Urämischer Pruritus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einem urämischen Pruritus handelt es sich um einen chronischen Juckreiz bei Dialysepatienten. Der genaue Entstehungsmechanismus ist noch nicht bekannt. Eine kurative Therapie ist nur durch eine Nierentransplantation möglich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein urämischer Pruritus?

Der urämische Pruritus ist keine eigenständige Erkrankung, sondern tritt nur im Rahmen einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz der Stadien 4 und 5 auf. Niereninsuffizienzen in den Stadien 1 bis 3 sind noch weitgehend symptomfrei.
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Bei Dialysepatienten tritt sehr häufig ein chronischer Juckreiz auf, welcher auch als urämischer Pruritus bezeichnet wird. Der lateinische Begriff lautet Pruritus uraemicus. Es wird vermutet, dass ungefähr 50 bis 90 Prozent aller Dialysepatienten von einem Pruritus uraemicus betroffen sind. Dabei handelt es sich um keine eigenständige Erkrankung, sondern um ein Symptom.

Der Juckreiz ist schwer zu bekämpfen und führt zu Schlafstörungen und psychischen Beeinträchtigungen. Es wurde beobachtet, dass prozentual Hämodialysepatienten häufiger an Juckreiz leiden als Peritonealdialysepatienten. Trotzdem können beide Verfahren zu einem urämischen Pruritus führen. Die Hämodialyse findet außerhalb des Körpers statt.

Dabei wird das Blut aus dem Körper geleitet, über Membranen gereinigt und dann dem Körper wieder zugeführt. Die Peritonealdialyse läuft innerhalb des Körpers ab. Als Filtermembran fungiert hier das Bauchfell (Peritoneum). Bei diesem Verfahren wird eine Dialyselösung in den Bauchraum gefüllt, die mehrere Stunden dort verbleibt und über die biologische Membran (Bauchfell) harnpflichtige Substanzen aus dem Blut aufnimmt.

Nach einigen Stunden wird diese verbrauchte Lösung gegen frische Dialyselösung ausgetauscht. Dialysepatienten leiden neben dem urämischen Pruritus zu fast 100 Prozent noch an verschiedenen Hautkrankheiten. Auch diese Hauterkrankungen können zu quälendem Juckreiz führen. Allerdings ist der urämische Pruritus von anderen Formen des Juckreizes abzugrenzen. Es wurde festgestellt, dass diese besondere Form des Pruritus nur bei dialysepflichtigen Patienten auftritt.

Ursachen

Der Entstehungsmechanismus des urämischen Pruritus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Es gibt einige Erklärungsversuche, die aber bisher noch nicht verifiziert werden konnten. Bei Nierenversagen trocknet die Haut häufig aus. Viele Patienten leiden auch an einer Anämie. Der Serumspiegel von Magnesium und Aluminium ist oft erhöht. Das Parathormon kann ebenfalls erhöht sein. Alle diese Faktoren rufen einen Juckreiz hervor.

Schließlich kann der Juckreiz auch durch Begleitkrankheiten der Niereninsuffizienz ausgelöst werden. Zu diesen Erkrankungen zählt Diabetes mellitus, Schilddrüsenunterfunktion oder Hepatitis. In manchen Fällen können auch Arzneimittelunverträglichkeiten verantwortlich sein. Diskutiert wird auch eine verstärkte Freisetzung von Histamin als Ursache des Juckreizes. So ist bekannt, dass bei Niereninsuffizienz die Konzentration der Mastzellen in der Haut erhöht ist.

Mastzellen besitzen eine Funktion für das Immunsystem, indem sie Histamin freisetzen. So reizt Histamin die Nervenendigungen und ruft damit die Wahrnehmung von Juckreiz hervor. Des Weiteren ist bei einem chronischen Nierenversagen auch die Substanz P erhöht. Diese regt die Opioidrezeptoren an, was auch als Juckreiz empfunden werden kann. Beobachtet wird jedoch, dass sich dieser quälende Pruritus meist während oder nach der Dialyse entwickelt. Allerdings kann er auch zwischen den Dialysen auftreten.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der urämische Pruritus ist keine eigenständige Erkrankung, sondern tritt nur im Rahmen einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz der Stadien 4 und 5 auf. Niereninsuffizienzen in den Stadien 1 bis 3 sind noch weitgehend symptomfrei. Neben quälendem hartnäckigen Juckreiz leiden die Patienten noch an den anderen typischen Symptomen einer Niereninsuffizienz der Stadien 4 und 5.

Dazu zählen Schmerzen in der Nierengegend, Braunfärbung des Urins, Nierensteine oder gar Nierenbeckenentzündungen. Weiterhin treten Übelkeit, Erbrechen, verminderte geistige Leistungsfähigkeit, Appetitlosigkeit, Wassereinlagerungen, Atemnot und vor allem Hautveränderungen auf. Die Hautveränderungen erscheinen in Form von Kratzspuren, offenen Wunden oder Narben und sind die Folge des Kratzens bei dem quälenden Juckreiz.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Juckreiz kann als urämischer Pruritus diagnostiziert werden, wenn er während, nach oder auch zwischen Dialysebehandlungen auftritt. Dabei dauert er in der Regel nur einige Minuten an und tritt regelmäßig auf. Die Diagnose "urämischer Pruritus" kann bereits bei dreimaligem Auftreten innerhalb von zwei Wochen gestellt werden. Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich Kratzspuren.

Komplikationen

Ein urämischer Pruritus ist für die Betroffenen in erster Linie mit einem starken Unwohlsein verbunden. Die möglichen Komplikationen gleichen denen einer Niereninsuffizienz der Stadien vier und fünf. So kann es zur Entstehung von Nierensteinen oder sogar zu einer Nierenbeckenentzündung kommen. Des Weiteren treten starke Magen-Darm-Beschwerden, Wassereinlagerungen und Atemnot auf.

Im fortgeschrittenen Stadium leiden die Betroffenen außerdem an auffälligen Hautveränderungen, bedingt durch das ständige Kratzen infolge des quälenden Juckreizes. Typisch sind offene Wunden, Kratzspuren und später auch Narben. Je nachdem, wie die Grunderkrankung verläuft, kann ein urämischer Pruritus weitere Komplikationen hervorrufen oder für den Betroffenen ohne Beschwerden verlaufen.

Bei der Behandlung treten in aller Regel keine größeren Probleme auf. Allerdings kann es durch die harnstoffhaltigen Cremes zu Hautreizungen und gelegentlich auch zu einer Verstärkung des Juckreizes kommen. Eine Strahlenbehandlung birgt das Risiko von Knochenerkrankungen und Veränderungen der Gewebestrukturen, aus denen sich in seltenen Fällen Krebs entwickeln kann.

Schmerzmittel und Entzündungshemmer rufen bei einigen Patienten Neben- und Wechselwirkungen hervor, zum Beispiel Magenschmerzen oder Empfindungsstörungen. Bei Allergikern besteht das Risiko eines anaphylaktischen Schocks.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit muss auf jeden Fall eine ärztliche Behandlung stattfinden. Es handelt sich dabei um eine sehr unangenehme Komplikation der Dialyse, welche in vielen Fällen eingeschränkt werden können. Der Betroffene sollte daher schon bei den ersten Anzeichen und Beschwerden der Krankheit einen Arzt aufsuchen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden oder zu anderen Komplikationen kommt. Eine frühzeitige Diagnose wirkt sich positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Ein Arzt ist dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene im Rahmen einer Dialyse an einem sehr starken Juckreiz leidet.

Ebenso kann auch eine Atemnot oder eine starke Appetitlosigkeit auf diese Krankheit hindeuten. Die Betroffenen leiden nicht selten auch an Erbrechen oder an einer starken Übelkeit. Sollten diese Symptome über einen längeren Zeitraum auftreten und nicht von alleine wieder verschwinden, so muss ein Arzt kontaktiert werden. Bei dieser Erkrankung sollte der Arzt kontaktiert werden, welcher für die Dialyse verantwortlich ist. Allerdings kann eine vollständige Heilung nur durch die Transplantation einer Niere erfolgen.

Behandlung & Therapie

Eine kurative Behandlung des urämischen Pruritus ist nur durch eine Nierentransplantation möglich. Bei dialysepflichtigem Nierenversagen gibt es keine anderen Heilungsmöglichkeiten. Allerdings existieren einige symptomatische Behandlungsoptionen, die eine Linderung des Juckreizes versprechen. So werden topische, physikalische, operative und systemische Behandlungen angeboten.

Bei der topischen Therapie kommen harnstoffhaltige Cremes zum Einsatz, um die Feuchthaltung der Haut zu gewährleisten. Des Weiteren müssen milde Seifen angewendet werden. Die physikalische Therapie wiederum stellt eine Fototherapie mit UV-B-Strahlung dar. Dabei lindert Bestrahlung den quälenden Juckreiz. Der Wirkmechanismus der Bestrahlung ist jedoch noch nicht aufgeklärt.

Wenn der urämische Pruritus durch eine Nebenschilddrüsenüberfunktion hervorgerufen wird, verspricht die chirurgische Entfernung der Nebenschilddrüsenkörperchen Besserung. Schließlich können systemische Behandlungen mit verschiedenen Arzneimitteln durchgeführt werden. Die Erfolgsaussichten sind aber unterschiedlich.

Vielfach sind die Behandlungsergebnisse auch nicht zufriedenstellend. Eine gewisse Wirksamkeit entfaltet Gamma-Linolensäure, da sie die Bildung von Lymphozyten und die Synthese von Lymphokinen hemmt. Dadurch werden Entzündungsreaktionen verhindert.


Vorbeugung

Da der urämische Pruritus die Folge eines akuten oder chronischen Nierenversagens ist, muss zu dessen Vorbeugung das Augenmerk auf die Verhinderung von Nierenerkrankungen gelegt werden. Nierenschäden können unter anderem durch Bluthochdruck oder Diabetes entstehen.

Daher gehört zur Prophylaxe von Nierenversagen und urämischem Pruritus eine strenge Gewichtskontrolle, Reduzierung von Übergewicht, viel Bewegung, Einschränkung des Kochsalzkonsums, ausgewogene Ernährung sowie der Verzicht auf Rauchen und Alkohol. Die Ernährung sollte kalorien- und fettarm sein. Gleichzeitig wird der Verzehr von viel Obst und Gemüse empfohlen.

Nachsorge

Bei einem Urämischen Pruritus steht im Fokus der Nachsorgeuntersuchungen und Nachsorgebehandlungen generell die symptomatische Behandlung des Juckreizes. Dabei kann sich die Nachsorge nur darauf beschränken, den Juckreiz zu lindern oder zu unterdrücken. Ärztlich ist der Urämische Pruritus selbst nicht ausheilbar. Ein entsprechendes therapeutisches Behandlungskonzept fehlt.

Denn regelgerecht ist der Urämische Pruritus nur ein Symptom einer Nierenfunktionsstörung (zum Beispiel Niereninsuffizienz). Der Juckreiz verschwindet erst schlagartig mit dem Ausheilen der Grunderkrankung. Nur eine Nierentransplantation kann hier helfen. Bis dahin ist der Urämische Pruritus nur mittels einer Kombination mehrerer Arzneistoffe effektiv behandelbar. Aufgabe der Nachsorge ist es, die klinisch begonnene Medikation beim Betroffenen fortzuführen und diese symptombezogen der Erkrankung anzupassen.

Dafür ist der Betroffene regelmäßig ambulant vorzustellen. Zusätzlich muss der Betroffene bei der Nachsorge erlernen, seine Lebensumstände der Erkrankung anzupassen. Der Juckreiz kann auch durch zahlreiche Selbsthilfemaßnahmen gelindert werden. Es gilt, zuerst im Alltag des Betroffenen die Triggerfaktoren (Auslöser des Juckreizes) auszuschalten.

So sollte leichte Kleidung (vorzugsweise aus Baumwolle) getragen werden. Sowohl beim Baden als auch beim Duschen sollte die Wassertemperatur 35 Grad Celsius nicht überschreiten. Um ein Austrocknen der Haut zu verhindern, ist in Räumen das Aufstellen von Luftbefeuchtern empfehlenswert. Zudem sollte die Körperpflege nicht übertrieben werden (das heißt, nicht zu heiß, nicht zu oft und nicht zu lange).

Das können Sie selbst tun

Der urämische Pruritus bedarf einer ärztlichen Behandlung. Das Leiden wird operativ oder konservativ behandelt, wodurch sich bereits eine erhebliche Besserung der einzelnen Symptome einstellen sollte. Die ärztliche Behandlung kann durch verschiedene Selbsthilfe-Maßnahmen unterstützt werden.

Wichtig ist zuerst die strikte Einhaltung der ärztlichen Vorgaben. Vor allem die Einnahme von Medikamenten, wie sie bei der systemischen Behandlung vonnöten ist, muss genau nach Vorschrift erfolgen. Andernfalls können ernste Komplikationen auftreten. Außerdem empfiehlt sich Sport. Sanfte körperliche Aktivität unterstützt die Genesung ebenso wirksam wie Ruhe und Schonung. Der Trainingsplan wird am besten mit einem Physiotherapeut ausgearbeitet.

Auch die Ernährung, welche bei einem fortgeschrittenen Nierenleiden besonders schonend sein muss, bedarf der detaillierten Analyse durch einen Experten. Patienten müssen viel trinken und sich fett- und zuckerarm ernähren, um die Niere nicht zusätzlich zu belasten. Der Patient sollte ein Beschwerdetagebuch anlegen und ungewöhnliche Symptome notieren. Zudem müssen etwaige Nebenwirkungen der verordneten Antihistaminika aufgeschrieben und dem Arzt mitgeteilt werden.

Die genannten Selbsthilfe-Maßnahmen sollten mit dem Arzt besprochen werden. Der Mediziner kann weitere Maßnahmen nennen, um den Genesungsverlauf zu unterstützen.

Quellen

  • Geberth, S., Nowack, R.: Praxis der Dialyse. Springer, Berlin 2014
  • Hörl, W.H., Wanner, C. (Hrsg.): Dialyseverfahren in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart 2004
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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