Fåhraeus-Lindqvist-Effekt
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt ist ein Phänomen der Blutströmung, das auf der Fluidität der Erythrozyten beruht und mit der Viskosität des Bluts in Zusammenhang steht. Die Viskosität ist in Gefäßen der Kreislaufperipherie mit engem Lumen niedriger, als in Gefäßen mit einem höheren Lumen. Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt verhindert vor allem Blutstau in den Kapillaren.
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Was ist der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt?
Menschliches Blut besitzt eine bestimmte Viskosität. Die Viskosität entspricht einem Maß für die Zähflüssigkeit von Körperflüssigkeiten. Je dünnflüssiger eine Flüssigkeit ist, desto niedriger ist ihre Viskosität. Eine Alternative ist die Messung der Viskosität mittels Dehnung.
Mit dem Begriff des Fåhraeus-Lindqvist-Effekts wird eine Abnahme der Blutviskosität bezeichnet, die mit einem abnehmenden Durchmesser der Gefäße und damit einer abnehmenden Dehnung einhergeht. Der Gefäßdurchmesser sinkt unter 300 µm und verhindert so einen Blutstau in den Kapillaren.
Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt beruht auf den natürlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der Erythrozyten. Das Phänomen gilt als Ursache dafür, dass die Viskosität des Bluts in Gefäßen der Kreislaufperipherie wegen des engen Lumens beträchtlich niedriger liegt, als in Gefäßen des zentralen Kreislaufs mit einem höheren Lumen. Die mit dem Effekt assoziierte Verformbarkeit der Blutkörperchen wird auch als Fluidität bezeichnet und gilt als Voraussetzung für das Phänomen Fåhraeus-Lindquist-Effekt.
Funktion & Aufgabe
Die Zellen werden von einem Randstrom aus Plasma umspült. Dieser Randstrom übernimmt beim Fåhraeus-Lindquist-Effekt die Aufgabe einer Gleitschicht. Offenbar fließt das Blut in diesen Bereichen fluider. Dieser Zusammenhang steht mit dem Einfluss des Hämatokrits auf die Höhe des peripheren Widerstands in Verbindung. Der Hämatokrit entspricht dem Volumenanteil zellulärer Blutelemente. Rote Blutkörperchen machen 96 Prozent davon aus und entsprechen dem größten Anteil. Der periphere Widerstand entspricht dem Strömungswiderstand im Körperblutkreislauf und ergibt sich aus der Summe aller peripheren Gefäßwiderstände.
Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt senkt den Hämatokriteinfluss auf den peripheren Widerstand in kleineren Blutgefäßen unter 300 µm. Das Phänomen verringert außerdem den Reibungswiderstand in diesen Gefäßen.
In größeren Blutgefäßen liegt dagegen eine hohe Reibung der strömenden Zellen vor. Der zellarme Randstrom verbreitert sich in größeren Zellen nicht effektiv. Dieser Zusammenhang lässt die Viskosität des Bluts ansteigen. Diese Viskosität nimmt auch in extrem engen Kapillargefäßen zu. Obwohl die Erythrozyten Fluidität besitzen, können sie sich ab einem gewissen Punkt nicht weiter verformen. Zusammenfassend ist die scheinbare Blutviskosität in Gefäßen von bis zehn Mikrometern durch den Fåhraeus-Lindqvist-Effektnur nur wenig höher als im Plasmas.
Die Viskositätsabnahme liegt an den Erythrozyten, die sich im Zentrum des Blutstroms wegen der kleineren Scherkräfte umso schneller fortbewegen. Aus diesem Grund verschieben sie sich vermehrt in Zentrumsnähe, was als Axialmigration bezeichnet wird. Auf diese Weise bildet sich eine zellarme Gleitschicht in der Randzone und die Fortbewegung der Flüssigkeit im Zentrum wird beschleunigt. Wegen ihrer Fluidität können sich Erythrozyten veränderten Schubspannungen anpassen und etwaige Störeffekte der Hämodynamik vermindern.
Krankheiten & Beschwerden
Pathologisch veränderte Blutgefäße können wiederum auf Erkrankungen wie Arteriosklerose zurückzuführen sein. Diese langsam fortschreitende Krankheit bleibt häufig viele Jahre lang asymptomatisch und wird in vielen Fällen erst spät diagnostiziert. Blutfette, Thromben oder Bindegewebe lagern sich bei der Arteriosklerose in den Blutgefäßen ab und lassen Plaques entstehen, die eine Verengung des Gefäßlumens hervorrufen. Eine so eingeschränkte Durchblutung begünstigt Folgeerkrankungen.
Neben oder zusammen mit Krankheiten wie Arteriosklerose können auch hohe Gefäßbelastungen und so entstehende Risse Störungen des Blutflusses und des Fåhraeus-Lindqvist-Effekts hervorrufen. Einblutungen durch Risse begünstigen zum Beispiel die Bildung von Thromben. Die Blutgefäße verlieren an Dehnbarkeit, werden starr und verhärten zusehends.
Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn sich die Zusammensetzung des Bluts verändert. Das ist zum Beispiel bei Flüssigkeitsmangel der Fall. Dasselbe gilt bei der Einnahme bestimmter Medikamente, so zum Beispiel bei Ovulationshemmern. Auch vermehrte Gerinnungsfaktoren nach Operationen oder größeren Verbrennungen verändern die Blutzusammensetzung.
Ein weiterer denkbarer Zusammenhang für veränderte Zusammensetzungen ist die Thrombozytenaggregation. Durch die genannten Phänomene werden häufig Thrombosen begünstigt. Als Risikofaktoren für Thrombosen gelten neben Übergewicht und einem hohen Lebensalter unter anderem ein regelmäßiger Nikotin- oder Alkoholmissbrauch, ein allgemeiner Hypertonus und Diabetes mellitus.
Außerdem können angeborene Anomalien der roten Blutkörperchen den Blutfluss und mit ihm den Fåhraeus-Lindqvist-Effekt stören. Genetische Veränderungen im Zusammenhang mit den roten Blutkörperchen zeigen sich zum Beispiel im Rahmen einer Sichelzellenanämie, die mit einer sichelförmigen Gestalt der roten Blutkörperchen assoziiert ist. Darüber hinaus haben Stoffwechselerkrankungen und Eisen- oder Vitaminmangel negative Auswirkungen auf den Erythrozytenhaushalt.
Da der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt den Blutstau in den Kapillaren verhindert, führen Störungen des Effekts unter Umständen zu einem kapillaren Blutstau und machen sich anfangs oft als Hautrötungen oder hervortretende Äderchen bemerkbar.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016