Bonding

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bonding ist der emotionale Abschluss der Geburt. Der enge Kontakt zwischen Mutter und Kind ist besonders wichtig für die gesunde, emotionale Entwicklung des Säuglings. Der Herzschlag der Mutter ist ein entscheidendes Signal, das beim Baby Stress abbaut und emotionale Stabilität erzeugt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Bonding?

Bonding ist der emotionale Abschluss der Geburt. Der enge Kontakt zwischen Mutter und Kind ist besonders wichtig für die gesunde, emotionale Entwicklung des Säuglings.

Die Bonding (Bindungstheorie) ist eine psychologische Theorie wurde bereits in den 1940er Jahren von Kinderpsychiater John Bowlby, Psychoanalytiker James Robertson und Psychologin Mary Ainsworth entwickelt. Die Wissenschaftler betrachteten die frühe Mutter-Kind-Beziehung unter emotionalen Aspekten, was bis dahin nicht üblich war. Heute ist diese Theorie allgemein anerkannt.

Erst in den 1970er Jahren fand die Bindungstheorie auch in Deutschland und im restlichen Europa Verbreitung. Sie geht von der Annahme aus, dass Menschen ein angeborenes Bedürfnis besitzen, zu ihren Mitmenschen enge und gefühlsintensive Beziehungen aufzubauen.

Beim Bonding hat die Nähe zur Mutter oberste Priorität. Aufgrund des Wissens über die Bedeutung der frühen emotionalen Bindung zwischen Mutter und Kind wird das Neugeborene nach einer komplikationslosen Geburt direkt auf den Bauch der Mutter gelegt. Mutter und Kind sowie der bei der Geburt anwesende Vater stehen noch unter dem Einfluss von Hormonausschüttungen.

Die drei Beteiligten verlangsamen nun Herzfrequenz und Atmung und haben ein geringeres Schmerzempfinden. In diesen Momenten hat das Liebes- und Bindungshormon Oxytocin seinen größten Einfluss.

Funktion & Aufgabe

Da das Baby nach der Geburt nicht mehr unter dem Einfluss der Geburtsmedikamente steht, reagiert es mit einem breiten Spektrum an Gefühlen. Umgehend kommunizieren die Eltern mit ihrem Kind, erreichen intuitiv einen Zustand von Gelassenheit und beschäftigen sich intensiv mit dem Neugeborenen.

Das Baby ist interessiert, freudig, überrascht und fühlt sich vielleicht auch unbehaglich. Die intensiv erlebte „Haut auf Haut“-Phase ist das eigentliche Bonding und sollte mindestens zwei Stunden dauern. Die Zeit ist für die spätere Bindungsfähigkeit des Neugeborenen entscheidend. Bonding fördert das Vertrauen zwischen Mutter, Vater und Kind. Daher sollten Eltern direkt nach der Geburt mit Ihrem Kind ungestört zusammen sein können und dies auch einfordern.

Babys weltweit verhalten sich nach der Geburt sehr ähnlich. Sie suchen Wärme, Schutz, Zuwendung und Geborgenheit. Da Babys sich nicht selbst versorgen können, müssen sie schnellstmöglich Bezugspersonen finden, die sich um sie kümmern. In der Regel sind das die Eltern. Jetzt beginnt die Bonding-Phase, in der sich das emotionale Band zwischen Eltern und Kind entwickelt.

Etwa 10 Minuten nach der Geburt öffnet das Baby die Augen, macht instinktiv Suchbewegungen und nimmt den Geruch der Eltern wahr. Nach etwa einer Stunde beginnt es an der Brust zu saugen. Auch die Mutter wird unter dem Einfluss des Hormons weicher und zuwendungsfähiger. Gleichzeitig fördert Oxytocin die Kontraktionen der Gebärmutter und die Abstoßung der Plazenta. Auch die Blutungsneigung wird geringer.

Wenn Babys diese ersten beiden Stunden auf Bauch, Brust oder Armen der Mutter liegen, weinen sie äußerst selten. Der Hautkontakt zwischen Vater und Baby ist ebenso wichtig und stärkt ihre Beziehung. Insgesamt ist das ganze erste Lebensjahr entscheidend für die emotionale Stabilität des Babys. In dieser Zeit sind Schmusen und freundlicher Blickkontakt extrem wichtig.

Diese frühen Erfahrungen mit dem Kind prägen auch die emotionale Ausdrucksfähigkeit des Vaters, von der die ganze Familie profitiert. Bonding wirkt, bildlich gesprochen, wie emotionaler Klebstoff. Fehlt es, zeigen Kinder später emotionale Schwierigkeiten.


Krankheiten & Beschwerden

Ein Sicherheitsgefühl entwickelt das Baby vor allem aus der Erfahrung, wie die Eltern auf seine Bedürfnisse reagieren. Der Säugling drückt seine Gefühle durch Körpersprache aus. Diese müssen Eltern richtig interpretieren lernen. Das wichtigste in der ersten Zeit ist Hautkontakt. Über die Haut prägen sich Eltern und Kind den Duft des anderen ein, die Wärme vermittelt dem Baby Geborgenheit.

Die Intensität der Beziehungen hängen von der erlebten Intimität zwischen Eltern und Kind ab. Die körperliche Nähe ist im ganzen ersten Lebensjahr wichtig und kann sich nur durch ständigen Kontakt festigen, wobei die Eltern lernen, sich in ihr Kind hineinzuversetzen.

Menschen, denen Bonding fehlte, zeigen später Verhaltensweisen, die Babys mit Bonding nicht aufzeigen. Untersuchungen ergaben, dass Kinder, die nicht sofort nach der Geburt auf den Bauch der Mutter gelegt wurden, unruhiger waren. Sicher gebundene Babys zeigten dagegen in der Folgezeit mehr Interesse an ihrer Umwelt, waren ausgeglichener und hatten weniger Angst vor Neuem.

Die Störung in der ersten Prägungsphase kann sich auf das seelische Gleichgewicht und das Zugehörigkeitsgefühl des Babys auswirken. Nach Möglichkeit sollten daher Trennungen zwischen Eltern und dem Neugeborenen vermieden werden, denn die Trennung erlebt das Baby als Gewalt und hat Gefühle seelischer Not, von Verlassenheit und Aussichtslosigkeit.

Die Erfahrung, dass auf seine existenziellen Bedürfnisse nicht geantwortet wird, kann im späteren Leben Frustrationen, geringen Selbstwert, Schmerz und Aggressionen erzeugen. Das kann sich im Erwachsenenleben in unglücklichen Beziehungen, dem Gefühl von Ausgeschlossenheit und allgemeiner Unzufriedenheit ausdrücken.

Dennoch sollten Eltern sich nicht verunsichern lassen, wenn sie beispielsweise durch eine akute Krankheit nicht sofort mit dem Baby Kontakt haben können. Zwar stellt Bonding emotionale Weichen, doch diese sind nicht in Stein gemeißelt. Auch später gibt es immer wieder Möglichkeiten, die Beziehung zum Baby eng und emotional zu gestalten.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Schneider, H., Husslein, P., Schneider, K.T.M.: Die Geburtshilfe. Springer, Berlin Heidelberg 2011
  • Stiefel, A., Geist, C., Harder, U.: Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Hippokrates, Stuttgart 2012

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