Hämodynamik
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Hämodynamik beschreibt das Fließverhalten des Blutes. Sie beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen des Blutkreislaufs und den Faktoren die auf den Blutfluss wirken, wie zum Beispiel Blutdruck, Blutvolumen, Blutviskosität, Strömungswiderstand, Gefäßarchitektur und -elastizität.
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Was ist die Hämodynamik?
Die Strömungsmechanik des Blutes wird von verschiedenen Parametern beeinflusst. Dadurch wird die Durchblutung von Organen und Körperregionen reguliert und an deren Bedarf angepasst. Die wichtigsten Parameter für die Regulation sind: Blutdruck, Blutvolumen, Herzzeitvolumen, Viskosität des Blutes sowie Gefäßarchitektur und -elastizität, was in der Medizin als Lumen eines Blutgefäßes bezeichnet wird. Die Steuerung erfolgt über das vegetative Nervensystem sowie über das endokrine System mit Hilfe von Hormonen.
Die Hämodynamik bestimmt nicht nur die Strömung des Blutes, sondern hat auch einen Einfluss auf die Funktion des Endothels und der glatten Gefäßmuskeln. Die arteriellen Blutgefäße besitzen durch ihren Wandaufbau eine gewisse Dehnbarkeit, das heißt sie können ihren Radius erhöhen oder erniedrigen.
Wird hoher Blutdruck registriert, so kann eine Vasodilatation, also eine Gefäßerweiterung, veranlasst werden. Über Ausschüttung vasodilatorischer Substanzen, wie zum Beispiel Stickstoffmonoxid, vergrößert sich der Radius des Blutgefäßes und damit sinkt der Blutdruck und die Fließgeschwindigkeit. Dies funktioniert umgekehrt genauso bei niedrigem Blutdruck und der Vasokonstriktion, der Engerstellung der Gefäße.
Funktion & Aufgabe
Unter physiologischen Bedingungen liegt fast überall im Gefäßsystem eine laminare Strömung vor. Das heißt, dass die Flüssigkeitsteilchen in der Mitte des Gefäßes eine deutlich höhere Geschwindigkeit haben, als die Flüssigkeitsteilchen am Rand. Daraus ergibt sich, dass sich die zellulären Bestandteile, vor allem die Erythrozyten, in der Mitte des Blutgefäßes bewegen, während das Plasma näher an der Wand strömt. Die Erythrozyten wandern schneller durch das Gefäßsystem als das Blutplasma.
Der Strömungswiderstand bei der laminaren Strömung wird durch die Änderung des Gefäßradius am effektivsten beeinflusst. Dies wird durch das Hage-Poiseuille-Gesetz beschrieben. Laut diesem ist die Stromstärke der 4. Potenz des Innenradius proportional, was bedeutet, dass bei einer Verdopplung des Durchmessers die Stromstärke um den Faktor 16 ansteigt. Unter bestimmten Bedingungen kann es auch zu einer tubulären Strömung kommen. Verwirbelungen sorgen für einen Anstieg des Strömungswiderstands, was für das Herz eine Mehrbelastung bedeutet.
Zudem hat auch die Viskosität des Blutes Einfluss auf den Strömungswiderstand. Mit zunehmender Viskosität steigt auch der Widerstand. Da die Zusammensetzung des Blutes variiert, ist die Viskosität keine konstante Größe. Sie ist abhängig von der Viskosität des Plasmas, dem Hämatokritwert und den Strömungsbedingungen. Die Viskosität des Plasmas wird wiederum von der Plasmaproteinkonzentration bestimmt. Werden diese Parameter berücksichtigt, spricht man von der scheinbaren Viskosität.
Im Vergleich dazu existiert die relative Viskosität, hierbei wird die Blutviskosität als Vielfaches der Plasmaviskosität angegeben. Der Hämatokrit beeinflusst die Blutviskosität insofern, dass eine Vermehrung der zellulären Bestandteile die Viskosität ansteigen lässt.
Da die Erythrozyten verformbar sind, können sie sich an verschiedene Strömungsbedingungen anpassen. Bei starker Strömung mit hoher Schubspannung nehmen die Erythrozyten eine widerstandsarme Form an und die scheinbare Viskosität sinkt drastisch. Umgekehrt ist es möglich, dass sich die Erythrozyten bei langsamer Strömung zu geldrollenartigen Aggregaten zusammenlagern. Im Extremfall kann dies zum Blutstillstand, der Stase, führen.
Die scheinbare Viskosität wird ebenfalls vom Gefäßdurchmesser beeinflusst. Die Erythrozyten werden in kleinen Blutgefäßen in den Axialstrom gedrängt. Am Rand bleibt eine dünne Plasmaschicht, die eine schnellere Fortbewegung ermöglicht. Die scheinbare Viskosität vermindert sich mit kleinerem Gefäßdurchmesser und führt zu einer minimalen Blutviskosität in den Kapillaren. Dies ist der sogenannte Fåhraeus-Lindqvist-Effekt.
Krankheiten & Beschwerden
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass sich in der Gefäßwand durch die höhere Belastung Risse bilden, was zur Einblutung und Thrombenbildung führt. Zusätzlich zur Einschränkung des Lumens durch die Ablagerungen werden die eigentlich dehnbaren Blutgefäße starr und es kommt zu einer zunehmenden Verhärtung.
Arteriosklerose führt durch die Durchblutungsstörung, je nach Lokalisation, zu verschiedenen Folgeerkrankungen. Besonders bedrohlich ist die Auswirkung in den Hirngefäßen, da dabei eine Störung der Hirnfunktion die Folge ist. Bei komplettem Verschluss von Arterien kommt es zum Schlaganfall. In den Koronararterien kann sich die koronare Herzkrankheit ausbilden. Ihr Spektrum reicht von einer asymptomatischen Form über die Angina pectoris bis zum Herzinfarkt.
Vor allem Raucher entwickeln oft die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Bein- oder Beckenarterien sind betroffen und mit zunehmendem Schweregrad wird auch die Gehstrecke kürzer die Betroffene zurücklegen können. Darum nennt man die PAVK umgangssprachlich auch "Schaufensterkrankheit".
Die Gefahr der Arteriosklerose geht allerdings nicht nur von der Lumeneinengung aus. Auch eine Abspaltung arteriosklerotischer Plaques oder Thromben kann zu lebensgefährlichen Komplikationen führen, wie zum Beispiel einer Lungenembolie oder Schlaganfall. Als Risikofaktoren für Arteriosklerose gelten Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und zu hohe Blutfettwerte.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013