Barbiturate

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Barbiturate galten einst als Wundermittel und wurden in großem Umfang eingesetzt. Heute ist ihre Verwendung stark eingeschränkt und sie gelten als gefährlich. Dafür gibt es eine Vielzahl guter Gründe. Der hier folgende Überblick über die Wirkung von Barbituraten auf den Körper, ihre Anwendungsgebiete sowie Risiken und Nebenwirkungen zeigen warum.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Barbiturate?

Barbiturat ist der Oberbegriff für eine Vielzahl verschiedener Arzneimittel, die narkotisierend, hypnotisierend, krampflösend und sedierend wirken.

Barbiturat ist der Oberbegriff für eine Vielzahl verschiedener Arzneimittel, die narkotisierend, hypnotisierend, krampflösend und sedierend wirken. Ihre Bezeichnung leitet sich von der Barbitursäure ab, von der sie Derivate bilden. Der Chemiker Johann Friedrich Wilhelm Adolf Ritter von Baeyer stellte im Jahre 1864 zum ersten Mal erfolgreich Barbitursäure her. Auf dieser Grundlage entwickelte dann Hermann Emil Fischer im Jahre 1903 das erste Barbiturat mit sedierender Wirkung und nannte es Barbital.

Seit dieser Entwicklung gehörten Barbiturate über viele Jahrzehnte zu den meist verwendeten Schlaf- und Beruhigungsmitteln im deutschsprachigen Raum. Weil sie sehr schnell abhängig machen und es zu vielen Vergiftungen durch Überdosierungen und Missbrauch kam, sind sie in Deutschland jedoch seit den frühen Neunzigern nicht mehr als Schlaf- und Beruhigungsmittel zugelassen. Seither finden sie lediglich bei der Behandlung von Epilepsie sowie als Narkosemittel bei Operationen Verwendung.

Es gibt drei Typen von Barbituraten: kurz wirkende, die nur wenige Minuten einen Effekt ausbilden, mittellang wirkende, deren Wirkung einige Stunden anhält, und lang wirkende, deren Wirkung über viele Stunden anhält. Die Einteilung basiert also auf der Dauer der jeweiligen Wirkung.

Pharmakologische Wirkung

Die pharmakologische Wirkung von Barbituraten auf Körper und Organe ist enorm vielschichtig. Sie entfalten ihre Wirkung über verschiedene Rezeptoren im Organismus, den sogenannten GABA-A-Rezeptoren. Diese befinden sich in den Nervenzellen und binden dort den Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure. So beeinflussen sie direkt die Botenstoffe, die für die Übertragung von Reizen und Erregungen zwischen den Nervenzellen zuständig sind.

Nach der Bindung des Barbiturats an diese Rezeptoren übernehmen sie praktisch deren Aufgabe und steuern als Agonist die Signalübertragung zwischen den einzelnen Nervenzellen. Sie imitieren praktisch die γ-Aminobuttersäure und übernehmen deren Aufgaben. Auf diese Weise können die Barbiturate beispielsweise Schmerzsignale hemmen oder unterdrücken.

Eine wichtige Rolle bei der Wirkung spielt darüber hinaus die Dosierung des Barbiturats. In geringerer Dosierung hemmen sie z.B. den AMPA-Rezeptor, der erregend wirkt, und sorgen so für eine Sedierung. In höheren Dosen hemmen sie zudem Natriumkanäle, die wiederum für viele andere Vorgänge im Körper wichtig sind. Letzten Endes führen Barbiturate zur totalen Narkotisierung.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Früher wurden Barbiturate hauptsächlich als Schlaf- oder Beruhigungsmittel verschrieben. Da Erfahrungswerte und Studien allerdings bald das extrem hohe Suchtpotenzial sowie die gefährlich hohe Toxizität offenlegten, kam es schließlich zu einem Verbot für diese Einsatzgebiete. An die Stelle der Barbiturate traten weit weniger gefährliche Arzneistoffe wie Benzodiazepine.

Aufgrund dieser Tatsache werden Barbiturate heute im Grunde genommen nur noch für zwei Anwendungsgebiete eingesetzt: als Anästhetikum und als Antiepileptikum. Als Anästhetikum findet es in der Form von Thiopental bei der Narkoseeinleitung Verwendung. Das kurz wirksame Barbiturat Thiopental hat eine Wirkungsdauer von nur knapp 10 Minuten und wirkt enorm schnell, weshalb es dem Patienten zur Einleitung einer Narkose intravenös injiziert wird.

Bei der Behandlung von Epilepsie kommt das lang wirksame Phenobarbital zum Einsatz, das etwa 10 bis 18 Stunden lang wirkt. Aufgrund seiner krampflösenden Wirkung wird es gerne sowohl zur Vorbeugung als auch zur Behandlung von Krampfanfällen im Rahmen einer epileptischen Erkrankung eingesetzt. Ferner kann es auch zur Bekämpfung von Krampfanfällen dienen, die durch den Kontakt mit bestimmten Giften wie Strychnin oder DDT ausgelöst werden.

In der Schweiz werden bestimmte Barbiturate wie Pentobarbital darüber hinaus bei der dort zulässigen aktiven Sterbehilfe verwendet. In der Tiermedizin wird es als Mittel zur Einschläferung genutzt.


Risiken & Nebenwirkungen

Wie bereits erwähnt sind die Risiken und Nebenwirkungen bei der Einnahme von Barbituraten enorm hoch. Ein regelmäßiger Konsum führt sehr schnell zu einer schweren Abhängigkeit. Der Entzug ist schwierig und mit teilweise heftigen Symptomen wie Angstzuständen, Krampfanfällen und Übererregbarkeit verbunden. Auch die Leber reagiert auf eine regelmäßige Einnahme und baut das Barbiturat mit der Zeit immer schneller ab, weshalb die Wirkung immer schwächer und kürzer wird. Im Zuge dessen werden auch andere Medikamente schneller abgebaut und wirken daher nicht mehr richtig. Eine zu hohe Dosierung kann zudem zu schweren Vergiftungen führen, deren Symptome von Bewusstseinsstörungen und Schwindel über Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Amnesie und Koma reichen. Die schlimmste toxische Wirkung ist allerdings eine zentrale Atemlähmung und Herzstillstand, die ohne sofortige Behandlung zur Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff und ultimativ zum Tod führen. Andere sedierende Mittel wie Alkohol oder Opiate verstärken zudem die Wirkung der Barbiturate. Aufgrund dieser starken Nebenwirkungen unterliegen Barbiturate heute der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV).

Barbiturate wirken zwar sehr schnell und effektiv, sind aber leider mit vielen, teilweise sogar lebensbedrohlichen, Risiken und Nebenwirkungen verbunden, die ihre an sich positiven Eigenschaften bei Weitem übersteigen. Deshalb ist ihr Einsatz bis auf wenige Ausnahmen mittlerweile aus nachvollziehbaren Gründen untersagt. Von einer Selbstmedikation ist daher dringend abzuraten.

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