Naturheilkunde
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Naturheilkunde, Naturheilpraxis oder naturheilkundliche Medizin basiert auf dem Prinzip der allen Organismen innewohnenden Lebenskraft. Diese natürliche Lebensenergie steuert alle körperlichen Prozesse wie Stoffwechsel, Fortpflanzung, Wachstum und Anpassung.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Naturheilkunde?
Die Heilverfahren der Naturheilkunde favorisieren einen ganzheitlichen Ansatz und setzen auf einen minimalen Einsatz von Chirurgie und Medikamenten.
Der Begriff Naturheilkunde leitet sich aus dem Grundanliegen, die Natur einer Krankheit zu verstehen, her und war insofern bis ins 19. Jahrhundert eng mit medizinischer Behandlung an sich verbunden. Erst mit der Entwicklung moderner Diagnose- und Behandlungsmethoden der heutigen wissenschaftlich-technisch geprägten Medizin wurde 1895 der Begriff Naturheilkunde geprägt, um das Wissen um bewährte herkömmliche Heilverfahren zu bewahren.
Heilung soll bei der Naturheilkunde weniger durch Behandlung von außen als vielmehr durch Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Körpers bewirkt werden. Dazu werden natürliche Methoden angewendet, die den Bewegungsabläufen und komplexen Wirkmechanismen des Körpers sowie ureigenen Grundprinzipien der Natur entsprechen. Naturheilkunde wird der Alternativ- oder Komplementärmedizin als ein Anwendungsgebiet zugeordnet.
Geschichte & Entwicklung
Die Geschichte der Naturheilkunde reicht weit zurück und hat ihre Wurzeln in den alten Hochkulturen. Bereits in der Antike nutzten Menschen natürliche Heilmethoden, basierend auf Beobachtungen der Natur und des menschlichen Körpers. Hippokrates, der als "Vater der Medizin" gilt, prägte um 400 v. Chr. den Ansatz, Krankheiten durch eine Balance von Körpersäften und natürliche Methoden wie Diät, Bewegung und Pflanzen zu behandeln. Auch in anderen Kulturen, wie im alten Indien (Ayurveda) und China (Traditionelle Chinesische Medizin), spielten natürliche Heilmethoden eine zentrale Rolle.
Im Mittelalter gerieten naturheilkundliche Ansätze in Europa in den Hintergrund, jedoch blieben sie in Klostermedizin und Volksheilkunde bestehen. Im 19. Jahrhundert erlebte die Naturheilkunde eine Wiederbelebung. Vincent Priessnitz und Sebastian Kneipp etablierten Methoden wie die Hydrotherapie und Kräuterheilkunde und legten den Grundstein für die moderne Naturheilkunde. Besonders Kneipps Lehren, die auf einer ganzheitlichen Behandlung von Körper und Geist basierten, fanden weite Verbreitung.
Im 20. Jahrhundert wurde die Naturheilkunde weiterentwickelt, indem traditionelle Methoden mit wissenschaftlichen Erkenntnissen kombiniert wurden. Heute umfasst sie Ansätze wie die Phytotherapie, Homöopathie und Akupunktur und wird als ergänzende oder alternative Medizin in vielen Ländern praktiziert.
Einsatz & Indikation
Eine Behandlung mit Naturheilkunde wird oft dann durchgeführt, wenn Patienten nach sanfteren und ganzheitlichen Therapieansätzen suchen. Diese Art der Behandlung wird vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Verdauungsproblemen, Migräne, Allergien oder Hauterkrankungen angewendet. Naturheilkundliche Methoden wie Phytotherapie, Homöopathie oder Akupunktur können hier unterstützend wirken, insbesondere bei Beschwerden, bei denen die Schulmedizin oft keine nachhaltige Linderung bietet.
Auch in der Prävention spielt die Naturheilkunde eine zentrale Rolle. Viele Menschen nutzen sie, um ihr Immunsystem zu stärken oder Stresssymptome wie Schlafstörungen und Nervosität zu reduzieren. Methoden wie die Hydrotherapie, Heilfasten oder die Anwendung von Heilpflanzen fördern die Selbstheilungskräfte des Körpers und tragen zur Erhaltung der Gesundheit bei.
Eine naturheilkundliche Behandlung wird oft notwendig, wenn Patienten auf chemische Medikamente nicht gut ansprechen oder diese Nebenwirkungen verursachen. Auch bei Menschen, die eine langfristige und sanfte Unterstützung wünschen, beispielsweise im Rahmen einer Ernährungsumstellung oder bei leichten Beschwerden wie Erkältungen, kann die Naturheilkunde sinnvoll sein. Sie wird häufig als ergänzende Therapie zur Schulmedizin eingesetzt, um den Heilungsprozess ganzheitlich zu unterstützen.
Vorteile & Nutzen
Die Naturheilkunde bietet einige Vorteile gegenüber konventionellen medizinischen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, insbesondere in Bezug auf ganzheitliche Ansätze. Ein wesentlicher Vorteil ist die Fokussierung auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Körpers. Anstatt Symptome zu unterdrücken, zielt die Naturheilkunde darauf ab, die Ursachen von Erkrankungen zu behandeln und das Gleichgewicht des gesamten Organismus wiederherzustellen. Dies geschieht häufig durch sanfte Methoden wie Kräutermedizin, Akupunktur, Homöopathie und Ernährungstherapie, die weniger Nebenwirkungen verursachen als manche schulmedizinische Medikamente.
Ein weiterer Vorteil ist die Prävention. Naturheilkundliche Ansätze legen großen Wert auf einen gesunden Lebensstil, der Krankheiten vorbeugt, bevor sie entstehen. Durch gesunde Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung können chronische Erkrankungen häufig verhindert oder deren Verlauf positiv beeinflusst werden.
Zudem wird in der Naturheilkunde oft mehr Zeit für den Patienten aufgewendet, um individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Behandler nehmen sich oft ausführlicher Zeit, um den gesamten Lebensstil und das Umfeld des Patienten zu betrachten, was zu einem tieferen Verständnis der Gesundheitsprobleme führt.
Die sanfteren Ansätze der Naturheilkunde eignen sich besonders für Menschen, die alternative Wege der Heilung suchen, oder für diejenigen, die bei schulmedizinischen Behandlungen empfindlich auf Nebenwirkungen reagieren.
Funktion, Anwendung, Wirkung & Ziele
In das breite Themenfeld der Naturheilkunde fallen sowohl Behandlungsmethoden der Volksheilkunde und Naturmedizin zur Eigenbehandlung als auch der fachlichen Betreuung durch Heilpraktiker und naturheilkundliche Ärzte. Die Behandlungsformen der Naturheilkunde sind von unterschiedlichen Graden der Akzeptanz durch die konventionelle medizinische Gemeinschaft geprägt.
Der Deutsche Bund für Naturheilkunde sieht Vinzenz Prießnitz (1799 bis 1851) als Vater der Naturheilkunde an. Später entwickelte der Pfarrer und Wissenschaftler Sebastian Kneipp daraus ein Therapiesystem mit 5 Säulen. Bewegung, Wasserheilkunde, Ernährung, Ordnungstherapie und Pflanzenheilkunde gelten noch heute als Grundbausteine der Naturheilkunde.
Die Bewegungstherapie, früher auch als Krankengymnastik bezeichnet, soll durch ein individuell angepasstes Trainings- und Behandlungsprogramm die zu behandelnde Person nach einer Verletzung oder Erkrankung wieder aufbauen. Als dynamischer Prozess der Naturheilkunde wird die Therapie mit zunehmender Belastbarkeit der Patienten dem Heilungsverlauf anpasst – die Übungen beginnen mit körperlicher Entlastung oder schmerzbedingter Schonung und reichen bis zur gezielten Belastung des Bewegungsapparates.
Die Wasserheilkunde (Hydrotherapie) wird in der Naturheilkunde neben Prävention, Regeneration und Rehabilitation für die Stabilisierung verschiedener Körperfunktionen eingesetzt. Die Naturheilkunde setzt hier vor allem auf die anregende Wirkung des Temperaturreizes der verschiedenen Aggregatzustände. Güsse mit warmen und kaltem Wasser, Saunabesuche, Bäder, Wickel oder Kompressen erreichen vielfältige therapeutische Wirkungen.
Ein komplexes Feld der Naturheilkunde ist die gesunde und ausgewogene Ernährung. Im Rahmen der Diätetik werden Behandlungen durch eine angemessene Schonkost unterstützt. Die Naturheilkunde orientiert hier vor allem auf eine langfristige Nahrungsumstellung, die den Körper entgiftet und den Stoffwechsel in der Waage hält. Durch verschiedene Fastenkuren können diese Prozesse befördert werden.
Hier knüpft in der Naturheilkunde auch die Ordnungstherapie an, die eine ausgewogene Lebensführung im Einklang mit der inneren und der äußeren Natur setzt. Nicht zuletzt ist die Pflanzenheilkunde eines der ältesten Elemente der Naturheilkunde bzw. medizinischer Behandlungen. Im Mittelpunkt steht die therapeutische Anwendung aufbereiteter Heilpflanzen als Tinktur, ätherische Öle, Tee oder Extrakt.
Durchführung & Ablauf
Eine naturheilkundliche Behandlung beginnt in der Regel mit einer ausführlichen Anamnese, bei der der Therapeut den Gesundheitszustand des Patienten ganzheitlich erfasst. Hierbei werden nicht nur aktuelle Symptome betrachtet, sondern auch Lebensgewohnheiten, Ernährungsweise, emotionale Verfassung und die Krankheitsgeschichte des Patienten. Dies soll helfen, die zugrunde liegenden Ursachen der Beschwerden zu erkennen.
Nach der Anamnese erstellt der Therapeut einen individuellen Behandlungsplan. Dieser kann verschiedene naturheilkundliche Verfahren beinhalten, abhängig von der Diagnose und den Bedürfnissen des Patienten. Häufig kommen pflanzliche Arzneimittel, homöopathische Mittel oder Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz, die den Körper bei der Heilung unterstützen sollen. Zudem spielen oft auch Maßnahmen zur Entgiftung oder Stärkung des Immunsystems eine Rolle.
Neben der Gabe von natürlichen Heilmitteln gehören oft auch körperliche Therapien wie Akupunktur, Massagen oder Bewegungstherapien zum Behandlungsansatz. Ein wichtiger Bestandteil der naturheilkundlichen Behandlung ist die Ernährungstherapie, bei der dem Patienten individuelle Ernährungsratschläge gegeben werden, um den Heilungsprozess zu unterstützen.
Im Verlauf der Behandlung erfolgen regelmäßige Kontrolltermine, um den Fortschritt zu überwachen und die Therapie bei Bedarf anzupassen. Dabei ist es üblich, dass der Heilprozess längerfristig begleitet wird, um eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen.
Risiken & Gefahren
Auch in der Naturheilkunde kann jede Behandlung ohne zuverlässige Diagnose Nebenwirkungen hervorrufen. Eine richtige Dosierung und perfekte Abstimmung kann dieses Risiko jedoch minimieren. Wie bei anderen Formen der Behandlung besteht bei der Naturheilkunde zudem die Gefahr von Fehldiagnosen.
Da den Verfahren der Naturheilkunde nach wie vor sehr großes Vertrauen entgegen gebracht wird, spielt vor allem das Niveau der Naturheilkunde-Ausbildung eine ausschlaggebende Rolle. So kann verhindert werden, dass Krankheiten, die nicht fachgerecht diagnostiziert werden, bei Fehldiagnose falsch oder nicht behandelt werden, während der Patient ungeeigneten Behandlungsprogrammen der Naturheilkunde ausgesetzt wird.
Andernfalls wird die Naturheilkunde leicht mit Quacksalberei in Verbindung gebracht. Eine umfangreiche Anamnese ist daher unbedingte Grundvoraussetzung und Selbstbehandlungen sollten nur in einem überschaubaren Umfang erfolgen. Andernfalls besteht die Gefahr akuter Verschlimmerung bzw. des Eintretens chronischer Krankheitszustände.
Riskant erscheint zudem der vollständige Verzicht einer Kooperation zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde. Viele Mediziner sind heute einer Kombination beider Heilansätze gegenüber aufgeschlossen und streben zum Wohle des Patienten eine geeignete Lösung an.
Alternativen
Neben der Naturheilkunde gibt es zahlreiche alternative Behandlungsverfahren, die ebenfalls als Ergänzung oder Alternative zur Schulmedizin eingesetzt werden. Eine der bekanntesten Methoden ist die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die unter anderem Akupunktur, Kräutermedizin und Qi Gong umfasst. TCM fokussiert sich auf die Harmonisierung des Energieflusses im Körper, um Krankheiten vorzubeugen und zu behandeln.
Ein weiteres Verfahren ist die Homöopathie, bei der stark verdünnte Substanzen verwendet werden, die in höheren Dosen ähnliche Symptome hervorrufen würden wie die Erkrankung, die behandelt werden soll. Homöopathie beruht auf dem Prinzip „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“. Ein kritischer Punkt an der Homöopathie ist, dass ihre Wirksamkeit wissenschaftlich umstritten ist, da die meisten Studien keinen signifikanten Unterschied zwischen homöopathischen Behandlungen und dem Placebo-Effekt nachweisen konnten.
Auch die Osteopathie ist ein verbreitetes Verfahren, das sich auf die manuelle Behandlung von Störungen im Bewegungsapparat konzentriert. Der Therapeut setzt gezielte Handgriffe ein, um Blockaden und Verspannungen zu lösen und so den Heilungsprozess zu fördern. Ein häufiger Kritikpunkt an der Osteopathie ist, dass ihre Wirksamkeit für viele Beschwerden nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist und die Therapieerfolge oft auf subjektiven Erfahrungen basieren, anstatt auf klaren, reproduzierbaren Studienergebnissen.
In Fällen, in denen naturheilkundliche Ansätze nicht ausreichen oder nicht geeignet sind, kann die Psychotherapie bei psychosomatischen Erkrankungen eine wertvolle Ergänzung sein. Ebenso kommen Physiotherapie und Ergotherapie in Frage, insbesondere bei chronischen Schmerzen oder nach Verletzungen.
Schließlich gibt es auch die Schulmedizin, die bei akuten, schweren oder komplexen Erkrankungen oft unverzichtbar ist. Sie basiert auf wissenschaftlich geprüften Methoden wie der Medikation, chirurgischen Eingriffen und modernen Diagnosetechniken wie MRT oder CT.
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Quellen
- Augustin, M., Schmiedel, V.,: Leitfaden Naturheilkunde. Urban & Fischer, München 2003
- Kraft, K., et al.: Lehrbuch Naturheilverfahren. Thieme, Stuttgart 2010
- Melchart, D. et al.: Naturheilverfahren. Schattauer, Stuttgart 2007