Benzodiazepine
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. August 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Benzodiazepine gehören zu einer Stoffklasse charakteristischer bizyklischer organischer Verbindungen, die in der Medizin häufig als Beruhigungs- oder Schlafmittel zur Anwendung kommen. Ihre Wirkung beruht auf der Verstärkung von sogenannten inhibitorischen Neurotransmittern. Häufige Anwendungen von Benzodiazepinen können jedoch zu Abhängigkeitsverhältnissen führen.
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Was sind Benzodiazepine?
Alle Benzodiazepine besitzen eine bicyclische Grundstruktur aus einem siebengliedrigen ungesättigten Ring, an dem noch ein Benzolring anelliert ist.
Der ungesättigte siebengliedrige Ring enthält zwei Stickstoffatome. Einige Vertreter dieser Verbindungen haben als Arzneimittel eine große Bedeutung. Alle Medikamente auf Benzodiazepin-Basis haben an der 5-Position zum ungesättigten Ring einen weiteren Benzolring gebunden und werden nach der chemischen Nomenklatur als 1H-Benzo-1,4-diazepine bezeichnet. Die einzelnen 1H-Benzo-1,4-diazepine entfalten oft eine beruhigende Wirkung und werden deshalb häufig als Tranquilizer oder Schlaf fördernde Mittel eingesetzt.
Je nach weiteren funktionellen Gruppen gibt es eine relativ große Anzahl an Arzneimitteln dieser Stoffklasse. Alle Benzodiazepine haben einen dämpfenden Einfluss auf das Nervensystem. Sie unterscheiden sich jedoch in Dauer und Intensität der Wirkung. Diese wird durch die Halbwertzeit, also der Abbauzeit der einzelnen Substanzen im Körper bestimmt.
Pharmakologische Wirkung
Benzodiazepine wirken nicht direkt, sondern sie verstärken die Wirkung von GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) durch die Beeinflussung der GABA-Rezeptoren. GABA ist ein inhibitorischer Neurotransmitter, der an den Rezeptor gebunden die Nervenerregung durch den verstärkten Zustrom von Chlorid-Ionen in die Nervenzellen hemmt.
Dieser hemmende oder inhibitorische Einfluss führt zu einer allgemeinen Beruhigung der Nervenfunktionen. Die Benzodiazepine verändern die GABA-Rezeptoren so, dass sie z. B. GABA besser binden können und so dessen Wirksamkeit erhöhen. Die Dauer der Wirksamkeit ist natürlich von der Halbwertzeit des entsprechenden Benzodiazepins abhängig. Allgemein wirken die Benzodiazepine angstlösend, entspannend, aggressionsdämpfend und Schlaf fördernd. Je nach eingesetzter Substanz ist die eine oder andere Wirkung dominierend.
Bei einer hohen Dosis oder einer Empfindlichkeit gegen Benzodiazepine kann es auch zu Müdigkeit, Benommenheit, Niedergeschlagenheit oder Kopfschmerzen kommen. Es wurden viele Arzneimittel auf Benzodiazepin-Basis mit unterschiedlichen Wirkungsmustern entwickelt, um ein möglichst breites Anwendungsspektrum mit geringen Nebenwirkungen abzudecken. Für den Einsatz von Benzodiazepinen sind zwei Parameter ausschlaggebend, der Wirkeintritt und die Wirkdauer.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Die Wirkungsweise als Modulator für den inhibitorischen Neurotransmitter GABA eröffnet der Stoffklasse der Benzodiazepine ein großes Anwendungsgebiet. So werden die Benzodiazepine häufig bei Angststörungen, Unruhezuständen, Schlafstörungen, Erregungszuständen, bei Muskelverspannungen oder auch Epilepsien eingesetzt.
Auch bei Schizophrenie und Alkoholentzug haben sich Benzodiazepine bewährt. Aber auch für den allgemeinen Einsatz als Beruhigungs- und Schlafmittel stehen Benzodiazepine zur Verfügung. Benzodiazepine sind die am häufigsten verwendeten Beruhigungs- oder Schlafmittel. In Deutschland nehmen jährlich bis zu 17 Prozent der Bevölkerung Benzodiazepinpräparate ein. Die Wahl des richtigen Mittels ergibt sich aus der zugrunde liegenden Störung. Das Verhältnis zwischen Wirkeintritt und Wirkzeit hat Einfluss auf bestimmte Nebenwirkungen.
So möchte man bei Einschlafstörungen eine schnelle Wirkung erzielen. Die Wirkzeit soll jedoch nicht allzu lang sein, um Müdigkeit und Benommenheit nach dem Schlaf zu vermeiden. Bei Durchschlafproblemen sind Wirkstoffe mit mittlerer Wirkzeit angebracht. Sollten jedoch Angststörungen, Epilepsien oder Muskelverspannungen behandelt werden, sind Wirkstoffe mit langer Wirkdauer erwünscht.
Auch vor Operationen oder diagnostischen Eingriffen, wie Magen- oder Darmspiegelung werden häufig zur Angstlösung Benzodiazepine eingesetzt. Alle Medikamente auf Benzodiazepin-Basis sind rezeptpflichtig und werden in der Regel in Tablettenform verabreicht.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Benzodiazepinen sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um sowohl die Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten als auch Risiken zu minimieren. Benzodiazepine sind potente Medikamente, die vor allem zur Behandlung von Angstzuständen, Schlafstörungen, Krampfanfällen und in bestimmten Fällen zur Muskelentspannung eingesetzt werden.
Zunächst sollte die Dosierung individuell angepasst werden, basierend auf dem Alter, Gewicht, der Leberfunktion und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. Besonders bei älteren Patienten und solchen mit eingeschränkter Leberfunktion ist eine reduzierte Dosis notwendig, da die Ausscheidung des Medikaments verlangsamt sein kann.
Die Anwendungsdauer sollte so kurz wie möglich gehalten werden, da Benzodiazepine ein hohes Abhängigkeitspotenzial haben. Die Behandlung sollte in der Regel auf wenige Wochen beschränkt sein, um die Risiken einer Toleranzentwicklung und Abhängigkeit zu minimieren.
Es ist wichtig, dass Benzodiazepine nicht abrupt abgesetzt werden, insbesondere nach längerer Anwendung, da dies zu Entzugserscheinungen führen kann. Stattdessen sollte die Dosis schrittweise reduziert werden, um den Körper an den Entzug zu gewöhnen.
Benzodiazepine sollten nicht mit Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Substanzen kombiniert werden, da dies das Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Atemdepression und Sedierung erhöht.
Bei der Verschreibung von Benzodiazepinen ist eine regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit und der Dosis erforderlich, um sicherzustellen, dass die Behandlung weiterhin angemessen ist und um mögliche Missbrauchs- oder Abhängigkeitsprobleme frühzeitig zu erkennen.
Risiken & Nebenwirkungen
Benzodiazepine haben aber auch erhebliche Nebenwirkungen bei zu langem oder zu intensivem Einsatz. Bei hohen Konzentrationen an Benzodiazepine kann es zu Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeitsstörungen kommen. Auch über Kopfschmerzen und Benommenheit wird berichtet. Zu lange Behandlung mit Benzodiazepinen führt häufig zu Gewöhnungseffekten und Toleranzbildung.
Deshalb ist die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit gegeben. Nach einem Dauerkonsum kann auch das schnelle Absetzen der Medikamente zu psychischen Störungen bis zur Suizidgefahr führen. Die Behandlung mit Benzodiazepinen sollte aus diesen Gründen nicht übertrieben werden.
Besonders die gleichzeitige Einnahme von Benzodiazepinen mit Alkohol oder Barbituraten ist sehr gefährlich und verursacht oft eine akute und langfristige Verstärkung psychischer Erkrankungen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Benzodiazepinen sind Bedingungen oder Umstände, unter denen die Einnahme dieser Medikamente vermieden werden sollte, da sie potenziell gefährliche oder unerwünschte Wirkungen haben können.
Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bestehende Abhängigkeit oder Vorgeschichte von Drogen- oder Alkoholmissbrauch. Benzodiazepine haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial, und bei Personen mit einer solchen Vorgeschichte ist das Risiko einer Suchtentwicklung besonders hoch.
Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen wie chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Schlafapnoe sollten Benzodiazepine vermeiden, da diese Medikamente die Atemfunktion weiter beeinträchtigen können, was zu gefährlicher Atemdepression führen kann.
Eine weitere Kontraindikation ist die Leberinsuffizienz, insbesondere bei schwerer Lebererkrankung. Benzodiazepine werden in der Leber metabolisiert, und eine eingeschränkte Leberfunktion kann zu einer Anhäufung des Medikaments im Körper führen, was das Risiko für Nebenwirkungen erhöht.
Benzodiazepine sollten auch bei schweren psychischen Erkrankungen wie unbehandelter schwerer Depression mit Vorsicht eingesetzt werden, da sie in einigen Fällen suizidale Tendenzen verstärken können.
Bei Schwangerschaft und Stillzeit ist die Verwendung von Benzodiazepinen ebenfalls kontraindiziert, da sie das Risiko von Geburtsfehlern und Entzugserscheinungen beim Neugeborenen erhöhen können.
Zusätzlich sollten Benzodiazepine bei älteren Patienten mit erhöhtem Sturzrisiko aufgrund der sedierenden und muskelschwächenden Effekte mit Vorsicht verschrieben werden.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Benzodiazepine können mit einer Vielzahl von anderen Medikamenten interagieren, was zu potenziell gefährlichen Nebenwirkungen oder einer verminderten Wirksamkeit führen kann. Eine der häufigsten und wichtigsten Interaktionen besteht mit anderen zentral dämpfenden Substanzen wie Alkohol, Barbituraten, Opioiden und bestimmten Schlafmitteln. Die gleichzeitige Einnahme dieser Substanzen kann die sedative Wirkung von Benzodiazepinen verstärken, was das Risiko für Atemdepression, starke Sedierung, Koma und sogar Tod erheblich erhöht.
Auch Antidepressiva, insbesondere trizyklische Antidepressiva und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), können die Wirkung von Benzodiazepinen beeinflussen. Einige Antidepressiva können den Abbau von Benzodiazepinen in der Leber hemmen, was zu erhöhten Plasmaspiegeln und einer verlängerten Wirkung führt.
Benzodiazepine können mit Antihistaminika interagieren, die ebenfalls sedierende Eigenschaften haben, was die Gefahr von übermäßiger Sedierung und beeinträchtigter psychomotorischer Funktion erhöht.
Enzyminhibitoren wie Cimetidin und Grapefruitsaft können den Metabolismus von Benzodiazepinen durch Hemmung des Cytochrom-P450-Systems verlangsamen, was zu einer Erhöhung der Medikamentenkonzentration im Blut und einer verlängerten Wirkungsdauer führen kann.
Antikonvulsiva wie Phenytoin und Carbamazepin können den Abbau von Benzodiazepinen beschleunigen, was die Wirksamkeit der Benzodiazepine verringern kann. Andererseits kann Valproinsäure die Wirkung von Benzodiazepinen verstärken.
Patienten, die Benzodiazepine einnehmen, sollten immer ihren Arzt oder Apotheker über alle anderen Medikamente informieren, die sie verwenden, um potenzielle Wechselwirkungen zu vermeiden.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Benzodiazepine nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, je nach der zu behandelnden Erkrankung.
Für die Behandlung von Angststörungen können selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs) eingesetzt werden. Diese Medikamente haben ein geringeres Suchtpotenzial und sind bei langfristiger Anwendung wirksam. Auch Buspiron ist eine Alternative, die speziell für Angststörungen verwendet wird und kein Abhängigkeitspotenzial besitzt.
Antikonvulsiva wie Pregabalin und Gabapentin können ebenfalls bei Angststörungen und neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden. Diese Medikamente wirken beruhigend und haben anxiolytische Effekte.
Für die Behandlung von Schlafstörungen stehen Nicht-Benzodiazepin-Schlafmittel wie Zolpidem, Zopiclon und Eszopiclon zur Verfügung, die eine ähnliche Wirkung haben, jedoch ein geringeres Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Melatonin und Melatonin-Agonisten wie Ramelteon sind ebenfalls Optionen, besonders bei gestörtem Schlaf-Wach-Rhythmus.
Bei muskelbedingten Beschwerden können Muskelrelaxantien wie Baclofen oder Tizanidin in Betracht gezogen werden, die Muskelverspannungen lindern, ohne die sedativen und süchtig machenden Eigenschaften von Benzodiazepinen.
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ist eine wirksame nicht-pharmakologische Behandlung für Angst- und Schlafstörungen, die oft langfristige Vorteile ohne die Risiken von Medikamenten bietet.
Diese alternativen Therapien bieten Patienten verschiedene Möglichkeiten, ihre Symptome zu behandeln, während sie potenzielle Nebenwirkungen und Abhängigkeitsrisiken minimieren.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor