Desmale Ossifikation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der desmalen Ossifikation wird embryonales Bindegewebe in Knochen umgewandelt. Im Vergleich zur chondralen Ossifikation findet hier eine direkte Knochenbildung statt. Über die desmale Ossifikation entstehen insbesondere Schädel, Gesichtsschädel und Schlüsselbein.
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Was ist die desmale Ossifikation?
Die Ossifikation (Knochenbildung) kann auf zwei unterschiedlichen Wegen geschehen. So gibt es die chondrale und die desmale Ossifikation. Bei der chondralen Knochenbildung besteht bereits ein Grundgerüst aus Knorpelgewebe. Dieses wandelt sich in einem zweiten Schritt während der Ossifikation in Knochengewebe um. Alle Röhrenknochen und die Wirbelsäule bilden sich durch die chondrale Ossifikation.
Bei der desmalen Ossifikation ist ein Knorpelskelett jedoch nicht vorgebildet. Sie ist durch die direkte Knochenbildung aus embryonalem Bindegewebe gekennzeichnet. Über die desmale Ossifikation werden die Knochen des Schädels, des Gesichtsschädels und des Schlüsselbeins aufgebaut. Diese Knochen werden auch als Geflecht-, Deck-, Beleg- oder Bindegewebsknochen bezeichnet.
Auch die direkte Knochenheilung findet über eine desmale Ossifikation statt. Wenn nach der Entstehung eines Knochenbruchs immer noch intensiver Kontakt der Knochenenden über das Periost besteht, tritt eine beschleunigte Knochenheilung ohne Bildung des Kallus ein. Dabei werden aus dem Periost oder dem Endost Bindegewebszellen in Knochenzellen umgewandelt.
Funktion & Aufgabe
Bei der desmalen Ossifikation wandelt sich embryonales Bindegewebe direkt in Knochen um. Über die desmale Ossifikation werden keine Gelenkknochen oder die Knochen der Wirbelsäule, sondern die Schädel-, Gesichtsschädel- und Schlüsselbeinknochen gebildet. Die knochenaufbauenden Vorgänge beider Ossifikationsformen sind grundsätzlich gleich. Bei der desmalen Ossifikation besteht jedoch kein vorgebildetes Grundgerüst aus Knorpelgewebe.
Während bei der chondralen Ossifikation gleichzeitig Knorpelabbau und Knochenaufbau ablaufen, findet bei der desmalen Ossifikation nur der Knochenaufbau aus sogenannten Osteoblasten statt. Die Knochenheilung bei Frakturen kann in Anhängigkeit von der Art der Verletzung durch eine chondrale oder desmale Ossifikation ablaufen. Die desmale Ossifikation findet in diesem Fall nur statt, wenn noch ein engerer Kontakt beider Knochenbruchstücke besteht. So können sich aus den Osteoblasten des Periosts oder des Endosts direkt Knochenzellen bilden. Der Umweg über ein knorpelähnliches Kallusgewebe entfällt dabei. Sind diese intensiven Kontakte allerdings nicht mehr gegeben, erfolgt die Heilung über den Kallus (Narbengewebe)im Rahmen einer chondralen Ossifikation, welcher schrittweise in eine Knochenstruktur umgewandelt wird.
Bei beiden Formen der Knochenbildung entstehen zunächst Geflecht- oder Faserknochen aus den Osteoblasten des embryonalen Bindegewebes. In den Osteoblasten entwickeln sich Kalziumbläschen, welche aufplatzen und dabei Kalziumkristalle freisetzen. Dabei vergrößern sich die Kalziumkristalle unter der Bildung der Knochensubstanz aus Hydroxylapatit. Die kleinen Knochenkerne bilden den Ausgangspunkt für weitere Anlagerungen von Osteoblasten, welche die Mineralisierung fortführen.
Während dieser Vorgang bei der chondralen Ossifikation die vorgebildete Matrix aus Knorpelgewebe nutzt, wird bei der desmalen Ossifikation der Knochenaufbau appositionell (durch weitere Anlagerung an vorhandene Knochensubstanz) fortgeführt. Die zunächst entstandenen Faserknochen besitzen noch keine große mechanische Festigkeit, da die Kollagenfibrillen der Knochengrundsubstanz ungeordnet sind. Durch mechanische Reize kommt es in den ersten Lebensjahren oder nach der Ausheilung einer Knochenfraktur zum Knochenumbau, wobei stabile und organisierte Lamellenknochen entstehen.
Die Modellierung des Knochenumbaus wird durch die gemeinsame Arbeit von Osteoklasten und Osteoblasten bewerkstelligt. Osteoklasten sind mehrkernige Knochenmarkszellen, welche ähnliche Aufgaben wie Makrophagen erledigen. Sie bauen alte Knochenzellen ab und machen für neue Osteoblasten Platz, die dabei einen stabiler organisierten Lamellenknochen bilden.
Krankheiten & Beschwerden
Eine Kraniosynostose tritt jedoch auch im Rahmen von bestimmten erblich bedingten Erkrankungen wie dem Baller-Gerold-Syndrom, dem Jackson-Weiss-Syndrom oder dem Muenke-Syndrom auf.
Eine typische Störung der Ossifikation stellt die Rachitis dar. Dabei betrifft die Erkrankung sowohl die chondrale als auch die desmale Ossifikation. Bei der Rachitis handelt es sich um eine Aufnahmestörung von Kalzium. Ausgelöst wird die Erkrankung durch einen starken Mangel an Vitamin D in der frühen Kindheit. Etwa durch Stoffwechselstörungen, fehlender Sonneneinstrahlung oder mangelhafte Ernährung.
Vitamin D ist zwingend notwendig für die Resorption von Kalzium aus der Nahrung. Die Rachitis führt zu Muskelschwäche und weichen Schädelknochen. Dabei kommt es zur Fehlbildung der Kopfform. Gleichzeitig entwickeln sich Verkrümmungen an den Beinen, die spätere Haltungsschäden begünstigen. Die wichtigste Therapie der Erkrankung ist eine ausreichende Zuführung von Vitamin D.
Eine weitere Ossifikationsstörung ist die sogenannte Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta). Auch bei der Osteogenesis imperfecta ist sowohl die desmale als auch chondrale Ossifikation betroffen. Diese Erkrankung ist durch eine ungewöhnliche Zerbrechlichkeit der Knochen gekennzeichnet, die durch eine Genmutation des Kollagens vom Typ I im Bindegewebe hervorgerufen wird.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009