Adduktorenreflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Adduktorenreflex ist ein Eigenreflex der als Adduktoren bezeichneten Muskeln und Muskelgruppen in Oberschenkeln und Armen. Das Ausbleiben des Reflexes deutet auf eine Schädigung im entsprechenden Hirnareal hin.
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Was ist der Adduktorenreflex?
Der Adduktorenreflex wird durch einen Schlag auf den medialen Knochenvorsprung der langen Röhrenknochen von Beinen oder Armen ausgelöst. Dabei kommt es zum Anziehen der Arme oder Beine an den Körper. So ist 'Adduktion' die lateinische Bezeichnung für 'Heranziehen'. In der Medizin bedeutet es das Heranführen eines Körperteils an den Körper. Dieses Heranziehen erfolgt mit den sogenannten Adduktoren. Das sind diejenigen Muskeln und Muskelgruppen, welche die Längsachse der Gliedmaßen mit der Körperlängsachse in Übereinstimmung bringen. Auf diese Weise sorgen die Adduktoren unter anderem dafür, dass ein abgespreiztes Bein oder ein abgespreizter Arm an den Körper herangeführt wird. Das Gleiche gilt für abgespreizte Daumen und Zehen. Erkrankungen der Adduktoren werden meist durch Sportverletzungen hervorgerufen.
Streng genommen wird der Adduktorenreflex hauptsächlich auf die Reflexreaktion der Oberschenkeladduktoren bezogen. Verantwortlich dafür ist der Nervus obturatorius, der als Nerv des Lendengeflechts (Plexus lumbalis) seinen Ursprung im 2. bis 4. Lendensegment des Rückenmarks hat.
Der Adduktorenreflex ist ein Eigenreflex und findet somit dort statt, wo auch der Reiz erfolgt ist. Durch Wiederholung schwächt sich die Reflexantwort im Gegensatz zum Fremdreflex nicht ab.
Funktion & Aufgabe
Der Adduktorenreflex gehört zur Gruppe der Eigenreflexe. Hier werden Signale von Muskeldehnungen über nur eine Synapse auf das Alphamotoneuron im Rückenmark geleitet und über die motorischen Nerven wieder zurück zum entsprechenden Muskel übertragen. Dabei kommt es zur Reaktion des Muskels in Form eines Reflexes. Der Reflex führt zu einer sichtbaren Zuckung des Muskels, welcher dann seine typische Bewegungen vollzieht. Bei den Adduktoren kommt es zur reflexartigen Heranführung der gereizten Gliedmaße an den Körper.
Die Reflexantwort bei einem Adduktorenreflex ist physiologisch. Nur ein Ausbleiben oder eine Verstärkung dieses Reflexes würde eine Störung der Reizweiterleitung anzeigen.
Die Adduktoren befinden sich in ständigem Wechselspiel mit ihren Gegenspielern, den Abduktoren. Abduktoren sind wiederum Muskelgruppen, die vom Körper wegführende Bewegungen veranlassen. Wäre der neuronale Impuls zu den Adduktoren gestört, käme es zur ständigen Abspreizung der entsprechenden Gliedmaßen. Ein etwa dauerhaft abduziertes Bein kann bei der Vorwärtsbewegung nicht geradlinig geführt werden. Es kann nur in nach außen gerichteten Bögen bewegt werden.
Für die Adduktion des Beines sind mehrere Oberschenkelmuskeln erforderlich. Neben Adduktionsbewegungen sind teilweise auch Rotationsbewegungen notwendig. So zählen zur Adduktorenloge im Oberschenkel die fünf Muskelgruppen Musculus adductor brevis, Musculus adductor longus, Musculus adductor magnus, Musculus gracilis und Musculus pectineus. Im Zusammenspiel aller Adduktoren werden Adduktionen, Drehbewegungen und Beugungen miteinander abgestimmt.
Neben der Versorgung der Adduktoren innerviert der Nervus obturatorius auch das Hüftgelenk sensibel. Läsionen am Nervus obturatorius können daher auch zu Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels führen.
Krankheiten & Beschwerden
Eine Abschwächung des Muskelreflexes wird durch mechanische oder entzündliche Prozesse im entsprechenden Reflexbogen ausgelöst. Das kann im Fall der Adduktoren zu einer dauerhaften leichten Abspreizung der Gliedmaßen führen. So können Lähmungen des Nervus obturatorius auftreten, die in der Regel während der Geburt entstehen. Dabei wird bei der Passage des Fötus durch das Becken zuweilen der Nerv gegen die innere Beckenwand gepresst, wobei er beschädigt werden kann. Das ist besonders der Fall, wenn der Geburtskanal zu eng ist.
Auch bei der operativen Entfernung von Lymphknoten bei Krebs kann es in seltenen Fällen zu Läsionen des Nervus obturatorius kommen. Die Lähmung äußert sich in einem seitlichen Abspreizen eines Beines. Das Bein kann nicht mehr an den Körper herangezogen werden und wird bei der Vorwärtsbewegung nur über seitliche Bogenbewegungen mitgeschleppt. In Extremfällen kann es auch seitlich ausgrätschen.
Es gibt auch Situationen, in der eine Nervus-obturatorius-Blockade erfolgen muss. Dies ist ein Regionalanästhesieverfahren bei einer Operation an der Blase. Wenn etwa durch Elektrokauterisation Blasengewebe entfernt werden soll, muss der Nervus obturatorius ruhiggestellt werden, da er unmittelbar an der Außenwand der Blase verläuft. Durch die elektrische Reizung würden die Adduktorenmuskeln reflexartig kontrahieren. In der Folge könnte es zu einer Blasenperforation durch das Resektoskop kommen.
Zur Ruhigstellung des Nervus obturatorius wird ein Lokalanästhetikum am Adduktorenmuskelansatz des Schambeins injiziert. Die Nervus-obturatorius-Blockade kann auch bei Schmerzen im Hüftgelenk oder bei Adduktorenspasmuszuständen angewendet werden.
Schmerzen im Oberschenkel können vielfältige Ursachen haben. So kommt es bei Schäden des Nervus obturatorius zu isolierten Schmerzen an der Innenseite der Oberschenkel. Nervenläsionen können unter anderem durch Einklemmung der Nerven bei einem Bandscheibenvorfall oder einer Beckenfraktur entstehen. Um festzustellen, ob die Adduktorenschmerzen wirklich durch eine Läsion der Nerven bedingt sind, bedarf es jedoch einer umfassenden Diagnostik.
Quellen
- Klinke, R. & Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. Thieme, Stuttgart 2005
- Wirth, C.J. et al.: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2013
- Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015