Erythrämie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei der Erythrämie handelt es sich um eine besondere Ausprägung der myeloischen Leukämie mit akutem Verlauf. Grundsätzlich stellen etwa fünf Prozent aller Leukämien Erythrämien dar. Dabei existiert sowohl ein chronischer als auch ein akuter Typ der Erythrämie. Zu früheren Zeiten galt auch die Polycythaemia vera als Erythrämie.
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Was ist eine Erythrämie?
Die Erythrämie ist auch unter den synonymen Begriffen erythrämische Myelose und Erythroleukämie bekannt. Meist handelt es sich bei der Erythrämie um eine akute Form der myeloischen Leukämie. Die Erythrämie entwickelt sich in der Folge von entarteten Herstellungsvorgängen von Erythrozyten.
Dieser Prozess ist in der Medizin auch unter der Bezeichnung Erythropoese bekannt. Bei histologischen Untersuchungen von Patienten mit Erythrämie zeigt sich eine Überzahl an unreifen erythrozytären Zelltypen, den sogenannten Erythroblasten. Bedingt durch den gesteigerten Volumenanteil der Zellen nennen Mediziner diese Typen auch Megaloblasten.
Ursachen
Auf welche Weise die Erythrämie bei den betroffenen Menschen entsteht, ist derzeit noch Gegenstand der medizinischen Forschung. Denn die genauen Vorgänge bei der Pathogenese der Erythrämie sind in der heutigen Zeit noch nicht exakt bekannt. Grundsätzlich sind die Prozesse im Rahmen der Erythropoese entartet, sodass sich die Erythrämie entwickelt.
Bei der Erythropoese handelt es sich um den Prozess der Herstellung von roten Blutkörperchen. Dabei entstehen vermehrt unreife Erythrozyten, die im Vergleich zu anderen Blutkörperchen nur relativ kurz leben. Mediziner nennen diese Bestandteile des Blutes Erythroblasten. Weisen diese Blutkörperchen eine ungewöhnliche Größe auf, so handelt es sich um sogenannte Megaloblasten.
Im Rahmen der Erythrämie zeigen sich erhebliche Unterschiede bei der Größe der roten Blutkörperchen und deren Vorläufertypen. Zudem zeichnen sich die pathologischen Blutkörperchen durch eine abnorme Form im Vergleich zu gesunden Blutbestandteilen aus.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Erythrämie äußert sich bei den erkrankten Patienten in einer Reihe von charakteristischen Krankheitsanzeichen und pathologischen Beschwerden. Die Leitsymptome der Erythrämie bestehen in einer erhöhten Körpertemperatur sowie einer vergrößerten Leber und Milz. Da die von der Erythrämie betroffenen Menschen unter einem Mangel an Thrombozyten leiden, erhöht sich die Neigung zu Blutungen, etwa bei kleineren Verletzungen oder im Inneren des Körpers.
In der Folge davon geht mit der Erythrämie meist eine starke Anämie einher. Dadurch erhöht sich für die an der Erythrämie erkrankten Personen auch das Risiko, infektiöse Krankheiten zu erleiden. Sowohl Milz als auch Leber schwellen im Rahmen der Erythrämie deutlich an und sind ein typisches Merkmal für die akute Erythrämie.
Der reduzierte Anteil an Granulozyten im Blut erhöht für die Patienten mit Erythrämie ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, an Infektionen zu erkranken. Bleibt eine angemessene und rechtzeitige Therapie der Erythrämie aus, so versterben die betroffenen Menschen oft nach wenigen Monaten in der Folge der Krankheitssymptome und der damit einhergehenden Komplikationen.
Weitaus seltener als die akute Form taucht die chronische Erythrämie auf. Anders als der akute Typ der Erythrämie verläuft diese Krankheit oftmals wesentlich milder. Mitunter fällt eine Unterscheidung von der sideroblastischen Anämie schwer, denn bei beiden Erkrankungen liegt eine Störung der Eisenverwertung vor. Bei der chronischen Erythrämie sind die Erythroblasten allerdings geringeren Anomalien unterworfen.
Diagnose
Die ersten Anzeichen der Erythrämie geben den Patienten Anlass, umgehend einen Arzt zu konsultieren. Bei einer bestehenden Erythrämie ist stets zu bedenken, dass die Krankheit ohne adäquate Behandlung oftmals tödlich für die Betroffenen verläuft. Ein Allgemeinarzt nimmt das Beschwerdebild erstmalig auf und überweist den Patienten üblicherweise an einen Hämatologen oder einen vergleichbaren Spezialisten.
Bei der Anamnese identifiziert der behandelnde Facharzt die vorliegenden Symptome und erfragt den Beginn der Beschwerden. Das weitere Vorgehen bei der Diagnose der Erythrämie ähnelt zum Großteil jenen Verfahren, die auch bei anderen Formen der Leukämie zum Einsatz kommen. So stehen bei der klinischen Untersuchung der Erythrämie vor allem eine Punktion des Knochenmarks sowie diverse Analysen des Blutes im Fokus.
Die Diagnose der Erythrämie stützt sich überwiegend auf die Ergebnisse der Knochenmarkpunktion. Hier ergibt sich bei der Erythropoese eine Verlagerung nach links. Schwierig gestaltet sich häufig die Differentialdiagnose der Erythrämie, wobei der Arzt die Krankheit von anderen Unterformen der Leukämie abzugrenzen hat.
Komplikationen
In der Regel kommt es bei einer Erythrämie zu einer stark erhöhten Körpertemperatur. Diese ist auch mit einer Vergrößerung der Leber und der Milz verbunden, sodass es hierdurch zu Schmerzen in diesen Bereichen kommen kann. Der Betroffene leidet an einer erhöhten Gefahr für Blutungen. Dabei können schon kleinere Verletzungen zu starken Blutungen führen, die sich auch im Inneren ausbreiten können.
Der Betroffene leidet ebenfalls an einem erhöhten Risiko für Infektkrankheiten. Falls die Erythrämie nicht richtig oder nicht schnell genug behandelt wird, kommt es in der Regel zum Tode. Die Behandlung selbst mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt und durch Bluttransfusionen unterstützt. Der Patient muss sich dabei auf einen langen Aufenthalt in einem Krankenhaus einstellen.
In seltenen Fällen kommt es durch die Bluttransfusionen zu Komplikationen. Um das Wachstum von Krebserkrankungen zu verlangsamen, erhalten die Betroffenen auch Zytostatika. In den meisten Fällen kann die Erythrämie bei einer frühzeitigen Behandlung eingeschränkt und komplett behandelt werden.
Allerdings muss sich der Patient regelmäßig Kontrolluntersuchungen beim Arzt unterziehen. Durch die Behandlung ist nicht ausgeschlossen, dass die Erythrämie im weiteren Verlauf des Lebens nochmals auftreten kann. Bei einer richtigen Behandlung wird die Lebenserwartung nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die Beschwerden der Erythrämie sind in vielen Fällen leider nicht besonders charakteristisch und deuten nicht direkt auf die Erkrankung hin. Eine frühzeitige Diagnose erhöht allerdings die Chancen einer vollständigen Heilung der Erkrankung.
Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene über einen längeren Zeitraum an einer erhöhten Körpertemperatur leidet. Auch die starke Neigung zu Blutungen kann auf die Erythrämie hindeuten. Weiterhin gehören zu den Symptomen der Erkrankung auch eine vergrößerte Milz und Leber, die in einigen Fällen zu Schmerzen führen können.
Auch eine Anämie stellt sich ein, die zu dauerhafter Müdigkeit und Abgeschlagenheit des Patienten führen kann. Sollten diese Beschwerden ohne einen besonderen Grund und sehr häufig eintreten, so ist immer eine Untersuchung bei einem Arzt notwendig. In der Regel kann die Erythrämie direkt von einem Allgemeinarzt erkannt werden. Bei Kindern kann auch ein Kinderarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung richtet sich dann nach der jeweiligen Grunderkrankung, sodass dabei die Hilfe anderer Fachärzte notwendig ist.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Erythrämie beginnt so früh wie möglich nach der Stellung der Diagnose. Meist finden die therapeutischen Maßnahmen in einem spezialisierten Fachzentrum statt. Im Mittelpunkt der Behandlung der Erythrämie stehen Bluttransfusionen sowie medikamentöse Therapieansätze. Die Transfusionen gleichen die Verschiebungen in der Konzentration der verschiedenen Blutkörper aus und kompensieren auch die pathologischen Veränderungen der roten Blutbestandteile.
Da die Effekte der Bluttransfusionen bei der Erythrämie nur eine begrenzte Zeit anhalten, sind meist mehrere Transfusionen in festgelegten Abständen erforderlich. Begleitend erhalten die Patienten Zytostatika. Dabei handelt es sich um medizinische Wirkstoffe, die das Wachstum von Tumoren bremsen. Wichtig ist eine kontinuierliche Betreuung der Patienten, um den Erfolg der behandlungstechnischen Maßnahmen zu überprüfen und die Prognose der Erythrämie zu verbessern.
Aussicht & Prognose
Ohne Behandlung ist eine Erythrämie nicht heilbar und führt immer zum Tod. Die akute Erythrämie endet unbehandelt nach einigen Monaten tödlich. Bei der chronischen Erythrämie besteht unter diesen Bedingungen noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von ca. zwei Jahren. Unter Behandlung können jedoch gute Erfolge bei der Verlängerung der Lebenserwartung erzielt werden.
Die Therapie besteht hauptsächlich aus der Anwendung von Zytostatika und Bluttransfusionen. Zytostatika hemmen das Wachstum der Krebszellen. Bei ca. 70 Prozent der Patienten kann eine komplette Remission der Krebszellen erreicht werden. Jedoch je älter die Patienten sind, desto schlechter sprechen sie auch auf eine Chemotherapie mit Zytostatika an.
So wurde in Studien festgestellt, dass bei Betroffenen über 60 Jahre die Rate der kompletten Remission nur noch zwischen 30 und 60 Prozent liegt. Komplette Remission heißt jedoch nicht unbedingt, dass eine vollständige Heilung vorliegt. Bei Blutuntersuchungen sind lediglich keine Krebszellen mehr nachweisbar. Allerdings werden diese bei den meisten Patienten nicht vollständig abgetötet, sodass eine hohe Rückfallrate besteht. Nur 15 bis 25 Prozent aller Patienten erreichen eine Langzeitremission, sodass sie als geheilt angesehen werden können. Ob es sich um wirkliche Heilungen handelt, ist noch nicht eindeutig geklärt.
Eine vollständige Heilung kann nur durch eine Stammzelltransplantation erreicht werden. Diese wird aber nur in Ausnahmefällen bei jüngeren Patienten oder bei Patienten mit einer schlechten Ansprechbarkeit auf die Chemotherapie durchgeführt. Eine Stammzelltransplantation birgt die Gefahr von schweren Nebenwirkungen durch Immunreaktionen.
Vorbeugung
Konkrete Möglichkeiten zu einer wirksamen Prävention der Erythrämie sind nicht erprobt. Zwar sind bestimmte Mechanismen der Pathogenese der Erythrämie bereits erforscht, sie entziehen sich jedoch zum Großteil einem Einfluss der Medizin.
Nachsorge
Bei einer Erythrämie stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. Der Patient ist dabei in erster Linie auf die medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen, damit es nicht zu weiteren Kompilationen kommt. Dabei ist vor allem eine frühe Diagnose mit einer frühzeitigen Behandlung sehr wichtig, um die Krankheit richtig zu behandeln.
Da die Betroffenen durch die Erythrämie auf Transfusionen angewiesen sind, sollten diese regelmäßig durchgeführt werden. Weiterhin sind auch Infekte und andere Erkrankungen möglichst zu vermeiden, um das Immunsystem nicht noch mehr zu schwächen und zu belasten. Da die Erythrämie auch zur Ausbildung von Tumoren beitragen kann, sollten regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden, um diese schon frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Eventuell ist auch die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheit eingeschränkt. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung kann dabei sinnvoll sein und sich positiv auf den weiteren Verlauf auswirken. Im Falle von psychischen Verstimmungen ist die intensive und liebevolle Pflege durch die Eltern sehr wichtig, um diese Beschwerden zu lindern.
Das können Sie selbst tun
Bei einem Verdacht auf Erythrämie müssen die Betroffenen unverzüglich einen Arzt konsultieren. Keinesfalls darf versucht werden, die Krankheit selbst zu behandeln. Eine akute Erythrämie kann innerhalb weniger Monate zum Tod führen. Die wichtigste Selbsthilfemaßnahme besteht deshalb darin, die Symptome zu erkennen und zeitnah professionelle medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Typisch für die Krankheit sind eine erhöhte Körpertemperatur in Verbindung mit einer vergrößerten Leber und Milz. Die Organvergrößerungen sind für die Betroffenen selbst meist nicht wahrnehmbar. Die Krankheit geht aber aufgrund eines Mangels an Thrombozyten auch mit einer stark verschlechterten Wundheilung und einer ausgeprägten Anämie einher. Wer sich ständig müde und abgeschlagen fühlt, sehr blass ist und zudem bemerkt, dass selbst kleine Verletzungen stark und lange bluten, sollte unbedingt sofort einen Arzt konsultieren.
Die Patienten werden in der Regel mit Bluttransfusionen und der Gabe von Zytostatika behandelt. In der Naturheilkunde werden oft natürliche Zytostatika wie Amygdalin aus Steinobstkernen eingesetzt. Die Wirksamkeit solcher Mittel ist fragwürdig. Ihre Verwendung, nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, aber in der Regel harmlos. Andere in der Naturheilkunde bei Leukämie empfohlene Maßnahmen, wie etwa eine Ernährungsumstellung, können das Allgemeinbefinden verbessern und die Therapie der Krankheit unterstützen.
Quellen
- Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
- Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
- Sauer, R.: Strahlentherapie und Onkologie. Urban & Fischer, München 2009