Dünndarmfehlbesiedlung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit einer Dünndarmfehlbesiedlung wird eine Überbesiedlung des Dünndarms mit Mikroben von mehr als einhunderttausend Keimen pro Milliliter bezeichnet. Die mikrobielle Fehlbesiedlung äußert sich in vielen unspezifischen Symptomen wie Bauchschmerzen, Blähungen, chronischer Diarrhoe und führt zu einer Schädigung der Darmzotten. In weiterem Verlauf kommt es zu einer Malassimilation und damit verbundenem Gewichtsverlust sowie zu Mangelerscheinungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Dünndarmfehlbesiedlung?

Der gesunde Dünndarm besitzt mehrere Schutzmechanismen, mit denen er sich vor einer Fehl- und Überbesiedlung schützt. Ein passiver Schutz vor Besiedlung durch Dickdarmbakterien erfolgt durch die Bauhin-Klappe (Ileozäkalklappe), die sich am Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm befindet.
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Unter einer Dünndarmfehlbesiedlung (DDFB) versteht man eine mikrobielle Überbesetzung des Dünndarms. Dabei gelten hunderttausend Keime pro Milliliter als unterer Grenzwert für eine DDFB. Der angelsächsische Ausdruck small intestinal bowel (bacterial) overgrowth (SIBO) trifft den Sachverhalt noch präziser.

Der Dünndarm schließt sich direkt an den Magen an und grenzt sich durch die Ileozäkalklappe, auch Bauhin-Klappe genannt, vom Dickdarm ab. Vereinfacht ausgedrückt, findet im Dünndarm die enzymatische Aufspaltung der Hauptnährstoffe statt, und durch die Darmzotten erfolgt die Resorption der aufgespaltenen Stoffe sowie der Vitamine und eines Teils der Mineralstoffe. Der gesunde Dünndarm ist im Vergleich zum Dickdarm nur schwach von Darmmikroben besiedelt.

Normalerweise befinden sich im Dünndarm etwa eintausend bis zehntausend Keime pro Milliliter Darmschleim. Im Gegensatz dazu ist der Dickdarm mit hundert Milliarden bis eine Billion Keimen pro Gramm Darmschleim besiedelt. Die Dünndarmfehlbesiedlung entspricht daher gleichzeitig einer mikrobiellen Fehl- und einer Überbesiedlung.

Ursachen

Der gesunde Dünndarm besitzt mehrere Schutzmechanismen, mit denen er sich vor einer Fehl- und Überbesiedlung schützt. Ein passiver Schutz vor Besiedlung durch Dickdarmbakterien erfolgt durch die Bauhin-Klappe (Ileozäkalklappe), die sich am Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm befindet. Sie verhindert außerdem wie ein Rückschlagventil einen Reflux des Nahrungsbreis vom Dickdarm in den Dünndarm.

Ein aktiver Schutz besteht in den antibiotischen Stoffen, die die Paneth-Zellen im Dünndarm produzieren und verhindern, dass sich eine Fehlbesiedlung einstellt. Wenn die genannten und noch weitere Schutzmechanismen ausfallen, kann sich eine DDFB einstellen. Hauptursachen für das Auftreten der Dünndarmfehlbesiedlung sind eine defekte Ileozäkalklappe und das sogenannte Kurzdarmsyndrom.

Das Kurzdarmsyndrom kann durch eine künstliche, eine erworbene oder in seltenen Fällen auch angeborene Verkürzung des Dünndarms entstehen. Ausgangspunkt der DDFB ist dann meist eine stillgelegte oder inaktive Darmschlinge, in der die Passage des Darminhalts stark verlangsamt ist. Eine verlangsamte Passage kann auch die Folge einer Störung der natürlichen Peristaltik sein. Weitere verursachende Faktoren können in einer zu geringen Säureproduktion des Magens liegen oder in einer verminderten Zufuhr von Verdauungsenzymen aus Pankreas und Galle.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die auftretenden Hauptsymptome lassen sich meist auf eine verstärkte Bildung von Verdauungsgasen zurückführen und auf eine verminderte Resorptionsfähigkeit des Dünndarms, so dass es durch eine Malassimilation zu typischen Mangelerscheinungen kommen kann, die gesundheitliche Symptome und Beschwerden auslösen.

Eine verstärkte Gasbildung führt zu Blähbauch und verursacht Bauchschmerzen an wechselnden Stellen, weil das Gas nicht auf natürlichem Weg ausgeleitet werden kann, sondern hauptsächlich in das Blut diffundiert und in der Lunge „abgeatmet“ wird. Häufig werden die Leitsymptome durch chronischen Durchfall und durch Darmentzündungen begleitet, die zu Gewichtsverlust führen.

In vielen Fällen ähneln die Symptome denen eines Reizdarms. In weniger häufigen Fällen - vor allem als Folge des Kurzdarmsyndroms - kann es zu einer bakteriellen Aufspaltung von Gallensalzen kommen, so dass die Fettverdauung gestört wird und sich sogenannte Fettstühle bilden. Die bakterielle Fehlbesetzung im stillgelegten oder inaktiven Darmabschnitt führt unter anderem zu einem Vitamin-B12-Mangel, der als Hauptauslösefaktor für eine Anämie gilt.

Diagnose & Verlauf

Prinzipiell kann eine Probe aus Dünndarmschleim Aufschluss über die bakterielle Besiedlung liefern. Allerdings setzt das Verfahren eine aufwändige Dünndarmspiegelung voraus, vor allem, wenn Proben aus weiter unten liegenden Darmabschnitten entnommen werden sollen. Eine relativ elegante Methode bietet ein Atemlufttest, mit dem der Nachweis von Wasserstoff in der Atemluft geführt wird.

Als wirksam und aufschlussreich hat sich dabei Lactulose (nicht zu verwechseln mit Laktose) als Testsubstanz herausgestellt. Lactulose ist ein Disaccharid, das sich aus den beiden Monosacchariden Galactose und Fructose zusammensetzt. Lactulose wird normalerweise nicht im Dünndarm verstoffwechselt.

Falls es doch zu Wasserstoffbildung im Dünndarm kommt, was über den Atemtest nachgewiesen werden kann, gilt das als Hinweis auf eine DDFB. Unbehandelt hängt der Krankheitsverlauf von den Ursachenfaktoren ab. Wenn die Ursachen nicht erkannt und nicht behandelt werden, kann es zu schwerwiegenden Verläufen mit schlechter Prognose kommen. Allerdings ist die DDFB grundsätzlich gut behandelbar.

Komplikationen

Durch die Dünndarmfehlbesiedlung kommt es zu starken Beschwerden und Komplikationen im Bereich des Darmes und des Magens. In den meisten Fällen ähneln die Symptome einer Magen-Darm-Erkrankung. Der Patient leidet dabei an starken Schmerzen im Bauch und an Durchfall. Ebenfalls kann es zu Blähungen, Schwindel und Erbrechen kommen.

Oft verliert der Betroffene auch den Appetit, was sich in einem Untergewicht widerspiegeln kann. Durch den ständigen Durchfall kommt es zu einer Dehydrierung. Im schlimmsten Falle entzündet sich der Darm. Durch die Magen-Darm-Beschwerden ist es für den Betroffenen oft nicht mehr möglich, körperliche Tätigkeiten auszuführen, wodurch dieser in seinem Alltag eingeschränkt wird.

Auch die Nahrungsaufnahme ist nur noch eingeschränkt möglich. Die Behandlung erfolgt in der Regel durch Medikamente oder durch einen operativen Eingriff. Meistens kommt es dabei zu keinen weiteren Beschwerden oder Komplikationen. In einigen Fällen muss der Betroffene durch die Dünndarmfehlbesiedlung auf bestimmte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe verzichten.

Durch die Behandlung wird eine erneute Dünndarmfehlbesiedlung nicht vorgebeugt, sodass der Patient an dieser nochmals erkranken kann. Die Lebenserwartung wird durch diese Krankheit nicht eingeschränkt oder verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Dysbiosen im Darm nehmen zu, aber sie werden nur selten korrekt diagnostiziert. Fehlbesiedlungen im Dünndarm können über einen Wasserstoff-Atemtest festgestellt werden.

Im Internet finden sich Selbsttests, mit denen Menschen bei anhaltenden Verdauungsstörungen eine eventuell vorliegende Dünndarmfehlbesiedlung ermitteln können. Der Wasserstoff-Atemtest wird meist als Goldstandard der Diagnostik beschrieben. Der Besuch beim Gastroenterologen wird bei anhaltenden Darmbeschwerden angeraten. Der Grund: Der Atemtest kann bei Non-Respondern ein negatives Ergebnis zeitigen, auch wenn eine Dünndarmfehlbesiedlung vorliegt.

Häufig wird bei anhaltenden Gärungsbeschwerden infolge einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms die Eigendiagnose "Reizdarm" im Gedächtnis festgeschrieben, obwohl diese oft falsch ist. Auch eine Nahrungsmittelintoleranz liegt nicht immer vor.

Bei einer unsachgemäßen Eigenbehandlung kann sich das zugrunde liegende Problem verschlimmern. Reagieren die Betroffenen darauf mit der Meidung vermeintlich unverträglicher Lebensmittel, ist eine einseitige Ernährung die Folge. Statt ernährungsbedingte Mangelerscheinungen zu riskieren, wäre ein Besuch beim Gastroenterologen sinnvoller.

Eine Fehlbesiedlung des Dünndarms kann altersbedingt auftreten. Sie kann aber auch die Folge von Morbus Crohn oder einem Kurzdarmsyndrom sein. Wenn die Bakterienbesiedlung im Darm durcheinandergerät, sollte sie schnell wieder in Ordnung gebracht werden. Immerhin hängt die Funktionstüchtigkeit des menschliche Immunsystems mit dem korrekt arbeitenden Mikrobiom zusammen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung zielt in erster Linie auf eine Ursachenbeseitigung der DDFB ab. Eine Kausaltherapie kann beispielsweise in einem operativen Eingriff bestehen, der die Funktionsfähigkeit der Bauhin-Klappe wiederherstellt oder blinde Dünndarmschlingen oder Engpässe (Stenosen) beseitigt. Bei gestörter Versorgung des Dünndarms mit Gallensäften zielt eine Therapie auf die Wiederherstellung der Funktionen von Pankreas und Gallenblase ab.

Parallel dazu sind in vielen Fällen Aufbaupräparate und Vitaminersatztherapien notwendig. Die eigentliche DDFB spricht in der Regel auf bestimmte Antibiotika gut an, so dass anschließend eine Behandlung erfolgen kann, die den Aufbau eines dünndarmtypischen Mikrobioms unterstützt. Insgesamt kann die Prognose bei DDFB als günstig eingestuft werden, wenn die Ursachen und die DDFB selbst zielführend behandelt werden.

Aussicht & Prognose

Eine Dünndarmfehlbesiedlung kann in den meisten Fällen gut behandelt werden. Hierbei wirkt sich eine frühzeitige Diagnose immer positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.

In einigen Fällen sind die Patienten auf einen operativen Eingriff angewiesen. Weiterhin kann die Krankheit auch durch die Einnahme von Medikamenten gut besiegt werden, wobei es in der Regel nicht zu besonderen Komplikationen kommt. Sollte die Dünndarmfehlbesiedlung durch eine Allergie oder durch eine Unverträglichkeit auftreten, so muss der Betroffene auf den auslösenden Stoff verzichten.

Nur dadurch können die Symptome dauerhaft gelindert werden. Weiterhin kann auch Stress die Dünndarmfehlbesiedlung verstärken, sodass in vielen Fällen Entspannungsübungen die Krankheit lindern können.

Sollte die Erkrankung nicht behandelt werden, so kann sie zu schwerwiegenden Komplikationen am Darm führen. Im schlimmsten Falle kommt es dabei zu einem Riss im Darm, welcher zum Tode des Betroffenen führen kann. Dabei ist ein sofortiger operativer Eingriff notwendig. Ebenso führen die Beschwerden einer Dünndarmfehlbesiedlung häufig zu psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen. Bei einer rechtzeitigen Behandlung wird die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheit nicht verringert.


Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung einer Dünndarmfehlbesiedlung bestehen hauptsächlich in der Vermeidung von Stoffen, die die Entstehung einer DDFB begünstigen. Das gilt besonders für Nahrungsmittel, denen gegenüber eine individuelle Sensitivität oder eine Unverträglichkeit nachgewiesen wurde.

Grundsätzlich kann einer gesunden Lebensweise, in der natürlich belassene Lebensmittel und Bewegung eine Rolle spielen sowie Stressphasen, die sich mit Entspannungsphasen abwechseln, eine vorbeugende Wirkung zuerkannt werden.

Nachsorge

Die Dünndarmfehlbesiedlung kann im Rahmen einer Nahrungsmittelintoleranz oder eines Reizdarms auftreten. Beide können jedoch auch Ursache derselben sein. Auch eine Pankreas-Insuffizienz kann damit zusammenhängen. Die Dünndarmfehlbesiedlung geht oft von einer Erschlaffung der Ileozökalklappe aus.

Die Überbesiedlung des Dünndarms mit schädlichen Bakterien wird oft unterschätzt. Fehldiagnosen sind an der Tagesordnung. Erst wenn es zu anhaltenden Darmbeschwerden kommt, werden entsprechende Untersuchungen vorgenommen. Als Therapie kommen verschiedene Verfahren infrage. Es kann sich dabei um operative Verfahren handeln. Diese erfordern eine postoperative Nachsorge und eine längerfristige Beobachtung des Patienten.

In anderen Fällen werden bei einer Dünndarmfehlbesiedlung starndardmäßig Antibiotika verordnet. Schlagen diese nicht an, sprechen die behandelnden Ärzte von einer antibiotikaresponsiven Enteritis. Die Nachsorgemaßnahmen richten sich nach der Grunderkrankung. Sie sind außerdem bemüht, die Fehlbesiedlung im Dünndarm durch geeignete Maßnahmen auszugleichen. Infrage kommen Pro- und Präbiotika und Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an resistenter Stärke. Florakiller sollten gemieden werden.

Leider steht das Mikrobion im Dünndarm bei Hausärzten eher selten im Fokus der Interessen. Nicht die Ursache einer Störung wird behandelt, sondern das Symptom. Daher finden sich gerade bei der Dünndarmfehlbesiedlung viele erfolglose Selbstbehandlungsversuche. Auch die Nachsorge bei einem Gastroenterologen kann diesbezüglich mangelhaft sein. Der Diagnostik folgt bei Fehlbesiedlungen oft keine Therapie.

Das können Sie selbst tun

Eine Anpassung des Verhaltens im Alltag und Selbsthilfemaßnahmen können eine medikamentöse oder operative Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung (DDFB) gut unterstützen. Wichtig ist dabei, dass die Ursachen der DDFB richtig erkannt und gezielt therapiert werden.

Falls die Fehlbesiedlung des Dünndarms beispielsweise aufsteigend über die defekte Bauhin-Klappe (Ileozäkalklappe) erfolgt, ist es dringend notwendig, die Klappe operativ zu ersetzen oder sie wieder funktionstüchtig zu machen, damit sich keine erneute Fehlbesiedlung bilden kann.

In anderen Fällen liegen die Ursachen für die Entwicklung einer DDFB in einer verlangsamten Passage des Nahrungsbreis durch den Dünndarm aufgrund eines Kurzdarmsyndroms infolge einer stillgelegten Darmschlinge oder aufgrund verminderter Darmperistaltik. Ähnlich wirken sich eine zu geringe Säureproduktion im Magen oder ein verminderter Zufluss von Gallensäften und Verdauungsenzymen aus der Bauchspeicheldrüse in den Dünndarm aus.

Selbsthilfemaßnahmen zur Begleitung der antibiotischen Therapie bestehen in einer ausgewogenen Ernährung, die reich an Mineralstoffen, Vitaminen und Enzymen ist. Besonders günstig wirken sich fermentierte Lebensmittel wie beispielsweise Sauerkraut oder Joghurt aus.

Die Paneth-Zellen in der Darmschleimhaut werden dadurch in der Synthese eigener antibiotischer Stoffe zur Regulierung der bakteriellen Dünndarmbesiedlung unterstützt. Falls eine zu geringe Darmperistaltik der Verursacher der DDFB ist, besteht die Möglichkeit der Selbsthilfe durch Eigenmassage. In entspannter Rückenlage mit leicht angewinkelten Beinen wird der Bauch ohne Druckausübung leicht im Uhrzeigersinn kreisend massiert.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Messmann, H.: Klinische Gastroenterologie. Thieme, Stuttgart 2012

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