Gingivahyperplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter einer Gingivahyperplasie wird eine Wucherung des Zahnfleischs verstanden. Sie gehört zu den Zahnbetterkrankungen.
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Was ist eine Gingivahyperplasie?
Bei einer Gingivahyperplasie handelt es sich um eine Zahnfleischwucherung. Sie wird der Gruppe der Zahnbetterkrankungen (Parodontopathien) zugeordnet. Der Begriff Gingivahyperplasie setzt sich aus den lateinischen Bezeichnungen „Gingiva“ (Zahnfleisch) und „Hyperplasia“ (übermäßige Bildung von Zellen) zusammen. Eine andere Benennung ist Gingivahypertrophie.
Allerdings gilt die Bezeichnung als unpräzise. So bezieht sich der Begriff Hyperplasie auf eine erhöhte Zellanzahl. Die Benennung Hypertrophie erfolgt im Zusammenhang mit einer verstärkten Größe einzelner Zellen. Beide Faktoren sind nur histologisch zu ermitteln. Eine Gingivahyperplasie kann sowohl lokal begrenzt an einzelnen Zähnen vorkommen, als sich auch am gesamten Zahnfleisch zeigen.
Bei einer örtlich begrenzten Zahnfleischwucherung nehmen die Wucherungen die Form einer Halbkugel an. Durch einen Gewebestiel besteht eine Verbindung zum Zahnfleisch. Mediziner bezeichnen diese Form auch als Epulis. Von einer Gingivahyperplasie können auch einige Hunderassen betroffen sein.
Ursachen
Die Ursachen für das Entstehen einer Gingivahyperplasie sind unterschiedlich. Nicht selten lässt sich überhaupt keine konkrete Ursache für die Zahnfleischwucherung ermitteln. In manchen Fällen ist sie auch erblich bedingt. In den meisten Fällen ist die Einnahme von bestimmten Medikamenten für das Auftreten der Gingivahyperplasie ursächlich. Dabei handelt es sich oft um Präparate wie Cyclosporin A. Dieses Arzneimittel kommt unter anderem bei Organtransplantationen zur Anwendung.
Aber auch Kalziumkanalblocker, die im Rahmen einer Epilepsie gelöst werden, oder Phenytoin zählen zu den möglichen Auslösern. Die Zahnfleischwucherung ist dann eine unerwünschte Nebenwirkung der dauerhaften medikamentösen Behandlung. Weitere Medikamente, die für das Auslösen einer Gingivahyperplasie verantwortlich sein können, sind Nifedipin, Valproat und Diltiazem. Besonders Nifedipin, Phenytoin und Cyclosporin A weisen eine ausgeprägte Affinität zu den gingivalen Bindegewebszellen auf. Dadurch können sie für eine Zellproliferation verantwortlich sein.
Eine weitere eventuelle Ursache der Zahnfleischwucherungen sind Mangelerscheinungen wie ein Mangel an Vitamin C oder Hormonumstellungen im Rahmen einer Schwangerschaft. Verstärkt wird die Gingivahyperplasie durch eine unzureichende Zahnhygiene, die zur Bildung von Zahnbelägen führt. Ebenfalls ursächlich für Wucherungen des Zahnfleisches können Entzündungen sowie chemische oder mechanische Reizungen sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Ausmaß einer Gingivahyperplasie fällt von Patient zu Patient verschieden aus. Möglich sind neben örtlich begrenzten Beschwerden an einzelnen Zähnen auch Symptome am gesamten Zahnfleisch. In der Regel ist die Gingivahyperplasie jedoch schmerzlos und zeigt sich als derbe Wucherung am Gewebe. Die Färbung des Zahnfleisches schwankt zwischen rosa und dunkelrot.
In manchen Fällen leiden die Patienten unter Zahnfleischbluten. Ebenso ist im Inneren eine Verknöcherung im Bereich des Möglichen. Bei einer Gingivahyperplasie während der Schwangerschaft können zudem Ödeme (Wassereinlagerungen), Mundgeruch und Schmerzen auftreten. Bei umfangreichen Zahnfleischwucherungen finden nicht selten Einbissverletzungen an den Zähnen des gegenüberliegenden Kiefers statt.
Durch eine bakterielle Infektion droht dann eine schmerzhafte Entzündung. Auch Zahnfleischbluten beim Zähneputzen stellt keine Seltenheit dar. Ist die Gingivahyperplasie Gestagen- oder Östrogeninduziert, fällt die Wucherung meist umfangreicher aus, als wenn sie von Phenytoin verursacht wird.
Diagnose & Verlauf
Diagnostizieren kann ein erfahrener Zahnarzt eine Gingivahyperplasie meist schon auf den ersten Blick. Um die Ursache der Zahnfleischwucherung herauszufinden, führt der Zahnmediziner eine Befragung des Patienten durch. Außerdem wird das Ausmaß der Zahnbetterkrankung bestimmt. Als sinnvoll gilt zudem eine Gewebeuntersuchung mithilfe eines Mikroskops.
Eine idiopathische Gingivahyperplasie, deren Ursache sich nicht eindeutig klären lässt, schreitet nur langsam voran. Sie kann bereits im Kindesalter oder beim Wechselgebiss vorkommen. Dadurch besteht das Risiko von Problemen beim Durchbruch der Zähne. Werden die Wucherungen nicht zahnmedizinisch behandelt, ist es möglich, dass sie die Krone des Zahns überdecken.
Neben negativen ästhetischen Auswirkungen sind außerdem Behinderungen und Verdrängungserscheinungen im Zahnbereich zu befürchten. Handelt es sich um eine Gingivahyperplasie, die durch die Einnahme von Medikamenten hervorgerufen wurde, geht diese in der Regel von selbst zurück, wenn das auslösende Arzneimittel wieder abgesetzt wird.
Komplikationen
Die Komplikationen und Beschwerden bei der Gingivahyperplasie fallen relativ unterschiedlich aus, führen allerdings immer zu Symptomen im Mundbereich. Es kommt dabei zu extrem starken Wucherungen am Zahnfleisch. Dieses kann seine Farbe verändern und färbt sich dabei in der Regel dunkelrot oder rosa. Nicht selten leiden die Patienten aufgrund der Gingivahyperplasie an starken Blutungen am Zahnfleisch.
Ebenso tritt ein unangenehmer Mundgeruch auf. Das Zahnfleisch selbst schmerzt und es können sich Entzündungen an den Zähnen oder an der Zahnwurzel selbst ausbilden. Diese Entzündungen führen ebenso zu starken Schmerzen und Beschwerden. Die Lebensqualität des Betroffenen wird enorm eingeschränkt. Eine gewöhnliche Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten ist nicht mehr möglich, sodass es nicht selten zu Untergewicht oder zu einer Dehydrierung kommt.
Die Entzündungen im Mundraum können sich auch in andere Regionen ausbreiten. Oft breiten sich auch die Schmerzen von den Zähnen bis in den Kopf oder in die Ohren aus und führen auch in diesen Bereichen zu unangenehmen Beschwerden. In den meisten Fällen kann die Gingivahyperplasie gut behandelt werden. Sollte es zu Entzündungen gekommen sein, können auch diese durch einen Zahnarzt behandelt werden. Die Lebenserwartung wird durch die Krankheit nicht verändert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Leidet der Betroffene unter Schwellungen oder Wucherungen im Mund, sollte ein Arzt konsultiert werden. Bei Veränderungen des Zahnfleisches liegen häufig schwerwiegende Erkrankungen vor, die untersucht und behandelt werden müssen. Kommt es zu Schmerzen im Mund, Auffälligkeiten des Zahnfleisches oder Blutungen im Mund, ist ein Arzt aufzusuchen. Treten durch die Gingivahyperplasie Probleme mit bestehendem Zahnersatz oder vorhandenen Zahnkorrekturen auf, ist ein Arztbesuch notwendig.
Lockern sich Zähne oder stellen sich Zahnverschiebungen ein, ist zur Vermeidung weiterer Komplikationen schnellstmöglich ein Arztbesuch erforderlich. Kommt es zu Veränderungen der Lautgebung, Sprachunklarheiten oder verweigert der Betroffene aufgrund der Beschwerden das Sprechen, ist ein Arzt zu konsultieren. Nehmen die Beschwerden zu, sollte umgehend ein Arzt kontaktiert werden.
Bei einer Ablehnung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme besteht eine starke Gesundheitsgefährdung. Führt das Verhalten zu Gewichtsabnahme oder einem Gefühl der Trockenheit im Körperinnern, muss unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden.
Können Bissverletzungen im Mund gesichtet oder mit der Zunge ertastet werden, ist dies ein besorgniserregender Zustand. Die Konsultation eines Arztes ist nötig, um eine Klärung der Ursache einzuleiten. Die Bildung eines unangenehmen Mundgeruchs gilt als natürlicher Warnhinweis, dem nachgegangen werden sollte. Verfärbungen des Zahnfleisches sind ebenfalls ungewöhnlich und sollten von einem Arzt kontrolliert werden.
Behandlung & Therapie
Bildet sich die Gingivahyperplasie nach dem Absetzen des Medikaments nicht wieder zurück oder hat andere Ursachen, muss eine Behandlung beim Zahnarzt erfolgen. Aufgrund zahlreicher Rückfälle gilt die Therapie der Zahnfleischwucherungen als große Herausforderung für den Dentisten. Die Behandlung kann sowohl konservativ als auch durch einen chirurgischen Eingriff erfolgen.
Eine wichtige Rolle bei der nicht-operativen Therapie spielt die Mundhygiene des Patienten. Studien zufolge lässt sich durch einen hohen Mundhygienestandard, der neben der häuslichen Pflege auch durch eine professionelle Zahnfleischreinigung erreicht werden kann, das Risiko einer Gingivahyperplasie erheblich reduzieren. Außerdem profitiert die Ästhetik davon.
Müssen jedoch auf die Dauer Medikamente eingenommen werden oder liegt ein schwerer Fall vor, bedarf es eines operativen Eingriffs, in dessen Rahmen der Zahnarzt die Zahnfleischwucherung mit einem Skalpell abträgt. Der Patient erhält dabei eine örtlich wirkende Betäubung. Die chirurgische Entfernung einer Gingivahyperplasie wird in der Zahnmedizin als Gingivektomie bezeichnet. Dabei schneidet der Zahnarzt einen Teil des Zahnfleisches heraus, um die Wucherung zu korrigieren. Grundsätzlich wird die Prognose einer Gingivahyperplasie als positiv eingeschätzt.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Gingivahyperplasie ist gebunden an die Ursache der Störung. Grundsätzlich wird sie unabhängig der ursächlichen Störung als günstig eingestuft. Basiert die Zahnfleischblutung auf einer Gabe von Arzneien, ist die schnelle Aussicht auf eine Linderung der Beschwerden gegeben.
Sobald eine Umstrukturierung des erstellten Behandlungsplans vorgenommen wird, können die ursächlichen Medikamente der Gingivahyperplasie abgesetzt werden. Unmittelbar im Anschluss tritt eine Rückbildung der Symptome ein, bis eine Beschwerdefreiheit erreicht wird. Die vorliegende Grunderkrankung wird bei diesen Patienten mit alternativen Wirkstoffen weiter behandelt.
Bei einem anhaltenden Krankheitsverlauf oder einer notwendigen Langzeittherapie wird ein operativer Eingriff vorgenommen. Dabei werden die Wucherungen des Zahnfleisches von einem Chirurgen entfernt. Es handelt sich um einen routinierten Eingriff, der unter der Zuhilfenahme einer lokalen Betäubung stattfindet. Obgleich es zu Komplikationen kommen kann, sind diese vergleichsweise gering und treten nur in Ausnahmefällen auf. Ist die Operation erfolgreich, kommt es nach dem chirurgischen Eingriff zu einer Beschwerdefreiheit des Patienten.
Trotz der günstigen Prognose kann es im Verlauf des Lebens jederzeit zu einer Wiederkehr der Beschwerden kommen. Die Aussicht einer Heilung ist auch bei einer erneuten Zahnfleischwucherung unverändert günstig. Löst die Gingivahyperplasie aufgrund der optischen Auffälligkeiten emotionale Probleme aus, ist das Risiko einer psychischen Unregelmäßigkeit bei der Gesamtprognose zu berücksichtigen.
Vorbeugung
Um dem Entstehen einer Zahnfleischwucherung vorzubeugen, empfehlen Zahnmediziner die regelmäßige gründliche Reinigung der Zähne. Auf diese Weise lässt sich zumindest das Ausmaß der Gingivahyperplasie eindämmen. Werden Medikamente eingenommen, die im Verdacht stehen, eine Zahnfleischwucherung auszulösen, muss das Zahnfleisch konsequent beobachtet werden. Das Gleiche gilt während der Schwangerschaft.
Nachsorge
In den meisten Fällen erweist sich eine Nachsorge bei der Gingivahyperplasie als relativ schwierig. Der Patient ist in erster Linie auf eine medizinische Behandlung angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen kommt. Allerdings kann die Gingivahyperplasie relativ gut behandelt werden, sodass nicht mit einer verringerten Lebenserwartung gerechnet werden muss. In den meisten Fällen ist der Krankheitsverlauf positiv.
Je früher die Beschwerden erkannt werden, desto besser ist der weitere Verlauf dieser Erkrankung. Die Behandlung der Gingivahyperplasie erfolgt meist durch einen operativen Eingriff im Mundraum. Nach einem solchen Eingriff sollten sich Betroffene ausruhen und ihren Körper schonen. Vor allem der Mundraum sollte dabei geschont und nicht belastet werden.
Meistens kann auch keine feste Nahrung nach dem Eingriff eingenommen werden, sodass sich der Körper mit der Zeit an die feste Nahrung gewöhnen sollte. In einigen Fällen ist bei der Gingivahyperplasie auch eine Nachkontrolle notwendig, um erneute Wucherungen zu erkennen und dann zu behandeln. Dabei ist eine erneuter Eingriff notwendig. Betroffene sollten auf eine Reinigung des Zahnfleisches und im Allgemeinen auf eine richtige Mundhygiene achten, um die Gingivahyperplasie zu verhindern.
Das können Sie selbst tun
Sind die Zahnfleischwucherungen auf eine Mangelernährung in Folge einer Reduktionsdiät zurückzuführen, besteht die effektivste Form der Selbsthilfe in der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Häufig sind Zahnfleischwucherungen dann die Folge eines Vitamin C-Defizits, das am einfachsten durch die Einnahme von Ascorbinsäure in Pulverform ausgeglichen werden kann. Entsprechende Präparate gibt es in der Apotheke und in Drogerien rezeptfrei zu kaufen.
Wird die Gingivahyperplasie durch die Einnehme von Medikamenten, wie zum Beispiel Nifedipin oder Valproat, ausgelöst, sollte der behandelnde Arzt konsultiert werden. Dabei gilt es abzuklären, ob Medikamente zur Verfügung stehen, bei denen die unerwünschte Nebenwirkung nicht auftritt.
Der häufigste Grund für eine Gingivahyperplasie ist aber eine unzulängliche Mundhygiene. Betroffene sollten ihre Zähne in diesem Fall nach jeder Mahlzeit mit einer weichen Bürste und Zahncreme gründlich reinigen. Zumindest zweimal täglich muss wenigstens drei Minuten geputzt werden. Die Zahnreinigung zwischendurch kann auch knapper ausfallen, es sollten aber immer alle Speisereste gründlich entfernt werden.
Dabei darf auch die Zunge nicht vergessen werden, auf der sich sehr schnell bakterielle Beläge bilden. Außerdem ist die Verwendung von Zahnseide wichtig. Bei Gingivahyperplasie kann darüber hinaus ein antibakterielles Mundwasser hilfreich sein. In langwierigen Fällen ist zudem eine regelmäßige professionelle Reinigung der Zähne und des Zahnfleisches durch eine Dentalhygienikerin angezeigt.
Quellen
- Gängler, P., Hoffmann, T., Willershausen, B., Schwenzer, N., Ehrenfeld, M. (Hrsg.): Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Ott, R., Vollmer, H.P., Krug, W.: Klinik- und Praxisführer Zahnmedizin. Thieme, Stuttgart 2003
- Weber, T.: Memorix Zahnmedizin. Thieme, Stuttgart 2016