Arts-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Arts-Syndrom handelt es sich um eine Krankheit, die bisherigen Erkenntnissen zufolge enorm selten vorkommt. Es sind erst einige wenige Familien bekannt, in denen das Arts-Syndrom aufgetreten ist. Das Arts-Syndrom besteht von Geburt an und weist genetische Ursachen auf. Die wichtigsten Symptome der Krankheit bestehen in einer Beeinträchtigung des Hörsinns, einer Ataxie sowie einer Optikusatrophie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Arts-Syndrom?

Das Arts-Syndrom entsteht in der Folge von genetischen Mutationen auf dem PRPS1-Gen. Dabei ist konkret der Genlocus Xq22.3 von den Veränderungen betroffen.
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Das Arts-Syndrom ist unter den synonymen Begriffen und Abkürzungen MRXS 18 und MRX Arts bekannt. Der Neurologe Arts beschrieb die Krankheit 1993 erstmalig in den Niederlanden. Das Vorkommen des Arts-Syndroms ist sehr selten und liegt derzeitigen Schätzungen zufolge bei einer Prävalenz von weniger als 1:1.000.000.

Aktuell sind erst wenige Familien bekannt, in denen das Arts-Syndrom aufgetreten ist. Dabei zeigte sich die Erkrankung in einer Familie bei Verwandten über fünf Generationen hinweg. Das Arts-Syndrom zeichnet sich durch einen x-chromosomal-rezessiven Vererbungsgang aus. Grundsätzlich handelt es sich beim Arts-Syndrom um eine ernsthafte Krankheit mit schwerwiegenden Symptomen und einem meist tödlichen Verlauf.

Typisch für das Arts-Syndrom ist eine Ataxie, die sich sowohl an den oberen als auch an den unteren Gliedmaßen zeigt. Zudem leiden die erkrankten Personen an einer angeborenen Hypotonie. Darüber hinaus ist das Hörvermögen bei den Patienten beeinträchtigt, die intellektuellen Fähigkeiten sind unterdurchschnittlich ausgeprägt und es besteht eine Optikusatrophie.

Bedeutsam ist der unterschiedliche Verlauf der Krankheit bei den Geschlechtern. So verläuft das Arts-Syndrom bei männlichen Erkrankten wesentlich schwerwiegender als bei weiblichen. Die betroffenen Jungen sind in der Regel enorm anfällig für Infektionskrankheiten, in deren Folge sie üblicherweise schon im Kleinkindalter versterben. Hingegen verläuft die Krankheit bei weiblichen Patienten oftmals tendenziell mild bis asymptotisch.

Der Tonus der Muskulatur ist bei den Erkrankten meist reduziert. Die Beeinträchtigung des Hörvermögens ergibt sich durch Anomalien im Aufbau des Innenohrs. Die generelle körperliche und intellektuelle Entwicklung der Patienten mit Arts-Syndrom verläuft meist verzögert. Die männlichen Betroffenen verlieren schon in der frühen Kindheit zunehmend ihr Sehvermögen, da die Sehnerven degenerieren.

Ursachen

Das Arts-Syndrom entsteht in der Folge von genetischen Mutationen auf dem PRPS1-Gen. Dabei ist konkret der Genlocus Xq22.3 von den Veränderungen betroffen. Durch die Genmutationen ist die Ribosephosphat-Diphosphokinase beeinträchtigt. Ähnliche Verringerungen in der Aktivität von Enzymen kommen auch beim Rosenberg-Chutorian-Syndrom sowie der x-chromosomalen Taubheit DFNX1 vor. Der Vererbungsgang des Arts-Syndroms ist x-chromosomal-rezessiv.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Arts-Syndrom manifestiert sich bei den Patienten schon im frühen Kindesalter. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede in Abhängigkeit des Geschlechts des erkrankten Kindes. Bei Mädchen verläuft das Arts-Syndrom mitunter völlig ohne Symptome. In manchen Fällen erleiden weibliche Patienten im Erwachsenenalter einen Verlust des Hörsinns. Oftmals handelt es sich dabei jedoch um das einzige Symptom.

Weitaus schwerwiegender verläuft das Arts-Syndrom hingegen bei Jungen. Die Krankheit entwickelt sich bereits bei Kleinkindern oder Säuglingen. Die Entwicklung der Motorik verläuft langsamer als üblich, auch die Intelligenz der Kinder ist stark vermindert. Weitere Beschwerden bestehen in einer Ataxie, Schwerhörigkeit, einem Verlust des Sehvermögens infolge einer Optikusatrophie sowie einem reduzierten Tonus der Muskeln.

Teilweise leiden die erkrankten Kinder an einer Tetraplegie. Die männlichen Patienten weisen eine stark erhöhte Anfälligkeit für Infekte auf. Diese betreffen vor allem die Atemorgane und Luftwege. In der Folge dieser häufigen Infektionskrankheiten und ihrer Komplikationen versterben die erkrankten Jungen meist schon im Kleinkindalter.

Diagnose

Die Diagnose des Arts-Syndroms stellt ein adäquater Spezialist meist in einem Fachzentrum für seltene genetische Krankheiten. Zuerst erfolgt eine Anamnese mit dem erkrankten Säugling oder Kleinkind und den Sorgeberechtigten. Wichtig sind hierbei die gezeigten Symptome, deren Beginn und mögliche Erkrankungsfälle in der nahen Verwandtschaft.

Die Schwierigkeit besteht für den Arzt vor allem darin, das Arts-Syndrom von anderen Krankheiten mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Da das Arts-Syndrom so selten vorkommt, besteht eine erhöhte Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Erkrankungen. Die Diagnose stützt sich zum einen auf das klinische Beschwerdebild, zum anderen auf eine genetische Analyse.

Da die Krankheit so selten vorkommt, ist eine Genuntersuchung essentiell für eine sichere Diagnosestellung. Bei Laboranalysen der Gene des Patienten sind die verantwortlichen Mutationen auf dem PRPS1-Gen nachweisbar.

Komplikationen

Die Komplikationen beim Arts-Syndrom sind stark abhängig vom Geschlecht des Patienten und treten vor allem bei Kindern verstärkt auf. In der Regel treten bei Mädchen nur selten Komplikationen auf. Hierbei kann es sich allerdings um die Einschränkung des Hörens im höheren Alter handeln.

Darüber hinaus treten keine weiteren Komplikationen auf. Jungen sind vom Arts-Syndrom stärker betroffen. Bei den meisten männlichen Kindern ist die Feinmotorik und die Grobmotorik stark beeinflusst. Es tritt ebenso eine Schwerhörigkeit auf, allerdings schon im jungen Alter. Auch können die Augen beschädigt sein.

Viele Patienten klagen über Schmerzen in den Muskeln. Jungen mit dem Arts-Syndrom sind anfällig für Infekte und besitzen ein geschwächtes Immunsystem. In vielen Fällen kommt es dadurch schon im Kindesalter zum Tode aufgrund verschiedener Infekte und Entzündungen. Eine gezielte Behandlung des Syndroms ist nicht möglich. Es ist allerdings möglich, die Symptome zu bekämpfen.

Dabei wird von allem bei Jungen im Kindesalter eine Behandlung durchgeführt, um die Infektanfälligkeit zu senken. Ob diese Behandlung erfolgreich verläuft, kann nicht vorausgesagt werden. Ebenso können im weiteren Verlauf des Lebens Komplikationen und andere Symptome auftreten, auf die im Kindesalter kein Einfluss genommen werden kann.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dem Verdacht auf das Arts-Syndrom sollte mit dem Kinderarzt gesprochen werden. Da es sich bei dem Syndrom um eine seltene Erbkrankheit handelt, sollten vor allem Eltern, die selbst an der Erkrankung leiden, auf die klinischen Kriterien achten. Sollte beim Kind beispielsweise eine verminderte Intelligenz und eine erhöhte Infektneigung festgestellt werden, handelt es sich womöglich um das Arts-Syndrom.

Weitere Warnzeichen sind eine zunehmende Schwerhörigkeit, eine verzögerte motorische Entwicklung und ein verminderter Muskeltonus. Diese Symptome treten meist schon im Kleinkindalter auf und deuten auf eine schwere Erkrankung hin. Ob es sich um das Arts-Syndrom oder um eine andere Genmutation handelt, kann in einem Fachzentrum für seltene genetische Krankheiten festgestellt werden.

Patienten, bei denen das Arts-Syndrom diagnostiziert wurde, sollten regelmäßig Rücksprache mit dem zuständigen Arzt halten. Ungewöhnliche Symptome oder besonders starke Beschwerden sollten in der Fachklinik abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden. Vor allem im späteren Verlauf des Lebens können weitere Komplikationen hinzukommen, die medizinische Hilfe erfordern.

Behandlung & Therapie

Grundsätzlich ist eine ursächliche Behandlung des Arts-Syndroms in der heutigen Zeit noch nicht möglich. Daher besteht die einzige Möglichkeit der Therapie darin, die Symptome des Arts-Syndroms zu lindern und damit die Lebensqualität der erkrankten Patienten zu verbessern. So spielt die medikamentöse Behandlung eine wichtige Rolle, um beispielsweise die häufig auftretenden akuten Infekte der männlichen Patienten im Kleinkindalter zu lindern.

Wichtig ist zudem, den betroffenen Familien eine genetische Beratung zugänglich zu machen. Bei männlichen Patienten steht die Prognose des Arts-Syndroms sehr ungünstig. So überleben die betroffenen Personen nur in Ausnahmefällen das Kleinkindalter. Bedeutsam ist daher auch eine adäquate palliative Betreuung der Kinder.

Aussicht & Prognose

Eine ursächliche Behandlung oder vollständige Heilung des Arts-Syndroms ist nach dem heutigen Stand der Medizin nicht möglich. Die Symptome können allerdings gelindert werden, was zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Personen führen kann.

Im allgemeinen ist die Prognose bei weiblichen Patienten deutlich günstiger als bei männlichen Patienten. So ist es gar nicht so selten, dass die weiblichen Patienten im Kindes- und Jugendalter gar keine oder nur geringe Symptome zeigen. Im Erwachsenenalter besteht allerdings die Gefahr, dass sie ihr Hörvermögen einbüßen.

Bei zahlreichen männlichen Patienten kommt es zu einer deutlichen Einschränkung der Grobmotorik und der Feinmotorik. Außerdem ist die Infektanfälligkeit erhöht. Dies führt dazu, dass viele der Betroffenen bereits im Kleinkindalter an den Folgen einer Infektion versterben. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Sehnerv geschädigt wird und das Sehvermögen teilweise oder komplett verloren geht.

Ohne adäquate Behandlung ist die Prognose in jedem Falle ungünstig. Um die Symptome zu lindern, werden Medikamente eingesetzt. Außerdem kann die Bewegungsfähigkeit durch physiotherapeutische Maßnahmen länger erhalten bleiben.

Eltern, die den Verdacht hegen, dass ihr Kind vom Arts-Syndrom betroffen sein könnte, sollten so schnell wie möglich den Kinderarzt aufsuchen. Er kann entscheiden, welche Maßnahmen im konkreten Falle einzuleiten sind.


Vorbeugung

Eine Möglichkeit der Prävention des Arts-Syndroms ist noch nicht gegeben. Familien mit Krankheitsfällen in der Verwandtschaft haben lediglich die Option, bei der Familienplanung eine genetische Beratung in Anspruch zu nehmen. Nach einer Diagnose lassen sich einige der Beschwerden des Arts-Syndroms mittels geeigneter symptomatischer Behandlungsmaßnahmen zum Teil abmildern.

Nachsorge

Da Patienten, die am Arts-Syndrom leiden, in der Regel im Kindesalter versterben, ist keine Nachsorge nötig. Die Eltern und Angehörigen der betroffenen Kinder benötigen meist psychologische Unterstützung. Im Rahmen einer Traumatherapie und in Gesprächen mit anderen Betroffenen kann der Schicksalsschlag aufgearbeitet werden. Daneben gilt es, die Ursache für die Erkrankung festzustellen.

Oft wird der Arzt eine genetische Untersuchung anordnen und im Zuge dessen feststellen, im Zusammenhang mit welcher Krankheit die Genmutation aufgetreten ist. Die Eltern sollten eine genetische Beratung in Anspruch nehmen, wenn eine erneute Schwangerschaft geplant ist. Zur Nachsorge zählen des Weiteren Allgemeinmaßnahmen wie Sport und Ablenkung. Gerade in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt und dem Versterben des Kindes fällt es den Angehörigen oft schwer, Ablenkung zu finden.

Ein Therapeut kann hier unterstützend wirken und bei Bedarf beruhigende Präparate verordnen. Welche Maßnahmen im Detail sinnvoll sind, hängt von der individuellen Situation ab und sollte immer mit dem zuständigen Arzt besprochen werden. Da der fatale Krankheitsverlauf zu erwarten ist, können bereits vor der Geburt des Kindes Vorbereitungsmaßnahmen getroffen werden, um die ersten Tage und Wochen besser zu überstehen.

Das können Sie selbst tun

Da das Arts-Syndrom eine genetisch bedingte Erbkrankheit ist, können Betroffene keine Selbsthilfemaßnahmen ergreifen, um die Grunderkrankung zu behandeln. Die Betroffenen und ihre Angehörigen können aber dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Einschränkungen, die mit der Krankheit im Alltag einhergehen, besser zu bewältigen.

Häufig leiden die Betroffenen unter einer Ataxie, also einer Störungen der Bewegungskoordination, die sich in Armen und Beinen zeigt und auch das Sprachvermögen beeinträchtigen kann. Je nach Ausprägung der Ataxie können die Patienten aber mittels Gehstöcken, anderen Gehhilfen oder einem Rollstuhl ihre Mobilität zumindest zum Teil erhalten.

Treppenlifte und spezielle Vorrichtungen für die Badewanne können die Bewegungsfreiheit innerhalb der eigenen vier Wände erhöhen und ein möglichst selbständiges Leben ermöglichen. Darüber hinaus können physiotherapeutische Maßnahmen dazu beitragen, die Koordinationsfähigkeit zu verbessern. Bei Sprachstörungen sollte frühzeitig eine Logopäde zugezogen werden. Durch regelmäßige, gezielte Sprechübungen kann sich das Sprachvermögen verbessern.

Bei vielen Betroffenen des Arts-Syndroms sind zudem die intellektuellen Fähigkeiten nur unterdurchschnittlich entwickelt. Die Eltern betroffener Kinder sollten deshalb Erzieher und Lehrer über die Krankheit informieren. Darüber hinaus ist es notwendig, sich möglichst frühzeitig um einen Platz in einer Sonderschule oder einer anderen geeigneten Einrichtung zu kümmern, die dem betroffenen Kind eine optimale Förderung ermöglicht.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

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