalluntersuchungen lässt sich unter Umständen der Nachweis fehlender Eierstöcke erbringen. Hormonelle Untersuchungen zeigen einen verringerten Hormonspiegel. Molekulargenetische Untersuchungen können entsprechende Genmutationen schließlich nachweisen und den ersten Verdacht auf das Swyer-Syndrom so zweifellos bestätigen.

Der Krankheitsverlauf für das Syndrom ist im Großen und Ganzen günstig. Die Betroffenen müssen nicht mit einer verkürzten Lebenserwartung rechnen und können in der Regel ein ganz normales Leben führen, sobald sie mit Hormonen behandelt werden. Theoretisch sind Menschen mit dem Swyer-Syndrom für Lebzeiten unfruchtbar, da sie keinen Eierstock besitzen. Im Rahmen moderner Reproduktionsmedizin ist eine Schwangerschaft allerdings trotzdem denkbar, wenn zum Beispiel eine befruchtete Spendereizelle in die Gebärmutter des Patienten gegeben wird.

Komplikationen

In den meisten Fällen wirkt sich das Swyer-Syndrom nicht besonders negativ auf die Gesundheit des Patienten aus, sodass es auch nicht zu einer verringerten oder eingeschränkten Lebenserwartung beim Patienten kommt. Die Betroffenen können trotz der Erkrankung ein gewöhnliches Leben führen.

Die Beschwerden sind dabei sehr unterschiedlich, sodass es zu einer Unterentwicklung oder zu einer Fehlentwicklung der Geschlechtsorgane kommen kann. Vor allem bei Jugendlichen kann es dadurch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen, wodurch die Lebensqualität erheblich eingeschränkt wird. Weiterhin leiden die Betroffenen häufig an einem Hochwuchs und an einem ungewöhnlichen Körperbau.

Dabei können sich auch zu sozialen Beschwerden und Schwierigkeiten kommen, sodass viele Betroffene an psychischen Beschwerden oder auch an Depressionen leiden. In der Regel muss das Swyer-Syndrom nicht behandelt werden. Allerdings können die Beschwerden mit Hilfe von Hormonen relativ gut behandelt und eingeschränkt werden. Auch die Entartung kann dabei bekämpft werden.

Dem Syndrom selbst kann nicht vorgebeugt werden. Weiterhin leiden in einigen Fällen auch die Angehörigen oder die Eltern der Betroffenen an psychischen Beschwerden oder ebenfalls an Depressionen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wurde innerhalb der Familie das Swyer-Syndrom diagnostiziert, sollte ein Kontrollbesuch bei einem Arzt initiiert werden. Die Erkrankung basiert auf einem Gendefekt, der während der embryonalen Phase entsteht. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser vererbt wird.

Kommt es bei Mädchen in der Zeit der Pubertät zu Auffälligkeiten, ist ein Frauenarzt zu konsultieren. Bleiben die Regelblutung oder das Wachstum der Brüste aus, gilt dies als ungewöhnlich und sollte ärztlich abgeklärt werden. Eine geringe Libido oder eine sexuelle Apathie deuten auf Störungen des Hormonsystems hin. Ein Arzt wird benötigt, damit durch eine Blutuntersuchung sowie bildgebende Verfahren die Auffälligkeiten diagnostiziert werden können. Zeigen Mädchen oder junge Frauen während der Wachstumsphase eine zunehmend männliche Statur, ist dies ein Hinweis auf eine bestehende Unregelmäßigkeit. Das Fehlen von typisch weiblichen Rundungen im Taillenbereich oder der Hüfte sollte mit einem Arzt besprochen werden.

Bei einem unerfüllten Kinderwunsch sollten grundsätzlich der Mann und die Frau auf ihre Zeugungsfähigkeit hin überprüft werden. Kann trotz aller Bemühungen über mehrere Monate keine Schwangerschaft festgestellt werden, ist ein Arztbesuch anzuraten. Entwickelt sich bei dem Kind ein Hochwuchs, ist dies ein Anzeichen einer bestehenden Erkrankung. Vorsorglich sollte ein Arzt konsultiert werden, damit eine Ursachenforschung eingeleitet wird.

Behandlung & Therapie

Die frühe Diagnose des Swyer-Syndroms erleichtert die Therapie bedeutend und wirkt sich auf das Leben der Betroffenen positiv aus. Je früher die Diagnostik, desto eher lässt sich die Entwicklung von sekundären Geschlechtsmerkmalen über die gezielte Gabe von Hormonen in Gang setzen. Die Betroffenen fallen so nicht wegen unterentwickelter Geschlechtsorgane auf, sind in der Pubertät weniger Spott ausgesetzt und können ein normales Leben führen. Positiv wirkt sich eine frühe Diagnose auch auf das Osteoporoserisiko der Patienten aus, denn durch die frühe Hormongabe wird dieses Risiko minimiert.

Normalerweise entscheiden sich die Betroffenen für die Versorgung mit weiblichen Hormonen. Theoretisch können aber auch Testosterone gegeben werden, sodass sich ein männliches Erscheinungsbild entwickelt. Da für die Genoden ein Risiko zur Entartung besteht, werden diese Körperbestandteile in der Regel kurz nach der Diagnose operativ entfernt. Die Hormontherapie findet wiederum ein ganzes Leben lang statt. Diese Hormongabe ist eine rein symptomatische und wenig ursächliche Therapieform.

Das heißt, das Swyer-Syndrom lässt sich bislang nicht heilen. In Zukunft wird durch den Austausch des defekten Gens vermutlich die vollständige Heilung der Patienten möglich sein. Dass es bislang keine ursächliche Therapie für den Gendefekt gibt, ist allerdings zu verschmerzen, da das Swyer-Syndrom zumindest nicht mit lebensbedrohlichen Symptomen und nach Meinung vieler Betroffener ebenso wenig mit starken Einschränkungen der Lebensqualität einher geht.


Vorbeugung

Dem Swyer-Syndrom lässt sich nicht vorbeugen, da es sich bei dem Phänomen um eine Genmutation mit bislang unzureichend geklärter Ursache handelt. Die Prävalenz der Erscheinung ist allerdings äußerst gering.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Möglichkeiten einer Nachsorge beim Swyer-Syndrom deutlich eingeschränkt und stehen dem Betroffenen oftmals gar nicht erst zur Verfügung. Daher sollte der Betroffene bei dieser Krankheit möglichst frühzeitig einen Arzt aufsuchen und eine Behandlung einleiten lassen, um das Auftreten von anderen Beschwerden und Komplikationen zu verhindern.

Eine Selbstheilung kann in der Regel nicht auftreten. Da es sich beim Swyer-Syndrom auch um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese vererbt werden, sodass bei einem Kinderwunsch in erster Linie eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden sollte, um ein erneutes Auftreten zu verhindern. Die meisten Betroffenen sind bei dieser Krankheit auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen, um die Beschwerden zu lindern.

Dabei sollte der Betroffene immer auf eine regelmäßige Einnahme und ebenso auf die richtige Dosierung der Medikamente achten, um die Beschwerden zu lindern und einzuschränken. Weiterhin sind in vielen Fällen auch Maßnahmen der Physiotherapie oder der Krankengymnastik notwendig. Dabei kann der Betroffene auch viele der Übungen im eigenen Zuhause durchführen, um das Auftreten von anderen Beschwerden zu verhindern und die Heilung zu beschleunigen.

Das können Sie selbst tun

Die Erkrankung stellt eine besondere Herausforderung für den Betroffenen dar. Da sich die Beschwerden auf den Intimbereich eines Menschen auswirken, ist durch sie ein besonders sensibles Thema im Alltag aktiviert. Anzuraten ist grundsätzlich die Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Unterstützung. Hilfreich ist ein offener Umgang mit der Erkrankung sowie den Unregelmäßigkeiten.

Insbesondere potentielle Geschlechtspartner sind im Vorfeld über die optischen Veränderungen zu informieren. Das Selbstbewusstsein des Erkrankten ist zu stärken. Die Persönlichkeit eines Menschen gestaltet sich nicht durch dessen Optik. Daher sollte bereits im Entwicklungsprozess des Kindes darauf hingewiesen werden, dass eine Fehlentwicklung der Geschlechtsorgane oder anderer körperlicher Bereiche keinesfalls etwas über die Wertigkeit des Menschen aussagen. Im Alltag ist insbesondere darauf zu achten, dass alles getan wird, um die Entwicklung einer psychischen Störung zu verhindern. Die Förderung der Lebensfreude und die Verbesserung der Lebensqualität sollten im Mittelpunkt stehen. Ein souveräner Umgang mit körperlichen Auffälligkeiten wie Hochwuchs oder Veränderungen des Körperbaus hilft, Hänseleien oder Missverständnisse zu reduzieren.

Zur Optimierung der Bewegungsabläufe können physiotherapeutische Übungen frühzeitig angewendet werden. Darüber hinaus sollten Entspannungsverfahren genutzt werden, um schnellstmöglich emotionale Stressoren abzubauen. Yoga und Meditation helfen dabei, eine innere Harmonie herzustellen. Kognitive Trainings sind ebenfalls anzuraten, um Gedankenkreisen oder Schlafstörungen aufgrund quälender Gedanken zu lindern.

Quellen

  • Haag, P., Harnhart, N., Müller, M. (Hrsg.): Gynäkologie und Urologie. Für Studium und Praxis 2014/15. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2014
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010

Das könnte Sie auch interessieren