Wernicke-Aphasie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Wernicke-Aphasie handelt es sich um eine schwerwiegende Sprach- und Wortfindungsstörung. Erkrankte Menschen leiden unter extremen Sprachstörungen und sind nur mit größter Mühe in der Lage einfachste Wörter zu verstehen oder wiederzugeben. Wernicke-Aphasikern ist es nur mit intensivem Training und Therapie möglich überhaupt Sprachinhalte zu verstehen, indem sich auf Mimik und Sprachunterschiede konzentriert wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Wernicke-Aphasie?

In den meisten Fällen wird eine Wernicke-Aphasie durch einen Schlaganfall verursacht.
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Die Wernicke-Aphasie gehört zu den tiefgreifendsten Sprachstörungen, an denen Menschen erkranken können. Ironischerweise tritt eine Aphasie erst nach vollendeter Sprachentwicklung auf. Betroffene Personen können durchaus über einen gewissen Wortschatz verfügen, sind jedoch nicht im Stande sich konkret und fokussiert auszudrücken.

Daher ist es möglich, dass eine Wernicke-Aphasie die Sprachbildung ganz oder nur teilweise stört. Aphasiker sind trotzallem in der Lage Mimik zu erkennen sowie Lautstärke und Intention des Tonfalls zu deuten, wenn eine wütende Person zum Beispiel schreit oder jemand weint. Strikt abgegrenzt werden muss die Erkrankung von einer psychisch oder geistigen Behinderung.

Ursachen

Die Ursache für diese Form der Aphasie ist meistens eine nachhaltige Schädigung des Wernicke-Sprachzentrums, einer Hirnregion im oberen Schläfenlappen des Betroffenen. Dies wird in den meisten Fällen durch einen Schlaganfall oder seltener durch einen Unfall verursacht. Das Sprachzentrum wird unter diesen Umständen entweder direkt geschädigt oder nicht ausreichend mit Blut versorgt und erleidet nachhaltige Schäden infolge des akuten Sauerstoffmangels.

Bei Unfällen wird durch ein Schädel-Hirn-Trauma, das bei Unfällen im Sport oder Straßenverkehr hervorkommen kann, nicht selten direkt das betroffene Hirnareal verletzt und erleidet dadurch bleibende Schäden. Die selteneren Ursachen für eine Wernicke-Aphase können unter anderem ein lokaler Hirntumor, Mangelversorgung des Gehirns oder altersbedingte Demenzerkrankungen sein.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Aphasien können sich auf alle Bereiche menschlicher Kommunikation auswirken. Das schließt Sprachinterpretation, Sprache sowie Lesen und Schreiben ein. Wurde die Aphasie in Folge einer direkten Schädigung des Hirnareals verursacht tritt die betreffende Störung direkt und nahezu unverzögert auf. Aphasien, die ihren Ursprung in Demenzerkrankungen haben, treten schleichend in Schüben auf und progressieren im Verlauf sich degenerierender Hirnsubstanz fortwährend.

Demenzbedingter Abbau von Hirnsubstanz, der mit Aphasie einhergeht, wird häufig durch Nebensymptome wie Veränderungen der Persönlichkeit und personenbezogenen Gewohnheiten, aber auch durch Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen begleitet. Die Wernicke-Aphasie mündet in zwei grundlegende Symptome.

Wernicke-Aphasiker leiden auf der einen Seite unter Wortfindungsstörungen, bei denen die Wörter in ihrer Struktur und damit Bedeutung stark abgewandelt werden. So werden Silben und Buchstaben je nach Person ausgelassen oder hinzugefügt. Ein einfaches Wort wie Ball wird zum Beispiel zu All. In Folge dieser als Paraphasie genannten Symptomatik kann es auch dazu kommen, dass der Aphasiker Wortbedeutungen vollkommen verwechseln.

Dies kann selbst bei Wörtern passieren, die keinen ähnlichen Laut aufweisen. Auf der anderen Seite sind aber nicht nur einzelne Wortbildung betroffen, sondern die gesamte grammatische Kompetenz. Von Wernicke-Aphasikern gebildete Sätze erscheinen oft lang und kryptisch, Nebensätze werden falsch miteinander verbunden oder es treten Dopplungen auf, wodurch die komplette Satzbildung unverständlich wird.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da Sprache in unserem Leben eine zentrale Rolle spielt, ist das Feststellen und die Diagnose von Aphasien relativ unkompliziert. Treten erste Symptome wie die bereits genannte auf, wird der Betroffene von einem Neurologen auf Basis entsprechender Tests auf Wernicke-Aphasie geprüft. Als besonders effektiv haben sich sogenannte Token-Tests erwiesen.

Der Neurologe bittet den Patienten mehrere Kärtchen verschiedener Farbe und Größe in Paaren zueinander passend anzuordnen. Dieser erste Test stellt in den meisten Fällen fest, ob eine aphasische Sprachstörung vorliegt. Noch genauer lässt sich eine Spracherkrankung nur noch mit dem AAT-Test (Aachener Aphasie-Test) bestimmen.

Dieser vermag zusätzlich noch den Grad der Erkrankung feststellen und dient darüber hinaus langfristig als Instrument in der Therapie, um zu erkennen, ob therapeutische Gegenmaßnahmen Wirkung zeigen. Werden diese Tests in Folge einer direkten Schädigung des Gehirns veranlasst, sollten auch neurologische Tests durchgeführt werden, die sich mit der Intelligenz und Persönlichkeit des Patienten befassen.

Komplikationen

In der Regel leiden die Betroffenen bei der Wernicke-Aphasie an einer sehr stark ausgeprägten Sprachstörung. Dabei fällt es jenen schwer, einfachste Worte zu finden, sodass dem Betroffenen die Kommunikation mit anderen Menschen sehr schwer fällt. Die Erkrankung wirkt sich dabei sehr negativ auf den Alltag des Patienten aus und kann zu starken sozialen Beschwerden und Komplikationen führen.

Auch die Entwicklung von Kindern wird aufgrund Wernicke-Aphasie deutlich eingeschränkt, sodass es auch im Erwachsenenalter zu verschiedenen Beschwerden kommen kann. Häufig leiden die Kinder auch an Störungen der Konzentration oder an Gedächtnisstörungen. Auch werden verschiedene Wörter verwechselt, sodass die Betroffenen mitunter an Panikattacken leiden, weil sie sich für die Erkrankung schämen. Vor allem bei Kindern kann es dadurch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen, sodass diese an Depressionen oder an andere psychischen Beschwerden erkranken.

Eine direkte und kausale Therapie der Wernicke-Aphasie ist in der Regel nicht möglich. Die Betroffenen sind auf verschiedene Therapien angewiesen, die die Beschwerden lindern können. Allerdings kann dabei ein positiver Verlauf der Erkrankung nicht immer vorausgesagt werden. Die Lebenserwartung des Patienten bleibt von der Wernicke-Aphasie allerdings unbeeinflusst.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Störungen der zwischenmenschlichen Kommunikation sollten grundsätzlich mit einem Arzt besprochen werden. Kann Sprache von Kindern nur erschwert oder gar nicht erlernt werden, sollte bereits der Kontakt zu einem Arzt aufgebaut werden. Erwachsene Menschen, Jugendliche oder Kinder, die bereits ausreichend sprechen gelernt haben, benötigen bei einer Rückbildung ihrer Sprachgebung ebenfalls ärztliche Hilfe und Unterstützung. Eine Klärung der Ursache ist notwendig, damit eine Diagnosestellung erfolgen kann und ein Behandlungsplan aufgestellt wird.

Kommt es zu Störungen der Wortfindung oder ist die Artikulation von Unregelmäßigkeiten geprägt, sollte der Betroffene bei einem Arzt vorstellig werden. Unstimmigkeiten der Gedächtnistätigkeit, wirres Gerede und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit sind ebenfalls untersuchen und abklären zu lassen. Zeigen sich bei erwachsenen Menschen ungewohnte Veränderungen der Persönlichkeit, Verhaltensstörungen oder ein Abbau des Erinnerungsvermögens, ist ein Arzt zu konsultieren.

Verwechselt der Betroffene regelmäßig Worte miteinander, ist dies als Warnsignal des Organismus zu verstehen. Können Nebensätze nicht mehr korrekt verknüpft werden, ist dies als weiteres Anzeichen einer vorliegenden Erkrankung zu deuten. Sind Satzbildungen für Menschen des nahen Umfelds komplett unverständlich, sollte dieser Umstand mit dem Betroffenen besprochen werden. Er benötigt ärztliche Hilfe, da es sich hierbei um eine Erkrankung handelt, bei der eine Therapie notwendig ist.

Behandlung & Therapie

Nach entsprechender Diagnose und Feststellung des Schweregrades der Aphasie kann eine durch Neurologen und Sprachtherapeuten gestützte linguistische Therapie erfolgen. Je früher die Wernicke-Aphasie entdeckt wird, desto größere Chancen hat der Patient seine Kommunikation wieder zu verbessern. Oberstes Ziel der Therapie ist die Sprachfähigkeit zu erneuern.

Der Therapeut muss darüber hinaus das Gefühl vermitteln können, dass der Patient nicht allein mit seiner einschneidenden Erkrankung ist, sondern durchaus positive Heilungschancen in Aussicht hat. Um grundlegende Sprachkompetenzen zurückzuerlangen, wird der Therapeut auf bekannte, einfache Wortreihen zurückgreifen. Das Aufsagen der Monate, Lieblingsgegenstände, Wochentage oder Familiennamen sind dabei nur ein erster Schritt und zeigen schnell Erfolg, was den Patienten zusätzlich motivieren soll.

Da die Wernicke-Aphasie häufig die Bildung von Sätzen beeinflusst, übt der Therapeut an einfachsten Sätzen die korrekte Grammatik und sinnvolle Aufstellung der Wörter. Gegen Ende der Therapie wird mit dem Aphasiker schließlich geübt die wiedergewonnenen Sprachkompetenzen auf die Alltagskommunikation anzuwenden. Dieser Abschnitt wird meistens in kontrollierter Umgebung einer Gruppentherapie mit anderen Aphasikern durchgeführt und nimmt dem Patienten die Angst vor Fremden in einer unbekannten Situation sprechen zu müssen.


Vorbeugung

Eine Wernicke-Aphasie komplett vorzubeugen, ist schlicht unmöglich. Abgesehen von Unfällen, die auf höhere Gewalt zurückzuführen sind, ist es jedoch möglich Risikofaktoren wie Schlaganfälle oder Sklerosen vorzubeugen. Gesunde, ausgewogene Ernährung, sportlich und geistig aktiv bleiben, bedeuten eine enorme Risikominderung. Achten Sie auf zentrale Ernährungswerte wie Blutzuckerwerte, Ihren Cholesterinspiegel, Blutfettwerte und Ihren Blutdruck. Vermeiden Sie regelmäßiges Rauchen und arbeiten Sie an möglichem Übergewicht.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Maßnahmen einer direkten Nachsorge bei der Wernicke-Aphasie deutlich eingeschränkt und stehen dem Betroffenen in einigen Fällen gar nicht erst zur Verfügung. Daher sollte der Betroffene idealerweise schon bei den ersten Anzeichen dieser Krankheit einen Arzt aufsuchen und auch eine Behandlung durchführen lassen, um das Auftreten von weiteren Beschwerden und Komplikationen zu verhindern.

Eine Selbstheilung kann bei der Wernicke-Aphasie in der Regel nicht eintreten, sodass eine Behandlung durch einen Arzt notwendig ist. In der Regel ist der Betroffene bei dieser Krankheit auf die Maßnahmen einer Physiotherapie und einer Krankengymnastik angewiesen. Hierbei können auch viele der Übungen im eigenen Zuhause wiederholt werden, wodurch die Heilung deutlich beschleunigt wird. In der Regel ist auch die Einnahme von verschiedenen Medikamenten sehr wichtig.

Dabei ist auf eine regelmäßige Einnahme und ebenso auf eine richtige Dosierung zu achten, um den Beschwerden dauerhaft entgegenzuwirken. Bei Fragen oder Nebenwirkungen sollte immer zuerst ein Arzt konsultiert werden. Der weitere Verlauf der Wernicke-Aphasie ist stark von der Ausprägung der Krankheit abhängig, sodass eine allgemeine Voraussage nicht erfolgen kann. Unter Umständen ist dabei auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Das können Sie selbst tun

Die Wernicke-Aphasie bedarf in erster Linie einer ärztlichen Behandlung. Der zumeist ursächliche Schlaganfall muss abgeklärt werden, bevor eine Therapie begonnen werden kann. Welche unterstützenden Maßnahmen sinnvoll sind, hängt von dem individuellen Symptombild ab.

Fast immer ist eine umfassende Sprach- und Schlucktherapie notwendig. Die Therapie kann zu Hause durch regelmäßiges Sprechen und die Durchführung geeigneter Übungen unterstützt werden. Der Patient benötigt in dieser Krankheitsphase viel Unterstützung und Zuwendung. Der Schlaganfall führt meist auch zu einer Immobilität, die zum Beispiel durch die Organisierung eines ambulanten Pflegedienstes kompensiert werden kann. Zudem sollte sichergestellt werden, dass der Patient die verordneten Medikamente genau nach den Vorgaben des Arztes einnimmt.

Zur Vorbeugung eines erneuten Schlaganfalls gehört auch die Ermittlung von Risikofaktoren. Generell muss ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Sport, wenig Stress und einer gesunden Ernährung gepflegt werden. Der Betroffene sollte stets über falsch gebildete Sätze oder Wörter informiert werden. Das regelmäßige Training ist die wichtigste Maßnahme, um die verloren gegangenen Fähigkeiten wiederherzustellen. Welche Selbsthilfe-Maßnahmen im Detail sinnvoll sind, muss gemeinsam mit dem zuständigen Arzt abgesprochen werden.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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