Temperaturempfinden
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Temperaturempfinden (med. Thermorezeption) der Haut und der Schleimhäute wird über Thermorezeptoren gewährleistet. Diese Thermorezeptoren sind spezialisierte Nervenendigungen, die wahrgenommene Temperaturreize über chemische Prozesse auf Nervenfasern im Rückenmark projizieren, von wo aus die Reize in den Hypothalamus gelangen.
Der Hypothalamus ist das Zentrum der Temperaturregulation im Gehirn, wo thermosensible Nervenzellen die peripheren Temperaturinformationen der Thermorezeptoren aufnehmen und in die zentralen Informationen zur vorherrschenden Körpertemperatur integrieren, um schützende Anpassungen wie das Kältezittern oder das Schwitzen in die Wege zu leiten.
Das Temperaturempfinden kann in Folge von verschiedenen neurologischen Erkrankungen gestört sein, so insbesondere bei Multipler Sklerose, bei Polyneuropathien, Schlaganfällen, Borreliose und Demenz.
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Was ist das Temperaturempfinden?
Das Temperaturempfinden des Menschen ist auch als Thermozeption bekannt und bezieht sich auf die wahrgenommene Umgebungstemperatur. Freie Nervenenden, sogenannte Rezeptoren, geben der Dermis und Epidermis der Haut sowie den Schleimhäuten der Eingeweide eine spezifische Oberflächensensibilität gegenüber äußerer Reize. Zu diesen äußeren Reizen zählen Berührungsreize, Schmerzreize und Temperaturreize.
Unter der epikritischen Sensibilität der Haut versteht die Medizin die Berührungssensibilität durch Mechanorezeptoren. Zusammen mit den Schmerzrezeptoren sind die Thermorezeptoren dagegen für die potopathische Sensibilität zuständig.
Thermische und schmerzbedingte Reize werden von den Rezeptoren des potopathischen Systems aufgenommen und auf Fasern des zentralen Nervensystems übertragen. Diese Nervenfasern oder Strangzellen liegen in der kontralaterale Seite des Rückenmark Hinterhorns, die sich über den Tractus spinothalamicus anterior et lateralis bis in die Vorderseitenstrangbahn hinein zieht. Vom Rückenmark aus werden die wahrgenommen Temperaturen schließlich in den Hypothalamus weitergeleitet.
Die gefühlte Temperatur unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und gleicht niemals der tatsächlichen Umgebungstemperatur. Damit sind gefühlte Temperaturen immer subjektive Wahrnehmungen, die insbesondere mit der kulturellen Herkunft sowie dem physiologischen und psychischen Gesamtzustand des Menschen zusammenhängen.
Funktion & Aufgabe
Die Kaltrezeptoren zeigen eine Reaktion auf Temperaturbereiche von 20 bis 32 Grad Celsius, das heißt auf Temperaturen unterhalb der Körpertemperatur. Auf absteigende Temperaturen reagieren sie mit einer Steigerung der Entladungsfrequenz. Warmrezeptoren sind dagegen für den Bereich zwischen 32 und 42 Grad Celsius zuständig und nehmen Temperaturveränderungen innerhalb dieser Spanne wahr.
Die Nervenendigungen erzeugen abhängig von der einwirkenden Temperatur bestimmte Aktionspotenziale. Durch chemische Reaktionen werden diese Aktionspotenziale über die Synapsen an die Nervenfasern des Rückenmarks weitergegeben, von wo aus sie über neuronale Umschaltstellen an die thermosensitiven Nervenzellen des Gehirns weitergeleitet werden.
Dort liegt im Hypothalamus das Zentrum der menschlichen Thermoregulation. Die Körpertemperatur wird über dieses Zentrum an die Außentemperatur angepasst. Die Thermoinforamtionen der Peripherie vergleicht das thermoregulierende Zentrum des Gehirns dazu mit den zentralen Temperaturinformationen des Körpers.
Auf Basis dieses Vergleichs gibt das Gehirn eine thermoregulierende Antwort und leitet bei heißen Temperaturen so zum Beispiel Wärmeverluste durch periphere Gefäßerweiterungen oder Schwitzen ein. Die Antwort auf die übertragenen Temperaturreize kann bei wahrgenommener Kälte andererseits auch einer Wärmeproduktion oder Wärmeeinsparung entsprechen, so beispielsweise in Form von Hautkälte, gesteigerten Stoffwechselaktivitäten oder Kältezittern.
Durch die jeweilige Antwort auf das Temperaturempfinden verhindert der Körper Überhitzungen und Auskühlungen. Das Wohlbefinden des Menschen ist dabei eng mit der Aktivität der Thermoregulation vernetzt, die selbst wiederum eng mit dem Blutkreislauf zusammenhängt. Sowohl Wärmebelastung als auch Kältestress belasten den Blutkreislauf, da in beiden Fällen über Änderungen der Durchblutung eine Anpassung der Körpertemperatur stattfinden muss.
Krankheiten & Beschwerden
Sensibilitätsstörungen der Haut können allerdings auch symptomatisch für die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose sein, bei der permanent immunologisch bedingte Entzündungen im zentralen Nervensystem vorliegen. Eine Entzündung der Rückenmarksareale zur Weiterleitung der Thermoinformationen kann in diesem Fall ebenso für ein gestörtes Temperaturempfinden verantwortlich sein, wie eine Entzündung des Thermozentrums im Hypothalamus. Allerdings wird das gestörte Temperaturempfinden bei Multipler Sklerose in der Regel von allgemeinen Sensibilitätsstörungen wie beispielsweise einem anhaltenden Taubheitsgefühl begleitet.
Abgesehen davon kann auch Diabetes mit einem gestörten Temperaturempfinden einhergehen, so insbesondere im Bereich der Füße. Diabetesbedingte Sensibilitätsstörungen werden oft von einem Verlust der Muskeleigenreflexe begleitet und beschränken sich in der Regel auf einen sockenförmigen Bereich des Fußes.
Lang ist die Liste der Krankheiten, die mit fälschlichem Temperaturempfinden zusammenhängen können. Neben den genannten kann so zum Beispiel auch eine Borreliose, eine Vorfall am Ischiasnerv, eine Demenz, ein Schlaganfall oder eine Migräne die Sensibilitätsstörung auslösen.
Andererseits muss gestörtes Temperaturempfinden nicht in allen Fällen eine körperliche oder krankhafte Ursache haben. So kann zum Beispiel auch Erschöpfung das Temperaturempfinden verwirren. Dasselbe gilt für psychischen Stress und psychische Erkrankungen.
Besorgniserregend sind Störungen des Temperaturempfindens in der Regel eher, wenn sie auf einen abgrenzbaren Hautbereich beschränkt sind und nicht den gesamten Körper betreffen. Bei einer genau abgrenzbaren Lokalisierung hängt die gestörte Sensibilität meist nicht mit Erschöpfung oder psychischem Stress, sondern tatsächlich mit einer Erkrankung zusammen.
Quellen
- Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012