Haemophilus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit Haemophilus wird eine Gattung von 16 verschiedenen Arten stäbchenförmiger, gramnegativer, Bakterien bezeichnet, die alle der Familie der Pasteurellaceae entstammen. Die fakultativ (zeitweise) anaeroben Bakterien können Schleimhäute besiedeln und benötigen für ihr Wachstum bestimmte, in Erythrozyten enthaltene, Wachstumsfaktoren. Einige der 16 Arten können Atemwegsinfektionen oder die Geschlechtskrankheit „Weicher Schanker“ oder „Ulcus molle“ verursachen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Haemophilus?

Das bekannteste Bakterium mit dem größten pathogenen Potenzial ist Haemophilus influenzae. Das Bakterium – auch als Pfeiffer-Influenzabakterium bekannt – besiedelt fast ausschließlich die Schleimhäute von Nase, Rachen und Bronchien und kann daselbst zu Infektionen führen.
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Zu der Gattung der gramnegativen Haemophilus-Bakterien gehören 16 verschiedene Arten fakultativ anaerob lebender Stäbchenbakterien, von denen einige wenige als Krankheitserreger in Erscheinung treten. Ihr Gattungsname Haemophilus steht in Übereinstimmung mit ihrem Bedarf an bestimmten Wachstumsfaktoren, die im Hämoglobin enthalten sind.

Haemophilus-Bakterien bilden keine Sporen und können sich nicht aktiv bewegen. Einige wenige Arten der Bakterien können Atemwegsinfektionen, die Geschlechtskrankheit Ulcus molle, Bindehautentzündungen der Augen und unspezifische Entzündungen der Vagina und der Gebärmutter verursachen. In seltenen Fällen können Untergruppen der Bakterien auch eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis) und eine Meningitis (Hirnhautentzündung) verursachen.

Grundsätzlich sind die bekapselten Haemophilus-Bakterienstämme als pathogen einzustufen, weil ihre Bekämpfung durch die körpereigenen Fresszellen (Makrophagen) erschwert ist. Die unbekapselten Bakterienstämme sind eher Teil der normalen Bakterienflora der Schleimhäute und entwickeln erst Pathogenität bei gestörtem Immunsystem und vorgeschädigtem Epithel der Schleimhäute.

Bedeutung & Funktion

Bedeutung und Funktionen nichtpathogener Haemophilus-Bakterien für den Stoffwechsel des Körpers und speziell für die Schleimhäute der Respirationsorgane sind nicht bekannt. Unbekapselte – nicht-pathogene - Arten sind in den Schleimhäuten des Respirationstraktes, besonders in den oberen Atemwegen, quasi omnipräsent und gehören zu der natürlichen Bakterienflora.

Die meisten Haemophilus-Bakterien sind außerhalb des Körpers nur kurze Zeit lebensfähig. Da sie keine Sporen entwickeln, sind Ansteckungen, bzw. Übertragungen der Bakterien von Mensch zu Mensch nur über Tröpfcheninfektion möglich. Ein Charakteristikum der Bakterien ist ihr Bedarf an Hämin und NAD, das in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) enthalten ist und eine wichtige Rolle im Energiehaushalt der Zellen bei der kontrolliert ablaufenden Oxidation spielt.

Da die Bakterien selbst nicht in der Lage sind, sich die benötigten Stoffe über eine Hämolyse der Erythrozyten zu beschaffen, benötigen sie andere Bakterien, z. B. Staphylokokken, die über die Fähigkeit verfügen, über eine Hämolyse der Erythrozyten Hämoglobin frei zu setzen. Dieser Vorgang lässt sich bei Laborkulturen gut beobachten und wird als Ammenphänomen bezeichnet. Da besonders Säuglinge und Kleinkinder gefährdet sind, empfiehlt die ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung zur Vorbeugung gegen eine Infektion mit dem Influenza-Bakterium Typ b bereits bei Säuglingen im Alter von 2 Monaten.

Vor Einführung der Impfung im Jahr 1990 gab es ca. 2.000 Fälle von Infektionen mit dem Influenza-Bakterium in Deutschland. Die Zahl der Neuerkrankungen sank danach drastisch ab, und 2004 wurden nur noch 70 Fälle registriert. Eine nachgewiesene Infektion mit Haemophilus influenzae, Typ b, ist in Deutschland namentlich meldepflichtig. Die Inkubationszeit von einer Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit beträgt wenige Tage.

Krankheiten & Beschwerden

Bekannte Gefahren gehen vor allem von den wenigen pathogenen Arten der Haemophilus-Bakterien aus bei gleichzeitig angegriffenem Immunsystems. Das bekannteste Bakterium mit dem größten pathogenen Potenzial ist Haemophilus influenzae.

Das Bakterium – auch als Pfeiffer-Influenzabakterium bekannt – besiedelt fast ausschließlich die Schleimhäute von Nase, Rachen und Bronchien und kann daselbst zu Infektionen führen. Weil das Bakterium fast immer bei Influenza-Patienten nachgewiesen wurde, bestand über lange Zeit die Meinung, dass das Bakterium selbst der Verursacher der Influenza sei, eine Annahme, die seit langem klar widerlegt ist.

Von Haemophilus influenzae sind 6 verschiedene Varianten bekannt, die sich jeweils im Aufbau ihrer Kapselwände aus Polysacchariden (Typ A bis F) unterscheiden, wobei der Typ B als besonders pathogen gilt. Bei geschwächtem Immunsystem oder Schädigungen an der entsprechenden Schleimhaut können die verschiedenen Typen des Influenza-Bakteriums Krankheiten wie Bronchitis, Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Entzündungen des Kehlkopfdeckels, Bindehautentzündungen und sogar eine Meningitis verursachen.

Haemophilus parainfluenzae, eng verwandt mit dem Influenza-Bakterium, besiedelt ebenfalls die Schleimhäute der Respirationsorgane, ist aber nur gelegentlich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen pathogen. In Ausnahmefällen kann das Bakterium zu schwerwiegenden Atemwegsinfektionen, zu Meningitis oder gar zu einer Sepsis führen. Eine weitere mit dem Influenza-Bakterium eng verwandte Art ist Haemophilus aegypticus, das in Nordafrika weit verbreitet ist und als Erreger von Bindehautentzündungen (Konjunktivitis) identifiziert wurde.

Das Bakterium Haemophilus ducreyi, Erreger der in den Tropen weit verbreiteten Geschlechtskrankheit Ulcus molle (weicher Schanker), hat bereits Resistenzen gegen einige Antibiotika entwickelt. Durch eine Infektion mit Haemophilus aphrophilus können eitrige Abszesse entstehen, und falls eine Infektion mit dem Bakterium über die Blutbahn (Bakteriämie) erfolgte, kann sich eine Endokarditis (Entzündung der inneren Herzschleimhaut) oder auch eine Sepsis entwickeln. Infektionen mit Haemophilus-Bakterien lassen sich mit gezielter Antibiotikabehandlung mit guter Prognose therapieren, allerdings muss mit bereits bestehenden Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika gerechnet werden.


Quellen

  • Buselmaier, W.: Biologie für Mediziner. Springer, Berlin Heidelberg 2006
  • Chmiel, H.: Bioprozesstechnik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011
  • Groß, U.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Thieme, Stuttgart 2009

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