Thrombozytenaggregation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Nach einer blutenden Verletzung leitet die Thrombozytenaggregation als wichtiger Schritt der Wundversorgung die Genesung ein. Sie sorgt dafür, dass sich innerhalb weniger Minuten Thrombozyten anlagern, die lädierte Stelle verkleben und auf diese Weise den Blutfluss verebben lassen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Thrombozytenaggregation?

Die ThrombozytenaggregationSie sorgt dafür, dass sich innerhalb weniger Minuten Thrombozyten (in Abbildung in weißer Färbung dargestellt) bei einer Wunde anlagern, die lädierte Stelle verkleben und auf diese Weise den Blutfluss verebben lassen.

Thrombozytenaggregation ist die Bezeichnung für einen wesentlichen Teilprozess während der Blutgerinnung. In der ersten Phase der Blutgerinnung (primäre Hämostase) sorgen die Thrombozyten (griechisch: thrombos, Klumpen) durch das Verklumpen und Zusammenlagern (lateinisch: aggregare, ansammeln) für einen primären Wundverschluss.

Begleitet wird der Vorgang durch eine Verengung der betroffenen Blutgefäße und die der Umgebung. Die Blutplättchen (Thrombozyten) verändern während des Verklumpens ihr Äußeres und die Eigenschaften an der Zelloberfläche. Die Formänderung des Thrombozyten legt an der Oberfläche agierende Rezeptoren frei, die nun aktiv werden. Über sie kann sich der aktivierte Thrombozyt an die Gefäßwand anheften.

Zudem laufen weitere Vorgänge ab, die die Blutstillung unterstützen. An der geschädigten Gefäßwand dirigieren etwa freigesetzte Faktoren die Thrombozyten an diese Stelle. Zusätzlich werden Stoffe freigesetzt, die Entzündungen verhindern und die nächsten Schritte der Blutgerinnung einleiten. Sie sorgen für einen dauerhaften Wundverschluss und schließlich für eine Heilung.

Funktion & Aufgabe

Die Thrombozytenaggregation verhindert einen größeren Blutverlust nach einer Verletzung. Dieser Prozess ist Bestandteil des Blutgerinnungssystems. Dieses System funktioniert als komplexes und fein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Zellen (Plättchen), Gerinnungsfaktoren und mehrerer Botenstoffe. Es läuft ähnlich wie eine Kettenreaktion ab.

Gerinnungsfaktoren sind überwiegend Eiweiße, die unter bestimmten Bedingungen aktiviert werden und wiederum selbst Reaktionen innerhalb der Gerinnung in Gang setzen oder beschleunigen. Die Gerinnungsfaktoren haben im medizinischen Gebrauch römische Nummern (von 1 bis 13) erhalten.

Die Thrombozyten leiten die Gerinnungsreaktion bei einer Schädigung an der Oberfläche ein. Der sich dahinter verbergende Vorgang läuft in drei Phasen ab. Die Adhäsion (lateinisch: anhaften) sowie die Aggregation der Thrombozyten und die Bildung eines, die Wunde verschließenden, Pfropfens. Die Zellwände der verletzten Gefäße beziehungsweise des Gewebes setzen einen gerinnungsaktiven Faktor, den sogenannten Von-Willebrand-Faktor, frei. Dabei handelt es sich um ein Eiweißmolekül, das von den Zellen in der inneren Gefäßwand (Endothelzellen) und den Vorläuferzellen der Blutplättchen synthetisiert wird. Er wird im Thrombozyten gespeichert und bei Aktivierung freigesetzt. Dieser Faktor ist für die Adhäsion der Blutplättchen (Anhaften an die Gefäßwand) verantwortlich, so dass diese die Wunde dünn bedecken.

Gleichzeitig wird auf diese Weise die Thrombozytenaggregation eingeleitet. Dies geschieht, indem nach der Aktivierung der Blutplättchen auch Gene aktiviert werden, die die Synthese eines für die Aggregation notwendigen Rezeptors in Gang setzen. Unter der Mitwirkung des Strukturproteins Kollagen, von Thrombin, einem wichtigen Enzym der Blutgerinnung, dem Nukleotid Adenosindiphosphat (ADP), von Hormonen wie Adrenalin und weiteren körpereigenen Substanzen verändern die Thrombozyten ihre Form. Dabei, werden weitere Komponenten freigesetzt und das betroffene Areal auf die nächsten Schritte der Blutgerinnung vorbereitet.

Eine Kaskade verschiedener Faktoren wird aktiviert. Während die Thrombozytenaggregation zunächst reversibel ist, wird schließlich ein Level erreicht, bei dem die Thrombozyten unter Beteiligung eines speziellen Proteins (Fibrinogen, Faktor I) vernetzen und sich ein irreversibler Thrombus (Blutgerinnungspfropf) bildet.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen der Thrombozytenaggregation können sich als verstärkte oder verminderte Reaktion bemerkbar machen. Sie können bei Patienten mit erblicher Vorbelastung oder nach Einnahme bestimmter Medikamente auftreten. Die angeborenen Erkrankungen sind selten und betreffen die Thrombozytenaggregation selbst oder verschiedene, den Prozess begleitende Vorgänge.

Auffällig werden die Betroffenen durch spontan auftretende Schleimhaut- und Nasenblutungen sowie durch ihre Neigung zu Hämatomen (blaue Flecke). Weibliche Patienten leiden unter starken Monats- und Geburtsblutungen.

Eine dieser angeborenen Erkrankungen wurde nach dem Schweizer Kinderarzt E. Glanzmann benannt: Morbus Glanzmann-Naegeli (auch Glanzmann-Thrombasthenie). Sie wird autosomal-rezessiv vererbt. Betroffen ist ein Rezeptor in der Thrombozyten-Membran, der auf Grund einer genetischen Veränderung (Mutation) nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt wird. Patienten mit diesem Defekt sind durch die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern wie Aspirin® stark gefährdet.

Beim Willebrand-Jürgens-Syndrom liegt der für die Adhäsion und Aggregation der Plättchen wichtige Faktor nicht in ausreichender Menge oder mit qualitativen Einschränkungen vor. Damit ist er nicht voll funktionsfähig und die Thrombozytenadhäsion als vorbereitender Schritt der Aggregation beeinträchtigt.

Zwei französische Hämatologen sind Namensgeber einer weiteren vererbten, sehr seltenen Thrombozyten Störung: dem Bernard-Soulier-Syndrom. Betroffen ist primär die Adhäsion der Blutplättchen. Sie ist herabgesetzt und vermindert auf diese Weise auch die Thrombozytenaggregation.

Patienten mit der Storage-Pool-Erkrankung zeigen eine gestörte Sekretionsleistung nach der Aktivierung der Thrombozyten. Schuld daran sind die fehlenden Granula. Das sind zelluläre Einlagerungen (Vesikel), aus denen die verschiedenen Faktoren während der Aktivierung der Blutplättchen freigesetzt werden. Eine Sonderform stellt das Gray-Platelet-Syndrom (Graues-Thrombozyten- Syndrom) dar.

Häufiger werden auch erworbene oder durch Medikamente hervorgerufene Störungen der Thrombozytenaggregation diagnostiziert. Sogenannte erschöpfte Blutplättchen, die nicht mehr zur Aggregation in der Lage sind, können bei Dialysepatienten, durch Herz-Lungenmaschinen, bei schweren Nierenerkrankungen oder nach Verbrennungen auftreten. Die Situation ähnelt in diesen Fällen denen bei der Storage Pool Erkrankung.

Eine vermehrte Thrombozytenaggregation findet sich bei der koronaren Herzkrankheit, nach Schlaganfällen, bei Gefäßerkrankungen und akuten Thrombosen. Medikamente, die die Thrombozyten Funktion hemmen, werden häufig zur Thromboseprophylaxe eingesetzt. Acetylsalicylsäure (zB in Aspirin) gehört dazu. Darüber hinaus gibt es einige Chemotherapeutika, die die Aggregation der Blutplättchen herabsetzen.

Quellen

  • Encke, A., Breddin, H. K.: Die venöse Thrombose. Prophylaxe und Therapie. Schattauer, Stuttgart 2000
  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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