Kitzel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Wenn ein Mensch gekitzelt wird, beantwortet sein Nervensystem diesen Kitzel mit Körperreflexen wie Lachen. Wissenschaftler erklären diesen Mechanismus heute vor allem über die sogenannte Erleichterungstheorie. Wenn krankhafte Kitzelattacken eintreten, dann liegt in der Regel eine Sensibilitätsstörung vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Kitzel?

Wenn ein Mensch gekitzelt wird, beantwortet sein Nervensystem diesen Kitzel mit Körperreflexen wie Lachen.

Leichte Berührungen können einen Reflex in Form von unwillkürlichem Lachen oder Schreien auslösen. Diese Reflexprovokation wird auch Kitzel genannt. Wissenschaftler unterscheiden in diesem Zusammenhang Knismesis und Gargelesis. Bei ersterem Phänomen handelt es sich um eine sanfte Provokation durch leichte Berührungen. Die Gargelesis meint dagegen die Provokation einer fast schon schmerzhaften Kitzelattacke. Dabei wird auf sensible Körperregionen leichter bis schwerer Druck ausgeübt.

Innerhalb der menschlichen Gemeinschaft ist Kitzeln eine Form der sozialen Interaktion. Menschen reagieren in den allermeisten Fällen nur dann auf den Kitzel, wenn jemand anderes sie kitzelt.

Das Wort Kitzel ist in der deutschen Sprache ein beliebter Teil für Komposita. So spricht der Deutsche beispielsweise von Nervenkitzel, wenn ihn etwas enorm erregt. Bei Nervenkitzel bewegt sich der Betroffene zwischen Angst und Freude an dieser Angst, wie er sich auch bei der Kitzelattacke vermutlich zwischen der Angst vor unerwarteter Bedrohung und Genuss bewegt.

Funktion & Aufgabe

Der Ursprung von Kitzelreflexen ist bis heute umstritten. Mediziner wie Leuba bezeichnen die Reflexe als reine Schutzreflexe. Der Körper reagiert mit solchen Schutzreflexen auf äußere Reize, die dem Menschen gefährlich werden könnten.

Die Mechanorezeptoren auf der menschlichen Haut reagieren zum Beispiel auf Berührungen. Auf manchen Hautarealen wie unter den Achseln, am Hals oder an den Füßen kommt es im Alltag selten bis gar nicht zu sanften Berührungen. Besonders an diesen Stellen reagieren die Berührungsrezeptoren heftig auf den Kitzel, da sie diese Berührungsform nicht aus dem Alltag gewohnt sind.

Speziell Druckrezeptoren werden beim Kitzeln aktiviert. In Folge dessen senden sie Aktionspotenziale an das Kleinhirn, den anterioren cingulären Kortex und den somatosensorischen Kortex aus. Der anteriore cinguläre Kortex ist für die Verarbeitung von angenehmen Informationen zuständig. Der somatosensorische Kortex verarbeitet wiederum sämtliche Berührungsinformationen.

Im Zuge der Reizübertragung wird der Neurotransmitter Dopamin freigesetzt, der insbesondere Glücksgefühle regelt. Das Kitzelgefühl entsteht statt auf der Haut also im Gehirn. Die Aktionspotenziale der Hautsinneszellen werden vom Gehirn am Ende der Kette mit der Initiierung eines abschwächenden Körperreflexes beantwortet. Eventuell ist das Lachen in diesem Zusammenhang eine Verlegenheitsgeste, die den Kitzelnden besänftigen soll. Gestützt wird diese Theorie durch die Beobachtung, dass sich Menschen nur in sehr seltenen Fällen und an sehr wenigen Stellen selbst kitzeln können.

Andere Wissenschaftler gehen von einem Erleichterungseffekt aus. Schon Darwins Theorie zum Kitzeln vertrat diese Annahme. So käme die unerwartete Berührung einem großen Schrecken gleich, da das Gehirn sie zunächst nicht einzuschätzen wisse. Sobald sie sich als unbedrohlich herausstelle, trete der Erleichterungseffekt und in Zusammenhang mit ihm der Lachreflex ein.

In Studien beobachteten Wissenschaftler über Magnetresonanztomographie die Gehirnaktivitäten von Gekitzelten und sprachen sich auf Basis der Beobachtungsergebnisse für die Erleichterungstheorie aus.

Andererseits kann anhaltendes Kitzeln auch als Folter empfunden werden. Im Mittelalter wurden am Pranger im Rahmen einer Foltertechnik daher die Füße verschiedener Personen gekitzelt.

Manche Menschen integrieren Kitzeln auch in ihr Sexualleben. Ziel dieser Praktiken ist dann meist der Hemmungsabbau beim gekitzelten Partner oder schlicht die Freude am gemeinsamen Lachen durch nahe Berührungen.


Krankheiten & Beschwerden

Kitzelattacken können im Extremfall Beschwerden hervorrufen. Vor allem Lungen- und Muskelschmerzen treten in Folge von krampfhaften Lachanfälle zuweilen ein. In Extremfällen können auch Krämpfe und Erstickungsanfälle auftreten. Manchmal klagen Opfer von extremen Kitzelattacken am Tag danach auch über muskelkaterähnliche Symptome.

Wenn Kitzalattacken unabhängig von Kitzelangriffen eintreten, dann können dafür verschiedene Erkrankungen verantwortlich sein. Speziell Kitzalattacken durch gereizte Mechanorezeptoren der Nase können im Zuge von anhaltenden Erkältungen oder noch häufiger im Rahmen von Heuschnupfen und anderen Allergien auftreten.

Auf der Haut sind zuweilen Reizungen wie solche durch bestimmte Kleidungsstücke oder Waschmittel für kitzelnde Gefühle verantwortlich. Hierbei bleibt der Lachreflex in der Regel aber aus und die Betroffenen würden unter Umständen eher von Juckreizen sprechen.

Das Kitzelempfinden kann im Rahmen von Schädigungen des zentralen Nervensystems verhindert werden. Beschädigte Mechanorezeptoren melden dann beispielsweise keine Berührungsreize mehr und Kitzelattacken lassen sich somit nicht mehr auslösen.

Bei Schädigungen des Gehirns oder der Reizleitbahnen kann der Kitzelreiz zuweilen auch nicht mehr oder nur noch verlangsamt ins Bewusstsein übertreten. In einem solchen Fall ist unter Umständen von einer Sensibilitätsstörung die Rede. Diese Beschwerden können auf psychische Erkrankungen zurückgehen. Sie können aber auch mit Erkrankungen des Nervensystems einhergehen, beispielsweise mit Multipler Sklerose.

Auch überempfindliche Mechanorezeptoren können Krankheitswert besitzen. So könnte Kitzeln beispielsweise als starker Schmerz empfunden werden. Eventuell kitzelt in diesem Zusammenhang auch die bloße Luft auf der Haut. Auch in diesem Rahmen ist von einer Sensibilitätsstörung die Rede.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Michael-Titus, A., Revest, P., Shortland, P.: Organsysteme verstehen – Nervensystem. Urban & Fischer, München 2018
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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