Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als tricho-rhino-phalangeale Dysplasien werden drei mutationsbedingte Fehlbildungssyndrome zusammengefasst. Die ursächlichen Mutationen betreffen das TRPS1-Gen auf dem langen Arm von Chromosom 8. Die Behandlung erfolgt symptomatisch und beginnt idealerweise in Form einer Frühförderung noch im ersten Lebensjahr.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine tricho-rhino-phalangeale Dysplasie?

Die Ursache der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie ist eine Genmutation oder eine chromosomale Deletion. Der lange Arm von Chromosom 8 wurde als Lokalisation der Genmutation identifiziert.
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Dysplasien sind Missbildungen von Körperteilen, Organen oder Geweben. Zahlreiche Krankheitsbilder gehen mit Dysplasien einher. Das gilt vor allem für angeborene Fehlbildungssyndrome. Zu den Fehlbildungssyndromen wird die tricho-rhino-phalangeale Dysplasie gerechnet. Das Syndrom ist durch eine Kombination von fazialen Dysmorphien und Zapfenepiphysen gekennzeichnet.

Die tricho-rhino-phalangeale Dysplasie lässt sich in drei unterschiedliche Typen aufgliedern:

  • Die Erstbeschreibung des Typ I wurde vom deutschen Hautarzt Klingmüller Mitte des 20. Jahrhunderts vorgenommen.
  • Typ II ist als Langer-Giedion-Syndrom bekannt. Giedion klassifizierte die Erkrankung im 20. Jahrhundert als Wachstums- und Entwicklungsstörung.
  • Typ III wird Alè-Calò-Syndrom genannt und geht auf die italienischen Erstbeschreiber G. Alè und S. Calò zurück.

Die exakte Prävalenz der angeborenen Erkrankung ist bislang unbekannt. Es handelt sich Schätzungen zufolge um eine seltene Erkrankung mit familiären Häufungen. Die Vererbung erfolgt vermutlich im autosomal-dominanten Erbgang. Auch spontane Neumutationen wurden im Rahmen der Erkrankung aber beobachtet. Die genaue Ursache und das klinische Bild hängen im Einzelfall vom Typen der Erkrankung ab.

Ursachen

Die Ursache der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie ist eine Genmutation oder eine chromosomale Deletion. Der lange Arm von Chromosom 8 wurde als Lokalisation der Genmutation identifiziert. Auf dem Genlokus 8p24.1 dieses Chromosoms liegt das verantwortliche TRPS1-Gen. Typ I der Dysplasie tritt mit einem teilweisen oder vollständigen Verlust einer TRPS11-Genkopie auf. Ebenso denkbar ist eine ursächliche Chromsomenanomalie, die das Gen durch Translokation oder Inversion zerstört.

Die häufigste Ursache stellt eine Punktmutation des Gens dar. Beim zweiten Typen der Dysplasie liegt eine Deletion vor. Den Betroffenen fehlt so ein mehr oder weniger großer Teil des EXT1- und des TRPS1-Gens. Oft gehen zusätzlich noch weitere Gene verloren. Der Typ II wird daher als Gengruppen-Syndrom bezeichnet. Dem dritten Typen der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie geht immer eine Missense-Mutation im Exon sechs des TRPS1-Gens voraus.

Für die Deletionen gilt spontane Neumutation als ausschließliche Primärursache. Die beiden anderen Formen der Dysplasie können autosomal-dominant vererbt werden. Bei der Vererbung liegt vollständige Penetranz vor. Jede Veränderung in den betreffenden Genen führt zu einer Erkrankung.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Für alle Typen der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie gelten an den Mittelphalangen Zapfenepiphysen als kennzeichnend. Diese Erscheinung ist bei allen Unterformen der Krankheit mit einer birnenförmigen Deformierung der Nase, Muskelschwäche und einem hohen Philtrum vergesellschaftet. Außerdem kann dünnes und spärliches Haar mit oft vorzeitiger Alopezie einen charakteristischen Hinweis auf die Krankheitsgruppe geben. Die weiteren Symptome unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Typen.

Bei Typ I liegt zusätzlich oft Minderwuchs mit einer ausgeprägten Verkürzung der Phalangen oder Metatarsal- und Metacarpalknochen vor. Das Bild wird bei dieser Unterform der Erkrankung von Hüftkopfveränderungen abgerundet. Typ II der Krankheit ist von verminderter Intelligenz geprägt.

In den ersten Lebensjahren treten bei dieser Unterform oft Exostosen an den langen Knochenenden auf, die mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen einhergehen. Der Typ III ist die ausgeprägteste Variante der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie und ähnelt in seinen Grundzügen dem Typ I. Der ist bei dieser Variante aber stärker ausgeprägt. Zusätzlich liegt eine schwere Brachydaktylie vor.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Verdachtsdiagnose einer tricho-rhino-phalangealen Dysplasie kann blickdiagnostisch gestellt werden. Zur Sicherung der Diagnose findet Röntgenbildgebung statt. Charakteristischerweise zeigen sich im Röntgenbild Zapfenepiphysen mit extrem verkürzten, möglicherweise gelben Mittelhandknochen. Eine molekulargenetische Diagnostik kann endgültigen Aufschluss geben.

Wegen der Vielzahl an möglichen, aber relativ unspezifischen Symptomen stellt sich die Diagnose einer tricho-rhino-phalangealen Dysplasie im Einzelfall oft als Herausforderung heraus. Eine möglichst frühe Diagnose wirkt sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Die Behandlung sollte für einen günstigen Verlauf so früh wie möglich erfolgen.

Komplikationen

Die Beschwerden bei dieser Erkrankung können sehr unterschiedlich ausfallen. Aus diesem Grund hängt der weitere Verlauf der Erkrankung auch sehr stark von der genauen Ausprägung der Symptome ab. Die Patienten leiden dabei in erster Linie an einer stark ausgeprägten Muskelschwäche. Auch eine Deformation an der Nase kann dabei auftreten und sich negativ auf die Ästhetik des Patienten auswirken.

Vor allem bei Kindern oder jungen Menschen im Allgemeinen werden die Betroffenen nicht selten gemobbt oder gehänselt. Dadurch kommt es auch zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen. Weiterhin tritt ein Minderwuchs ein, der sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten auswirkt.

In einigen Fällen führt die Krankheit zu einer verringerten Intelligenz, sodass die betroffenen Menschen in ihrem Leben auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind. Auch die Eltern oder die Angehörigen leiden dadurch häufig an psychischen Beschwerden oder auch an Depressionen. Da keine ursächliche Behandlung dieser Krankheit möglich ist, können nur die einzelnen Symptome behandelt werden.

Dabei kommt es nicht zu weiteren Komplikationen. Allerdings wird eine vollständige Heilung nicht erreicht. Mit Hilfe verschiedener Therapien können die einzelnen Beschwerden gelindert werden. Die Lebenserwartung des Patienten ist von der Erkrankung in der Regel nicht eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung kommen kann und sich die Beschwerden durch die Krankheit weiterhin stark verschlechtern können, sollte der Betroffene schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen einen Arzt aufsuchen. Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist in der Regel der weitere Verlauf. Ein Arzt ist dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene an verschiedenen Fehlbildungen am Körper leidet. Dabei weist vor allem eine deformierte Nase auf die Krankheit hin. In einigen Fällen kommt es durch die Krankheit auch zu einer starken Muskelschwäche und weiterhin auch zu sehr dünnen und rissigen Haaren.

Auch eine verringerte Intelligenz oder ein Minderwuchs kann auf diese Krankheit hindeuten, sodass ein Arzt aufgesucht werden sollte. Nicht selten leiden die Betroffenen durch die Fehlbildungen auch an starken Schmerzen oder an Einschränkungen in der Bewegung. In der Regel kann die Krankheit durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Kinderarzt erkannt werden. Die Behandlung richtet sich dann nach der Schwere und der Ausprägung der Beschwerden und wird meist durch einen Facharzt durchgeführt.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Therapie existiert für Patienten der tricho-rhino-phalangealen Dysplasie nicht. Die Behandlung erfolgt symptomatisch und richtet sich nach den Symptomen im Einzelfall. Die Zapfenepiphysen lassen sich zum Beispiel durch chirurgische Intervention behandeln. Resektionsarthrodesen mit Zuggurtungsosteosynthesen bieten eine Interventionsmöglichkeit. Auf diese Weise werden die Schmerzen der Patienten reduziert.

In einer supportiven Therapie wird außerdem Sprachproblemen, Entwicklungsproblemen, Muskelschwächen und kognitiven Einschränkungen begegnet. Zur Behandlung der Sprachprobleme stehen Sprachtherapien zur Verfügung. Lernspiele fördern die kognitive Entwicklung der Patienten und Physiotherapie kann zur Muskelstärkung zum Einsatz kommen. Idealerweise finden die supportiven Maßnahmen bereits im ersten Lebensjahr in Form einer Frühförderung Einsatz.

Medikamentöse Therapien zur Vorbeugung von Infektionen sind denkbar. So zum Beispiel die Gabe von infektionshemmendem pädiatrischem Septrin. Auf Seiten der diätischen Therapie kann überkalorische Nahrungsergänzung zum Einsatz kommen. Um insbesondere die Eltern beim Umgang mit der Erkrankung zu unterstützen, bieten sich psychotherapeutische Maßnahmen, Aufklärungsgespräche und Selbsthilfegruppen an. Aktuell stellt die Gentherapie einen wichtigen Fokus in der medizinischen Forschung dar. Tricho-rhino-phalangeale Dysplasien werden so in Zukunft möglicherweise ursächlich durch Gentherapie behandelbar sein.


Vorbeugung

Tricho-rhino-phalangeale Dysplasien werden durch Mutationen verursacht. Welche Zusammenhänge zu den Mutationen führen, ist bislang nicht bekannt. Aus diesem Grund lässt sich dem Krankheitsbild nur schwer vorbeugen. Ein Betroffener gibt die Erkrankung mit einem Risiko von bis zu 50 Prozent an die eigenen Kinder weiter. Dieser Zusammenhang lässt sich bei der Familienplanung bedenken.

Nachsorge

An die Therapie einer Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie sollte immer eine intensive Nachsorgebehandlung anschließen. Entscheidend sind hierbei die nach der Therapie verbleibenden Symptome und Beschwerden. Betroffene sollten lebenslang auf eine Schonung von Knochen und Gelenken achten. Bestehen anhaltende Schmerzen oder entstehen durch bleibende Deformierungen der Knochen im Laufe des Lebens chronische Schmerzen, müssen diese gesondert therapiert werden.

Zusätzlich sollten sämtliche Vorsorgeuntersuchungen, die für Erwachsene ab bestimmten Altersgruppen empfohlen werden, bei Personen mit einer Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie bereits frühzeitig durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere für Untersuchungen von Skelett und Muskulatur und des Hals-Nasen-Ohrenärztlichen Bereichs.

Ein Minderwuchs sollte zusätzlich vom Kinderarzt mit Wachstumshormonen behandelt werden. Eltern eines mit einer Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie geborenen Kindes sollten bei weiteren Schwangerschaften eine Pränataldiagnostik in Betracht ziehen. Die Wahrscheinlichkeit für ein weiteres Kind mit einer Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie in diesen Fällen sehr groß ist und die Pränataldiagnostik hierüber Gewissheit bringen kann.

Mit der Erkrankung können trotz einer erfolgreichen medizinischen Behandlung im Laufe des Lebens soziale und persönliche Probleme einhergehen, die die Psyche sehr stark belasten. Darum sollte die Familie von betroffenen Personen diesen größtmögliche emotionale Stabilität bieten. Kommt es dennoch zu psychischen Erkrankungen, müssen diese gesondert psychotherapeutisch und psychiatrisch behandelt werden.

Das können Sie selbst tun

Bei der Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie ist eine ärztliche Behandlung notwendig. Die Therapie der verschiedenen Fehlbildungen und körperlichen Beschwerden kann von den Erkrankten durch eine geeignete Selbsthilfe unterstützt werden.

Äußerliche Auffälligkeiten wie die spärlichen Haare oder die auffälligen Ohren, Lippen oder Zähne können teilweise kosmetisch behandelt werden. Beispielsweise lässt sich die fahle Haut mittels Kosmetik verbergen. Die typischen Gelenkprobleme bedürfen einer umfassenden Krankengymnastik. Diese kann von den Patienten zu Hause durch geeignete Übungen unterstützt werden. Zur Vermeidung von Atemwegsinfekten muss sorgfältig auf gute hygienische Zustände geachtet werden. Zudem gilt es, weitere Risikofaktoren wie Kälte oder den Kontakt mit kranken Personen zu vermeiden. Liegt ein Herzfehler vor, muss unter Umständen ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Der Patient muss sich streng an die Sicherheitsvorgaben halten und bei Auffälligkeiten den Arzt informieren.

Viele Fehlstellungen werden operativ behandelt. Nach den Eingriffen sind Schonung und Bettruhe wichtig. Aufgrund des körperlich schlechten Zustands der meisten Betroffenen sollte immer ein Angehöriger oder eine professionelle Pflegekraft in der Nähe sein, welche bei Komplikationen den Notarzt kontaktieren kann. Welche Maßnahmen bei der Tricho-rhino-phalangealen Dysplasie im Detail notwendig sind, orientiert sich am individuellen Symptombild der komplexen Erkrankung. Hilfe finden Betroffene zudem bei Selbsthilfegruppen und dem ärztlichen Notdienst.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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