Elektromyographie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der Elektromyographie (EMG) handelt es sich um die Untersuchung elektrischer Funktionen der Skelettmuskulatur, anhand deren Aktivität sich die Muskel- und Nervenfunktion beurteilen lässt. Diese Untersuchungsmethode wird immer dann eingesetzt, wenn der Verdacht auf Erkrankungen des peripheren Nervensystems besteht, zu dem Muskeln und Nerven am Kopf, dem Rumpf sowie den Gliedmaßen gehören.
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Was ist die Elektromyographie?
Die Elektromyographie bestimmt die elektrische Aktivität der Muskeln. Je nach Reaktion eines Muskels auf Ruhe oder Anspannung kann festgestellt werden, ob eine bestimmte Erkrankung vorliegt.
Während ein Muskel im Ruhezustand keine elektrische Aktivität zeigt, ziehen sich bei Erregung der Muskelzellen die entsprechenden Muskelgruppen zusammen. Mittels Elektroden wird diese Aktivität gemessen und anschließend sicht- und hörbar gemacht.
Gesunde Muskeln reagieren dabei anders als kranke Muskeln. Durch Stärke und Art der bei einer Elektromyographie wirkenden Stromimpulse kann der Arzt Muskelfunktionen sowie mögliche Nerven- und Muskelerkrankungen beurteilen.
Geschichte & Entwicklung
Die Elektromyographie (EMG) hat ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert, als die Grundlagen der elektrischen Aktivität von Muskeln entdeckt wurden. Der italienische Wissenschaftler Luigi Galvani war einer der ersten, der in den 1790er Jahren die elektrische Stimulation von Muskeln in Froschbeinen untersuchte. Diese frühen Beobachtungen legten den Grundstein für das Verständnis der elektrischen Erregung von Nerven und Muskeln.
Die eigentliche Entwicklung der Elektromyographie begann jedoch erst im frühen 20. Jahrhundert. Der deutsche Physiologe Emil du Bois-Reymond und andere Forscher erkannten, dass Muskeln elektrische Signale erzeugen, die gemessen werden können. In den 1920er Jahren entwickelte der britische Physiologe Edgar Adrian die ersten Techniken, um die elektrische Aktivität von Muskeln aufzuzeichnen.
In den 1940er und 1950er Jahren wurde die EMG weiterentwickelt und erstmals klinisch eingesetzt. Der deutsche Wissenschaftler Joseph Erlanger und der amerikanische Forscher Herbert Jasper trugen maßgeblich zur Verbesserung der Aufnahmetechniken und der Interpretation von EMG-Signalen bei. Mit der Einführung besserer Nadeln und Elektroden wurde es möglich, spezifische Muskeln und deren Aktivität präzise zu untersuchen.
Seit den 1960er Jahren hat sich die EMG zu einem wichtigen diagnostischen Werkzeug in der Neurologie entwickelt. Sie wird zur Diagnose von Muskel- und Nervenerkrankungen eingesetzt und hat Anwendung in der Forschung, Physiotherapie und Sportmedizin gefunden. Moderne EMG-Geräte bieten heute verbesserte Aufnahmetechniken und umfassende Analysemöglichkeiten.
Einsatz & Indikation
Eine Elektromyographie (EMG) wird durchgeführt, um die elektrische Aktivität der Muskeln und der dazugehörigen Nerven zu untersuchen. Sie wird vor allem dann notwendig, wenn ein Arzt den Verdacht auf eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, der Nervenwurzeln oder der Muskulatur hat. Zu den häufigsten Gründen für eine EMG gehören Symptome wie Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, unklare Schmerzen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln.
Eine EMG ist notwendig, um verschiedene neurologische oder muskuläre Erkrankungen zu diagnostizieren oder zu bestätigen. Dazu gehören Nervenschädigungen wie beim Karpaltunnelsyndrom oder anderen peripheren Neuropathien. Auch bei Verdacht auf Wurzelschädigungen durch Bandscheibenvorfälle, die Nerven irritieren, wird eine EMG oft durchgeführt.
Bei muskulären Erkrankungen, wie Muskeldystrophien oder Myopathien, hilft die EMG, Veränderungen in der Muskelaktivität festzustellen. Sie wird auch eingesetzt, um neuromuskuläre Erkrankungen wie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder Myasthenia gravis zu erkennen, bei denen die Kommunikation zwischen Nerv und Muskel gestört ist.
Zusätzlich kann eine EMG nach Verletzungen oder Operationen verwendet werden, um den Heilungsverlauf von Nerven oder Muskeln zu überwachen. Insgesamt hilft die EMG, die Ursache von neuromuskulären Symptomen zu identifizieren und eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Vorteile & Nutzen
Die Elektromyographie (EMG) bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Untersuchungs- und Diagnosetechniken, insbesondere im Bereich der Neurologie und Muskeluntersuchungen. Einer der Hauptvorteile ist die Fähigkeit, die funktionelle Aktivität von Muskeln und Nerven in Echtzeit zu messen. Im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren wie MRT oder CT, die anatomische Veränderungen darstellen, liefert die EMG direkte Informationen darüber, wie Nerven und Muskeln zusammenarbeiten.
Ein weiterer Vorteil der EMG ist ihre hohe Empfindlichkeit bei der Erkennung von Nerven- oder Muskelschäden, die in frühen Stadien möglicherweise noch keine sichtbaren Veränderungen im Muskel oder Nervengewebe verursachen. Dies macht die EMG besonders nützlich, um Neuropathien, Muskeldystrophien oder Nervenschädigungen schnell zu diagnostizieren und gezielte Behandlungspläne zu entwickeln.
Die EMG ist auch in der Lage, zwischen neurogenen und myogenen Erkrankungen zu unterscheiden, was entscheidend für die richtige Diagnose und Therapie ist. Während bildgebende Verfahren eher strukturelle Informationen liefern, kann die EMG zeigen, ob die Ursache der Beschwerden in den Nerven, der neuromuskulären Übertragung oder in den Muskeln selbst liegt.
Darüber hinaus ist die EMG eine relativ schnelle und minimal-invasive Untersuchung. Sie erfordert keine umfangreiche Vorbereitung, dauert oft nur eine kurze Zeit und hat selten Nebenwirkungen, was sie für Patienten mit unklaren Symptomen zu einer zugänglichen und hilfreichen Methode macht.
Funktion, Wirkung & Ziele
Bevor eine Elektromyographie zum Einsatz kommt, ist eine körperliche Voruntersuchung des Patienten nötig, um eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Nur so können die Muskeln gezielt untersucht werden. Die Hautstelle über dem zu untersuchenden Muskel wird desinfiziert und anschließend werden dünne Nadelelektroden in den entsprechenden Muskel eingeführt. Diese messen die elektrische Spannung, die der Muskel im Ruhezustand und bei Anspannung erzeugt. Diese Spannung wird über einen Bildschirm in Form von Spannungskurven dargestellt und auch über Lautsprecher ausgegeben.
Die Elektromyographie ist in drei Schritte eingeteilt. Zunächst wird die Muskelaktivität während des Einstichs und in Ruhe gemessen. Anschließend erfolgt die Prüfung der Aktivität bei mäßiger Anspannung des Muskels. In einem letzten Schritt wird die Muskelaktivität bei größtmöglicher Muskelanspannung ermittelt. Ist der Muskel oder der dazugehörige Nerv geschädigt, so wird eine abweichende elektrische Aktivität festgestellt. Dabei können sich die Muskelaktionspotenziale, zum Beispiel in ihrer Zeitdauer, verkürzen oder verlängern und auch in ihrer Potenzialkurve erniedrigen oder erhöhen.
In der Regel werden bei der Elektromyographie zwischen drei und fünf Muskeln untersucht. Mittels konzentrischer Nadelelektroden lassen sich Potenzialschwankungen einzelner Muskelgruppen ableiten. Spezialnadeln dienen der Erfassung einzelner Muskelfasern (Einzelfasermyographie). Alternativ können auch Oberflächenelektroden auf den jeweiligen Muskel aufgelegt werden, jedoch können bei dieser Methode keine Rückschlüsse auf die Aktivität einzelner Muskelfasern gezogen werden, da hier das Aktionspotenzial ganzer Muskeln oder mehrerer Muskelgruppen gemessen wird. Eine Elektromyographie dauert ca. 15 bis 30 Minuten, in denen Einstichstelle und Einstichtiefe mehrmals verändert werden.
Bei einer Elektromyographie entstehende elektrische Aktivitätsmuster des untersuchten Muskels erlauben es, zwischen muskulär und nervlich bedingten Erkrankungen zu unterscheiden. Daher wird diese Untersuchungsmethode beispielsweise zur Diagnose von Muskelschwächen, Muskelentzündungen, Nervenverletzungen und zur Differenzierung bestimmter Nervenerkrankungen (Polyneuropathien) eingesetzt. Auch bei Verdacht auf Rückenmarkserkrankungen findet die EMG Anwendung. Häufig wird die Elektromyographie mit einer Elektroneurographie (ENG) kombiniert, die zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit dient.
Bei einigen Erkrankungen können mit Hilfe der Elektromyographie auch prognostische Aussagen in Bezug auf den Heilungsverlauf getroffen werden, beispielsweise bei Nervenverletzungen infolge eines Unfalls oder druckbedingter Nervenschädigungen und auch bei bestimmten Arten von Muskelentzündungen. Zudem erfordern verschiedene Behandlungsmethoden chronischer oder akuter Nerven- bzw. Muskelentzündungen mitunter eine exakte elektromyographische Einteilung der jeweiligen Erkrankung.
Durchführung & Ablauf
Eine Elektromyographie (EMG) verläuft in mehreren Schritten und wird üblicherweise von einem Neurologen oder einem speziell ausgebildeten Arzt durchgeführt. Zu Beginn der Untersuchung wird der Patient gebeten, den entsprechenden Muskelbereich zu entspannen, um die Messungen unter Ruhebedingungen durchführen zu können. Die Haut über dem zu untersuchenden Muskel wird gereinigt, um Störungen durch Hautfett oder Schmutz zu vermeiden.
Die EMG besteht aus zwei Hauptphasen: Nadel-Elektroden-EMG und Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (oft in Kombination verwendet).
Nadel-Elektroden-EMG: Eine feine Nadel wird direkt in den Muskel eingeführt. Diese Nadel fungiert als Elektrode, um die elektrische Aktivität des Muskels sowohl in Ruhe als auch bei leichter bis starker Muskelkontraktion aufzuzeichnen. Der Patient wird dabei aufgefordert, bestimmte Bewegungen auszuführen oder den Muskel anzuspannen. Die Nadel misst die Muskelaktivität und gibt Aufschluss darüber, wie gut die Nerven den Muskel steuern.
Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): In diesem Teil der Untersuchung werden Elektroden auf der Haut angebracht, um die Leitgeschwindigkeit der Nerven zu messen. Ein schwacher elektrischer Impuls wird über den Nerv gesendet, und die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung wird gemessen. Dies gibt Hinweise auf mögliche Nervenschäden oder -kompressionen.
Die Ergebnisse der EMG werden in Form von Wellen aufgezeichnet und von einem Neurologen ausgewertet. Die Untersuchung kann je nach Anzahl der getesteten Muskeln und Nerven etwa 30 bis 60 Minuten dauern.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Gewöhnlich treten bei der Elektromyographie keine ernsthaften Komplikationen auf. Die Einstiche der Nadelelektroden, die wesentlich dünner sind als die Injektionsnadeln zur Blutentnahme, sind mit denen bei einer Akupunktur zu vergleichen.
Die untersuchten Muskel- oder Nervenfasern werden durch die Elektromyographie nicht geschädigt. Der Muskel kann jedoch noch einige Tage nach der Untersuchung schmerzen oder sich taub anfühlen. Bei einer durch eine Erkrankung gestörten Blutgerinnung und auch bei der Einnahme gerinnungshemmender Medikamente sollte aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr auf eine Elektromyographie verzichtet werden.
Da die bei der Elektromyographie verwendete Nadeln Hautkeime in tiefer liegende Gewebsschichten weiterleiten können, sind Infektionen möglich, treten aber äußerst selten auf. Leidet der Patient an Erkrankungen, die durch Blut übertragen werden (AIDS, infektiöse Hepatitis), muss dies dem Untersucher unbedingt angezeigt werden, damit dieser entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen kann.
Alternativen
Falls eine Elektromyographie (EMG) nicht möglich oder nicht geeignet ist, stehen verschiedene alternative Verfahren zur Verfügung, um Nerven- und Muskelprobleme zu diagnostizieren.
Eine der häufigsten Alternativen ist die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG). Dieses Verfahren wird oft zusammen mit der EMG durchgeführt, kann aber auch allein angewendet werden. Es misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang eines Nervs weitergeleitet werden, und hilft dabei, periphere Nervenschäden oder -kompressionen zu erkennen. Im Gegensatz zur Nadel-EMG ist es nicht invasiv und daher für Patienten, die Schwierigkeiten mit Nadeln haben, besser geeignet.
Eine weitere Alternative ist die Magnetresonanztomographie (MRT), die verwendet wird, um strukturelle Veränderungen in den Muskeln, Nerven oder im Rückenmark sichtbar zu machen. Sie ist besonders nützlich bei der Diagnose von Bandscheibenvorfällen oder Tumoren, die Druck auf die Nerven ausüben. Obwohl sie keine direkte Information über die Muskelaktivität liefert, kann die MRT anatomische Ursachen für Nervenschäden aufzeigen.
Ultraschall der Nerven und Muskeln ist eine weitere Möglichkeit, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Der Ultraschall kann Nervenverdickungen, Verletzungen oder Muskelschäden in Echtzeit darstellen. Es ist ein nicht-invasives Verfahren und bietet den Vorteil, dass es mobil und relativ kostengünstig ist.
Für bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen kann auch die Elektroenzephalographie (EEG) oder die Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP) hilfreich sein, um die Nervenfunktion und die sensorischen Bahnen zu untersuchen, insbesondere wenn eine EMG nicht durchführbar ist.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Heidelberg 2007
- Grehl, H., Reinhard, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2008
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2008