Biokompatibilität

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Biokompatibilität meint die Verträglichkeit von künstlichen Materialien im direkten Kontakt mit dem menschlichen Organismus und die Widerstandsfähigkeit von Werkstoffen im biologischen Milieu. Diese Stoffeigenschaften spielen vor allem für die Implantologie eine Rolle. Fehlende Biokompatibilität kann Implantatabstoßungen provozieren.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Biokompatibilität?

Die Biokompatibilität meint die Verträglichkeit von künstlichen Materialien im direkten Kontakt mit dem menschlichen Organismus, z.B. bei Zahnimplantaten.

In der Implantologie werden künstliche Materialien dauerhaft in den Körper eines Menschen eingeführt oder sollen zumindest für eine gewisse Zeit im Organismus bleiben. Im Zusammenhang mit den verwendeten Materialien spielt der Begriff der Biokompatibilität eine wichtige Rolle. Die implantierten Materialien dürfen weder einen negativen Einfluss auf das Gewebe oder den Organismus nehmen, noch in der organischen Umgebung selbst Schaden nehmen.

Auch abgesehen von der Implantologie kann die Biokompatibilität von Relevanz sein. So im Grunde immer dann, wenn bestimmte Materialien über eine gewisse Zeit in direktem Kontakt zu Menschen und ihrer Umwelt stehen.

Medizinische Werkstoffen und Produkten werden nach ISO 10993 1-20 mit der Eigenschaft der Biokompatibilität ausgezeichnet. Für eine möglichst hohe Biokompatibilität werden Implantate aus nicht-biokompatiblen Werkstoffen zum Beispiel mit biokompatiblen Beschichtungen überzogen. Am häufigsten kommen dabei Proteine zum Einsatz, damit eine Oberflächenkompatibilität hergestellt ist. Strukturelle Biokompatibilität liegt dagegen dann vor, wenn die innere Struktur des Implantats an die Struktur des Zielgewebes angepasst wurde.

Die Biokompatibilität wird in Laborversuchen sichergestellt, in denen medizinische Werkstoffe auf ihre Verträglichkeit im menschlichen und tierischen Körper getestet werden. Die Testreihen dazu sind langwierig und gelten weltweit als Zulassungsvoraussetzung für Implantate und Medikamente.

Funktion & Aufgabe

Implantate können mittlerweile Körperfunktionen unterstützen oder sogar ersetzen. Sie können ebenso gut ästhetischen Nutzen haben und damit zur psychischen Gesundheit von Patienten beitragen.

In der Implantologie nutzt die Biokompatibilität der Implantate dem Patienten insofern, als dass das Risiko für Abstoßungsreaktionen oder Vergiftungen durch die Werkstoffprüfung so gering wie möglich gehalten wird. Auch im Zusammenhang mit Medikamenten verhindert die Sicherstellung der Biokompatibilität Vergiftungserscheinungen oder anderweitige Unverträglichkeiten.

Falls ein Werkstoff oder Material in der Kompatibilitätsprüfung nicht kompatibel eingestuft werden kann, ist er biotolerant, bioinert oder bioaktiv. Biotolerante Produkte können mehrere Monaten oder sogar Jahre im menschlichen Körper verweilen, ohne schwerwiegenden Schäden anzurichten. In der Gewebereaktion treten teils geringe Mängel auf. Nach der positiven Testung ist neben der Zersetzung auch die Zellveränderung und die toxische Wirkung in der untersuchten Einsatzzeit ausgeschlossen. Bioinerte Produkte rufen keine chemischen oder biologischen Wechselwirkungen mit Geweben hervor. Toxischen Substanzen werden durch diese Materialien kaum ins Gewebe freigesetzt.

Die Wechselwirkung zwischen Werkstoff und Körper ist hinreichend gering und nur wenige Substanzen gehen in den Körper über. Biotonierte Materialien werden in nichtadhärente Bindegewebskapselungen eingeschlossen, lösen keine Abstoßungsreaktion aus und reagieren korrosionsbeständig auf das biologische Milieu. Der Werkstoff ist in der Regel thermisch stabil, refraktär und passivierbar. Vor allem medizinische Keramiken, Kunststoffe und Metalle fallen in diese Biokompatibilitätsgruppe.

Bioaktive Materialien spielen vor allem für die Endoprothetik eine Rolle. Die Endoprothetik bezeichnet die Reaktion eines Knochens auf das Implantat dann als bioaktiv, wenn eine Adhäsion des Knochens an der Implantatgrenze möglicht ist.

Bioaktiv werden Materialien durch Beschichtung. Meist wird eine bioinerter Werkstoff durch Weiterverarbeitung bioaktiv gemacht. Das Implantatmaterial bioaktiver Stoffe wird zu Knochenmaterial. In anderen Fällen wird mit dem Begriff der Bioaktivität das aktive Körperbestreben bezeichnet, dem Implantat langfristig eine bestimmte Funktion zu überlassen. Kohlenstoffe, Keramiken und Bioglasprodukte sind typische Materialien mit Bioaktivität.

Die Biokompatibilität kann auch in der Abfallwirtschaft eine Rolle spielen. Bei Abwässern ist die Biokompatibilität so zum Beispiel ein Maß der biologischen Abbaubarkeit von verunreinigenden Stoffen.


Krankheiten & Beschwerden

Die Biokompatibilität von Implantaten ist im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen von höchster Relevanz. Bei verschiedenen Herzerkrankungen kann zum Beispiel der Einsatz eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators oder Herzschrittmachers erforderlich sein. Ebenso relevant können Implantate und die Biokompatibilität im Zusammenhang mit Gefäßerkrankungen sein, da sie gegebenenfalls Stents oder Gefäßprothesen erforderlich machen. Bei Augenerkrankungen dienen Retina-Implantate als Sehprothesen. In der Zahnmedizin finden Zahnimplantate als Fixation für künstliche Zähne Verwendung. Andere Implantate dienen als Depotbildung für einen bestimmten Arzneistoff.

Die Biokompatibilität im Sinne der Bioaktivität entscheidet bei vielen dieser Implantate, inwieweit der Eingriff der Symptomlosigkeit des Patienten nützlich sein wird. Eine tatsächlich bioaktive künstliche Herzklappe wird vom Körper zum Beispiel voll angenommen. Der Organismus teilt dem Implantat so aktiv die Aufgaben zu, die das Herz aufgrund der Herzerkrankung selbst nicht übernehmen kann. Wenn die Bioaktivität des Implantats zu niedrig ist, kommt es nicht zu einer solchen aktiven Funktionsübertragung durch den Organismus des Patienten. Das Implantat wird abgestoßen und der Therapieweg zeigt keine Erfolge.

Die Abstoßung von künstlichen Implantaten aufgrund von geringer Bioaktivität kann abhängig von der Form des Implantats teilweise lebensgefährlich sein. In anderen Fällen rufen medizinische Werkstoffe durch eine zu geringe Biokompatibilität Vergiftungen oder systematisch immunologische Entzündungen hervor. Ein solcher Zusammenhang ist in der modernen Medizin aufgrund der strengen Prüfungen auf Biokompatibilität heutzutage nahezu ausgeschlossen.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Hausamen, J.-E., et al.: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Springer, Heidelberg 2012
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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