Hodenhochstand (Maldescensus testis)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Befinden sich nach der Geburt eines Kindes einer oder beide Hoden nicht im Hodensack, so handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, den Hodenhochstand. Ein solcher Hodenhochstand bedarf so gut wie immer einer medizinischen Behandlung.
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Was ist ein Hodenhochstand?
Etwa 1-3% aller männlichen Säuglinge und 30% aller Frühgeborenen sind von einem Hodenhochstand betroffen. Beim Hodenhochstand handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, bei der entweder ein oder beide Hoden nicht in den Hodensack gewandert sind. Für gewöhnlich wandern die Hoden etwa im siebten Schwangerschaftsmonat in den Hodensack.
Es ist möglich, dass innerhalb des ersten Lebensjahres ein verspätetes, selbstständiges Wandern der Hoden in den Hodensack stattfindet. Generell wird zwischen 3 Formen des Hodenhochstandes unterschieden:
Leistenhoden: Bauchraum und Hodensack werden durch den Leistenkanal verbunden, hier befindet sich der Hoden in diesem Falle
Gleithoden: Der Hoden wird immer wieder in den Leistenkanal zurück gezogen beruhend auf der Tatsache, dass der Samenstrang des Hodens zu kurz ist
Bauchhoden: Es ist nicht möglich den Hoden zu ertasten, da sich dieser in der Bauchhöhle befindet
Von diesen Formen abzugrenzen ist der Pendelhoden. Beim Pendelhoden handelt es sich nicht um eine Erkrankung sondern um die reflexartige Verschiebung des Hodens vom Hodensack in den Leistenkanal, hier handelt es sich nicht um einen Hodenhochstand.
Ursachen
Hormonell bedingt kann es zu einer verzögerten Entwicklung des Kindes im Mutterleib kommen, was sich ebenfalls auf die Wanderung des Hodens auswirkt. Prinzipiell ist es so, dass eine Entwicklung der Hoden bei Ungeborenen in der Nierengegend stattfindet.
Da die Temperatur außerhalb des Körpers, im Hodensack, für die Spermienproduktion optimal ist, wandern die Hoden während der Entwicklung in den Hodensack. Oftmals wird bei einem Hodenhochstand jedoch keine eindeutige Ursache festgestellt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Hauptsymptom eines Hodenhochstands sind nach der Geburt unvollständig aus der Bauchhöhle herabgewanderte Hoden. Davon kann einer oder beide Hoden betroffen sein. Die Hoden können dabei entweder im Eingangsbereich des Hodensacks oder überhaupt nicht wahrgenommen werden. Es können verschiedene Formen des Hodenhochstands vorliegen, deren Symptomatik unterschiedlich sein kann.
Der Bauchhoden (Kryptorchismus) lässt sich in der Regel gar nicht ertasten. Ein Pendelhoden liegt zwar im Hodensack, wandert jedoch etwa bei Kälte zurück in die Leiste. Ein Leistenhoden lässt sich in der Leiste ertasten, aber nicht in den Hodensack führen. Im Gegensatz dazu lässt sich ein Gleithoden zwar in den Hodensack führen, kehrt von dort jedoch wieder in die Leistengegend zurück.
Besonders selten liegt eine Hodenektomie vor. Das bedeutet, dass der Hoden sich nicht auf seinem natürlichen Weg befindet, sondern etwa im Oberschenkel oder am Damm. In der Regel liegen die Hoden zwar nicht richtig, sind jedoch normal ausgebildet und entwickelt. Im Kindesalter ist der Hodenhochstand mit keinen weiteren Beschwerden verbunden.
Bleibt er darüber hinaus bestehen, kann dies zu einer Reihe von Spätfolgen führen. Vor allem besteht das Risiko der Unfruchtbarkeit. Auch kann es zu einer Hodenkrebserkrankung kommen. Betroffene Erwachsene klagen zudem in manchen Fällen über Schmerzen.
Diagnose & Verlauf
Während der U1-Untersuchung des Neugeborenen kann der Hodenhochstand von einem Kinderarzt diagnostiziert werden. Um eine Diagnose stellen zu können tastet der Arzt den Hodensack ab, während das Kind sich nacheinander in stehender, sitzender und liegender Position befindet.
Ist es dem Arzt nicht möglich den Hoden zu ertasten so wird ein Hormonstimulationstest durchgeführt, dieser dient dazu Hodengewebe nachzuweisen. Weiterführende Diagnosemethoden werden mithilfe einer Bauchspiegelung sowie mit MRT und Ultraschall durchgeführt. Diese Verfahren werden jedoch nicht regulär bei einem Hodenhochstand durchgeführt.
Ein zu spät behandelter Hodenhochstand kann im Verlauf verschiedene, schwerwiegende Folgen haben. Durch bereits beschädigtes Hodengewebe kann es zur Unfruchtbarkeit kommen. Diese tritt bei etwa 30% der Betroffenen ein. Durch einen Hodenhochstand steigt zudem das Risiko für einen Leistenbruch und eine spätere Erkrankung an Hodenkrebs.
Komplikationen
Bei Jugendlichen, die ein sexuelles Bewusstsein entwickeln, besteht jedoch die Gefahr von psychischen Belastungen, wenn sich ein oder beide Hoden nicht im Hodensack befinden. In der Regel wird ein Hodenhochstand jedoch bereits vor dem ersten Geburtstag behandelt, sodass dies nur selten der Fall ist.
Ohne eine Therapie drohen im Erwachsenenalter Folgeerscheinungen, zu denen unter anderem die Hodentorsion (Hodendrehung) gehört. Die Drehung des Hodens am Samenstrang wird oft durch die falsche Lage des Hodens verursacht. Aufgrunddessen droht das Abschnüren der hodenversorgenden Gefäße, sodass der Hoden ohne eine schnelle Behandlung absterben kann.
Im Falle eines Leisten- oder Gleithodens bilden sich bei manchen Betroffenen innerhalb des Leistenkanals Schwachstellen. Dadurch ist wiederum das Einbrechen von Eingeweiden aus der Bauchhöhle denkbar, was von Medizinern als Leistenbruch bezeichnet wird.
Eine weitere Komplikation stellt die Unfruchtbarkeit dar. Liegt der Maldescensus testis nur bei einem Hoden vor, hat dies kaum Auswirkungen. Sind jedoch beide Hoden betroffen, werden zum Teil deutlich weniger Kinder gezeugt. Des Weiteren kann sich ein Hodenhochstand begünstigend auf Hodenkrebs auswirken. So erhöht sich die Krebsgefahr ohne Behandlung um das Zwanzigfache.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Hodenhochstand wird meist direkt nach der Geburt vom Kinderarzt diagnostiziert und umgehend behandelt. Eine ärztliche Behandlung ist spätestens dann erforderlich, wenn die Fehllage der Hoden Schmerzen oder anderweitige Beschwerden hervorruft. Eltern, die bei ihrem Kind entsprechende Anzeichen bemerken, sprechen am besten mit dem Kinderarzt. Sollten sich ernste Komplikationen einstellen, muss das Kind im Krankenhaus behandelt werden. Die Eltern sollten umgehend eine Untersuchung veranlassen, um das Risiko für Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit oder Hodenkrebs zu minimieren.
Personen, bei denen im Kindesalter ein Hodenhochstand festgestellt und behandelt wurde, sollten auch im späteren Leben regelmäßig den Hausarzt oder einen Urologen aufsuchen. Durch eine umfassende Untersuchung wird sichergestellt, dass der Hoden richtig gelagert ist und keine Probleme verursacht. Zudem lassen sich etwaige Auslöser wie hormonelle Schwankungen frühzeitig erkennen und beheben, bevor es zu einem Hodenhochstand kommt. Liegt der Fehllage eine ernste Erkrankung zugrunde, ist eine engmaschige Überwachung durch einen Facharzt erforderlich. Die Behandlung erfolgt in der Regel in einer Fachklinik für Urologie.
Behandlung & Therapie
Senkt der Hoden sich bei einem Hodenhochstand nicht selbständig innerhalb der ersten sechs Lebensmonate ab, so ist eine Behandlung durch einen Urologen zu empfehlen. Bevor jedoch ein operativer Eingriff vorgenommen wird, sollte eine Hormonbehandlung durchgeführt werden. Bei der Hormontherapie wird das Hormon Gonadotropin verabreicht. Es soll dafür sorgen, dass der Hoden in den Hodensack (weiter) wandert.
Das Hormon kann in Form von Nasenspray über die Schleimhaut aufgenommen werden oder intramuskulär injiziert werden. Eine Hormontherapie bei Hodenhochstand ist in 20% aller Fälle erfolgreich. Es gibt Ausnahmen, bei denen eine Operation durchgeführt werden sollte. Zu diesen Ausnahmen zählen:
- Hodenhochstand in der Pubertät
- Gleichzeitiger Leistenbruch
- Erfolgslose Hormontherapie
- Abnormale Positionierung des Hodens
Bei einer Operation wird der Hoden operativ in den Hodensack verlegt und dort an der tiefsten Stelle festgenäht. Ist der Hoden bereits verkümmert so wird er entfernt um weitere Folgeschäden zu vermeiden. In jedem Falle des Hodenhochstands sind regelmäßige Kontrollen ab dem 15. Lebensjahr notwendig.
Aussicht & Prognose
Innerhalb des ersten Lebensjahres kann der betroffene Hoden in seltenen Fällen auch ohne Behandlung von selbst in den Hodensack wandern. Mit zunehmendem Alter wird dies jedoch immer unwahrscheinlicher. Je früher der Hodenhochstand operativ oder hormonell behandelt wird, desto geringer ist das Risiko, dass längerfristig Komplikationen oder Folgeerkrankungen auftreten.
Die Prognose bei einer Hormontherapie ist signifikant besser, wenn der betroffene Hoden zuvor schon in Richtung Hodensack gewandert ist. Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen verläuft die hormonelle Therapie erfolgreich. Etwa 25 Prozent der zunächst erfolgreich behandelten Hoden wandern nach einer Hormontherapie jedoch wieder aus dem Hodensack nach oben. Bei der operativen Behandlung ist die Prognose deutlich besser. Bei fünf Prozent der Betroffenen wandert nach der Operation der behandelte Hoden dennoch wieder nach oben.
Selten kommt es zu Folgeschäden durch den Hodenhochstand oder die Operation. So kann der Hoden schon vor einer erfolgreichen Behandlung Schaden genommen haben und funktionsgestört sein. Nach einer Operation kann es zudem zu einer Verkümmerung (Atrophie) des Hodens kommen. Zeigen weder hormonelle noch operative Behandlung Erfolg, wird oftmals zu einer operativen Entfernung des Hodens geraten, da ein erhöhtes Krebsrisiko besteht. Auch nach erfolgreicher Behandlung ist die Wahrscheinlichkeit, an Hodenkrebs zu erkranken, geringfügig höher.
Vorbeugung
Da es sich bei einem Hodenhochstand um eine Entwicklungsstörung handelt gibt es keinerlei Vorbeugungs-Maßnahmen. Lediglich Spätfolgen lassen sich vermeiden, indem ein Hodenhochstand durch frühzeitige Kontroll-Untersuchungen behandelt wird.
Nachsorge
Wird der Hodenhochstand operativ behandelt, ist grundsätzlich nach dem Eingriff eine Schonfrist einzuhalten. Für eine optimale Wundheilung sollte der Patient dafür zwei Tage im Bett bleiben und sich ausruhen. Körperliche Aktivitäten sollten in dieser Zeit vermieden werden. Die Bettruhe kann stationär im Krankenhaus oder ambulant zu Hause stattfinden.
Auch nach einer erfolgreichen operativen oder hormonellen Behandlung kann es zu einem erneuten Hochstand der Hoden kommen. Auch eine sogenannte Atrophie, Verkümmerung der Hoden, ist möglich. Um diese möglichen Komplikationen erfassen zu können, wird eine engmaschige Kontrolle empfohlen. Dazu sollten alle drei Monate Nachsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen werden.
Dabei wird durch einen Ultraschall die Größe und Lage der Hoden beurteilt. Ist der Stand der Hoden sechs Monate nach Abschluss der Therapie nicht zufriedenstellend, muss sich der Patient in der Regel erneut beim behandelnden Operateur vorstellen. Bei einem normalen Befund sind weitere Nachkontrollen alle drei Monate bis ein Jahr nach der Operation nötig.
Außerdem sollten Patienten ab einem Alter von fünfzehn Jahren erneut zur Nachsorge gehen. Hierbei werden die Betroffenen auf Malignome am Hoden untersucht. Die Untersuchung kann bei dem betreuenden Kinderarzt erfolgen. Alternativ können auch Hausärzte und Urologen diese Betreuung übernehmen.
Darüberhinaus ist es laut S-2-Leitlinie empfehlenswert, dass sich die Jugendlichen in regelmäßigen Abständen selbst untersuchen. Jegliche Vergrößerung der Hoden sollte dabei sofort einem Mediziner gemeldet werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Vergrößerung ohne Schmerzen auftritt.
Das können Sie selbst tun
Die wichtigste Maßnahme ist jedoch die Beobachtung des Kindes. Durch das Verhalten des Kindes lässt sich relativ schnell erkennen, ob die Hormontherapie erfolgreich ist, denn ein Absenken des Hodens macht sich oft durch eine Schmerzreduktion bemerkbar. Der betroffene Hoden sollte regelmäßig von einem Arzt kontrolliert werden, denn nur so kann sichergestellt werden, dass tatsächlich ein Absenken stattfindet.
Bleibt der Hodenhochstand trotz hormoneller Behandlung bestehen, muss eine Operation durchgeführt werden. Da es sich dabei um einen Routineeingriff handelt, muss das Kind nicht besonders darauf vorbereitet werden. Wichtig ist es, dem Kind etwaige Ängste zu nehmen und die Zeit im Krankenhaus so angenehm wie möglich zu gestalten. Mit älteren Kindern sollte über die Entwicklungsstörung gesprochen werden, am besten gemeinsam mit dem Kinderarzt, der dem Betroffenen die Gründe für die Störung erklären und gleichzeitig Ängste bezüglich eines chirurgischen Eingriffs nehmen kann.
Nach der Operation sollte das Kind für einige Tage zuhause bleiben und sich schonen. Vor allem auf sportliche Betätigung sollte in der ersten Zeit nach einem Eingriff verzichtet werden.
Quellen
- Gasser, T.: Basiswissen Urologie. Springer, Berlin 2011
- Hautmann, R.: Urologie. Springer, Berlin Heidelberg 2014
- Sökeland, J., Schulze, H., Rübben, H.: Urologie. Thieme, Stuttgart 2004