Dyspraxie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Wenn Kinder Probleme bei der Koordination von Bewegungen haben, kann eine Dyspraxie vorliegen. Dabei handelt es sich um eine lebenslängliche Störung beim Erlernen von Bewegungsabläufen. Die Ursachen lassen sich nicht behandeln, allerdings können gezielte Therapiemaßnahmen die Grob- und Feinmotorik der Patienten deutlich verbessern.
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Was ist Dyspraxie?
Dyspraxie ist eine lebenslang auftretende Koordinations- und Entwicklungsstörung, die auch als Syndrom des ungeschickten Kindes bezeichnet wird. Etwa acht bis zehn Prozent aller Kinder leiden unter der Störung. Jungs sind häufiger betroffen als Mädchen.
Dyspraxie-Patienten haben Probleme, Bewegungen und Handlungen in Einklang zu bringen oder können solche Aktionen nicht zielorientiert planen. Dadurch können sie nicht einfach das tun, was sie gerne tun möchten. Jede Aufgabe muss Schritt für Schritt durchdacht werden, um vom Anfang zum Ende zu gelangen. Will ein dyspraktisches Kind zum Beispiel seine Schnürsenkel binden, muss es zunächst genau wissen, wie der Schürsenkel fertig gebunden aussieht.
Ursachen
Eine planvolle und vorausschauende Handlung ist für jede Bewegung genauso notwendig wie die funktionierenden motorischen Fähigkeiten. Bei dyspraktischen Kindern funktioniert das allerdings nicht automatisch. Im Gegenteil: Sie müssen über jede Bewegung zuvor nachdenken. Dabei ist die Fähigkeit Bewegungsabläufe zu planen bei ihnen deutlich eingeschränkt, woraus sich die motorischen Schwierigkeiten ergeben.
Die genauen Ursachen der Dyspraxie sind noch nicht vollständig geklärt und müssen weiter untersucht werden. Fest steht nur, dass sie aus einer Schädigung des Gehirns resultieren. Möglicherweise ist die Störung eine Folge unreifer Neuronenentwicklungen. Oft ist sie Teil eines Kontinuums verwandter Koordinations- und Entwicklungsstörungen. Zum Beispiel tritt die Dyspraxie häufig in Verbindung mit Autismus, ADHS, dem Asperger-Syndrom, Dyslexie oder Dyskalkulie auf.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Dyspraxie äußert sich in grob- und feinmotorischen Störungen. Betroffenen Kindern fällt es schwer, Bewegungen und Handlungen zu erlernen und zu planen. Das heißt, gewisse Bewegungsabläufe können sie nicht speichern und bei Bedarf wieder abrufen. Des Weiteren haben sie Schwierigkeiten bei der gleichzeitigen Bewegung von Armen und Beinen.
Dadurch haben sie Probleme bei der Ausführung von Tätigkeiten, die gleichaltrige Kinder normalerweise durchführen. Dazu gehören zum Beispiel Schnürsenkel binden, einen Ball fangen oder einen Turm aus Holzklötzern bauen. Weitere Symptome sind das Entgleiten von Gesichtszügen sowie die unkontrollierte Bewegung einzelner Gliedmaßen.
In der Schule zeigt sich die Dyspraxie häufig in Form einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. Zahlen und Buchstaben werden verwechselt. Aus 18 wird 81, aus 6 wird 9 oder aus b wird p. Außerdem haben die betroffenen Kinder Probleme den Füller zu halten und gleichzeitig etwas zu schreiben. Hinzukommen Schwierigkeiten mit Formen, Längen, Größen, Richtungen und Raumbeziehungen.
Diagnose & Verlauf
Kindern mit der Diagnose Dyspraxie mangelt es an der Fähigkeit Bewegungsabläufe zu erlernen. Sie fallen aufgrund unkoordinierter Handlugen und Bewegungen auf. Außerdem brauchen sie deutlich länger, um gewisse Dinge zu lernen. Alltägliche Aufgaben, wie beispielweise das morgendliche Anziehen, können diese Patienten oft nicht bewältigen. Hinzukommen häufige Hänseleien durch Mitschüler während der Schulzeit.
Dyspraxie-Patienten werden von ihren Klassenkameraden als weniger intelligent und langsamer wahr genommen. Infolge kann sich langfristiges Mobbing stark auf die Psyche des Kindes auswirken. Außerdem können Depressionen aufgrund ständiger Misserfolge oder Unverständnis im sozialen Umfeld auftreten. Da Dyspraxie ein Leben lang besteht, ist eine frühzeitigt Diagnose äußerst signifikant. Nur dadurch können die Beschwerden erfolgreich verbessert werden.
Komplikationen
Aufgrund der Dyspraxie kommt es bei Kindern zu Komplikationen in den Bewegungsabläufen. Diese werden in der Regel nicht richtig erlernt. Falls die Dyspraxie nicht behandelt wird, kann es zu lebensgefährlichen Zuständen kommen, wenn das Kind bestimmte Bewegungen nicht durchführen kann. Die Störung kann den Alltag des Kindes extrem einschränken.
Es ist in der Regel nicht möglich, bestimmte Handlungen zu planen oder gezielt auszuführen. Dabei kommt es zu sozialen Schwierigkeiten und zu Konzentrationsstörungen. Oft können die Kinder in der Schule dem Geschehen nicht folgen und Gefahrensituationen nicht richtig einschätzen. Dabei kann es zu schweren Verletzungen kommen. In einigen Fällen treten auch unkontrollierte Bewegungen auf, welche zu Mobbing führen können.
Darüber hinaus wird der Alltag aufgrund einer Leseschwäche und eine Rechtschreibschwäche erschwert. Ebenso können Formen und Längen nicht richtig erkannt und zugeordnet werden, was den Lernerfolg stark hindert. Durch die eingeschränkten motorischen Fähigkeiten kommt es auch zu Beschwerden beim Essen und Trinken, sodass die Kinder auf die Hilfe von anderen Personen angewiesen sind. Die Behandlung zielt dabei vor allem auf die Komplikationen ab, die den Alltag erschweren, damit der Patient im Erwachsenenalter alleine leben kann. Dies ist allerdings nicht in allen Fällen möglich.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Da es bei der Dyspraxie nicht zu einer Selbstheilung kommt, muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Je früher die Krankheit behandelt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Krankheitsverlaufes beim Patienten. In der Regel muss der Arzt dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene Beschwerden bei der Koordination aufweist. Auch ein unsicherer Gang oder Schwierigkeiten bei einfachen Bewegungsabläufen können auf eine Dyspraxie hindeuten und sollten untersucht werden. Die meisten Betroffenen weisen dabei auch Beschwerden bei der Feinmotorik und der Grobmotorik auf, sodass auch bei diesen Beschwerden ein Arzt aufgesucht werden muss.
Vor allem bei Kindern ist eine frühzeitige Diagnose notwendig. Weiterhin können auch Beschwerden beim Lesen und Schreiben auf die Dyspraxie hindeuten, sodass das Kind eine spezielle Förderung in seinem Leben benötigt. Falls die Betroffenen unter Mobbing oder an Hänseleien leiden, sollte eine psychologische Betreuung eingeleitet werden. Die Diagnose selbst kann von einem Kinderarzt gestellt werden. Die weitere Behandlung wird allerdings mit Hilfe verschiedener Therapien bei den jeweiligen Fachärzten durchgeführt. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Dyspraxie in der Regel nicht beeinflusst.
Behandlung & Therapie
Besteht der Verdacht auf Dyspraxie wird der zuständige Kinderarzt zunächst eine Anamnese des Kindes durchführen. So können somatische und neurologische Schäden ausgeschlossen werden. Anschließend erfolgt eine Beurteilung der Schwierigkeiten in der Alltagsbewältigung des Patienten. Die Ursachen von Dyspraxie lassen sich bislang nicht behandeln.
Vielmehr können Eltern betroffener Kinder versuchen die grob- und feinmotorische Koordination ihres Sprösslings zu verbessern. Dazu bieten sich Methoden der Ergotherapie, Krankengymnastik oder Motopädie an. In der Therapie führen Kinder gezielte Bewegungsabläufe unter Anleitung durch und finden dadurch zu mehr Sicherheit. Je nach Ausmaß der Krankheit kann auch eine logopädische Behandlung notwendig sein.
Eine zielgerichtete mundtherapeutische Therapie kann beispielweise Probleme beim Essen und Trinken beheben. Zusätzlich sollten die Eltern betroffener Patienten für einen kontinuierlichen Tagesablauf sorgen. Jeder Tag sollte klar strukturiert sein und dem vorhergehenden stark ähneln. Vielen Kindern hilft es, wenn die Eltern mit ihnen bereits am Abend den nächsten Tag vorbereiten. Dafür können sie zum Beispiel gemeinsam das Frühstück bereitstellen und die Kleidung auswählen.
Zudem müssen Eltern ihr Kind besonders fördern und unterstützen. Dazu benötigt es Geduld, Fürsprache, Lob, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Gemeinsam sollten sie mit dem Kind über die Störung reden. Das führt häufig zu einer großen Erleichterung auf beiden Seiten. Hingegen führt unangebrachtes Tadeln des Kindes oft zu schweren Selbstzweifeln.
Aussicht & Prognose
Die Dyspraxie gilt nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand als nicht heilbar. Da die Ursachen der Erkrankung bis zum heutigen Tag nicht umfassend geklärt werden können, gibt es keine Therapiemethode, die zu einer Heilung der Dyspraxie führt. Dennoch können mit einem guten und individuellen Behandlungsplan deutliche Verbesserungen der Gesundheit des Patienten erzielt werden.
In einer Physio- sowie Ergotherapie werden die Möglichkeiten der Bewegungsabläufe gezielt trainiert und verbessert. Der Betroffene erlernt, wie er eine Alltagsbewältigung mit den vorhandenen Einschränkungen meistern kann. Einige Symptome bleiben jedoch trotz aller Bemühungen lebenslang erhalten. Dennoch ist mit den erlernten motorischen Fähigkeiten eine gute Lebensführung möglich. Das Wohlbefinden ist abhängig von dem Umgang des Patienten mit der Erkrankung im Alltag. Gelingt es dem Betroffenen, sich gut an die Dyspraxie anzupassen, wird ein erfülltes Leben möglich.
Kommt es zu weiteren Erkrankungen, verschlechtert sich die Prognose. Insbesondere bei psychischen Störungen oder mentalen Belastungszuständen ist eine Abwärtsentwicklung der erlernten motorischen Fähigkeiten erkennbar. Stabilisiert sich die Psyche und lebt der Erkrankte in einem fürsorglichen sowie verständnisvollen Umfeld, ist eine Linderung der Beschwerden erkennbar. Können Selbstzweifel überwunden werden und kann sich eine grundsätzlich optimistische Grundeinstellung zum Leben bewahrt werden, verbessern sich im Normalfall die Symptome.
Vorbeugung
Nach aktuellem Wissenstand gibt es einige Risikofaktoren, die eine Dyspraxie begünstigen. Dazu gehören Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt, wie zum Beispiel Wachstumsretardierungen des ungeborenen Kindes, Infektionen während der Schwangerschaft, ein geringes Geburtsgewicht oder eine Frühgeburt. Entsprechend sollten sich schwangere Frauen ausgewogen ernähren und generell auf eine sehr gesunde Lebensweise achten.
Nachsorge
Die Maßnahmen und Möglichkeiten der Nachsorge sind bei der Dyspraxie in der Regel sehr stark eingeschränkt. In erster Linie ist der Betroffene dabei auf eine umfassende Untersuchung angewiesen, die dabei schon frühzeitig erfolgen sollte. Nur durch die frühzeitige Diagnose der Dyspraxie können weitere Beschwerden oder Störungen in der kindlichen Entwicklung verhindert werden.
Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf. Aus diesem Grund sollten die Eltern schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Erkrankung einen Arzt aufsuchen, um eine Verschlechterung der Beschwerden zu verhindern. Die Behandlung der Dyspraxie erfolgt dabei in der Regel durch eine Therapie oder durch Maßnahmen der Krankengymnastik. Dabei kommt es nicht zu weiteren Komplikationen.
Eltern können mit dem Kind auch zu Hause einige Übungen aus diesen Therapien wiederholen und dadurch die Beschwerden weiterhin lindern. Häufig ist dabei die intensive Therapie und Pflege durch die Eltern oder durch andere Angehörige notwendig. Auch intensive und liebevolle Gespräche mit dem Kind sind dabei sehr sinnvoll. Die Eltern können auch Kontakt zu anderen Betroffenen der Dyspraxie aufsuchen, da es dabei häufig zu einem Austausch an Informationen kommt. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Kindes.
Das können Sie selbst tun
Dyspraxie ist zwar nicht heilbar, aber die stärksten motorischen Abweichungen können durch gezielte Förderung der betroffenen Kinder korrigiert werden. Voraussetzung dafür ist jedoch deren aktive Mitwirkung. Das wiederum kann nur erreicht werden, indem ihr Selbstwertgefühl gestärkt wird. Oft ist das Selbstbewusstsein der Betroffenen allerdings sehr stark eingeschränkt, was dann eine positive Entwicklung der motorischen Fähigkeiten verhindert.
Wenn das Kind länger für seine Hausaufgaben braucht, im Sport stets schlechte Leistungen bringt, Schwierigkeiten mit der räumlichen Orientierung hat oder seine Bewegungen nicht koordinieren kann, ist es daher besonders wichtig, ihm zunächst Trost zu spenden. Das schafft die Voraussetzung, mit ihm zusammen Strategien zu entwickeln, wie die Leistungen verbessert werden können.
Da die Informationsverarbeitungsprozesse bei Personen mit Dyspraxie anders ablaufen als bei den meisten anderen Menschen, müssen auch andere Lernstrategien zur Entwicklung der Grob- und Feinmotorik angewendet werden. Mithilfe dieser Strategien ist dann eine signifikante Verbesserung der motorischen Fähigkeiten möglich.
Dabei sollte jede Verbesserung der Leistung durch Lob und Fürsprache belohnt werden, da sie nur dadurch stabilisiert werden kann. Kontraproduktiv wären in diesem Zusammenhang ständiges Tadeln und Ungeduld. Vor allem sollte mit dem Kind über dessen Schwächen gesprochen werden, wobei ihm gleichzeitig das Gefühl vermittelt wird, dass es zwar dafür nichts kann, aber eine Verbesserung möglich ist.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
- Koletzko, B.: Basiswissen Pädiatrie. Springer Medizin Verlag, Berlin 2009