Lipomatosis dolorosa
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Lipomatosis dolorosa ist eine sehr seltene Erkrankung des Fettgewebes, dessen Ursache weitgehend unbekannt ist. Meist tritt sie im Rahmen einer Adipositas auf, was jedoch nicht immer der Fall ist. Die Krankheit ist sehr schmerzhaft und betrifft in der Regel Frauen.
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Was ist Lipomatosis dolorosa?
Die Lipomatosis dolorosa wird auch als Adipositas dolorosa, Adiposis dolorosa, Morbus Dercum, Fettgewebs-Rheumatismus oder als Lipalgie bezeichnet. Im Jahre 1888 wurde sie erstmals durch den Neurologen Francis Xaver Dercum beschrieben. Es ist eine sehr seltene chronische Erkrankung des Fettgewebes, die hauptsächlich Frauen betrifft. In selteneren Fällen erkranken auch Männer daran. Dabei kommt es zu äußerst schmerzhaften Fettgewebsablagerungen im subkutanen Bindegewebe.
Diese Fettgewebsablagerungen werden als Lipome bezeichnet. Das sind gutartige Tumoren des Fettgewebes, die bei der Lipomatosis dolorosa häufig über den ganzen Körper verteilt sind. Lipome werden zwar sehr häufig beobachtet. Beim Morbus Dercum liegt jedoch eine besondere Form vor, dessen Ursache weitgehend unklar ist. Kennzeichnend für die Erkrankung sind die starken Schmerzen an den Stellen der Fettgewebswucherungen. Lipomatosis dolorosa ist chronisch, fortschreitend, verursacht dauerhafte Schmerzen und einen ständigen Leidensdruck.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Erscheinungsbild der Lipomatosis dolorosa ist nicht einheitlich. In der Regel sind die Patienten adipös. Es gibt jedoch auch Fälle, wo dies nicht zutrifft. Als charakteristisches Merkmal erscheinen subkutane Ablagerungen im Fettgewebe. Meist befinden sie sich am Bauch, Gesäß, Ellenbogen, Knie, an der Innenseite des Oberarms oder an der Innenseite beziehungsweise Außenseite des Oberschenkels. Bereits bei leichtem Druck rufen die Ablagerungen starke Schmerzen hervor. Die Schmerzen sind stechend oder brennend.
Außerdem besteht eine Hyperalgesie. Das heißt, der Schmerzreiz wird gesteigert empfunden. Traditionelle Schmerzmittel sind völlig wirkungslos. Die Lebensqualität der Betroffenen ist stark eingeschränkt. Es wurden drei Krankheitsmuster festgestellt:
- Der Typ I wird auch als juxtaartikulärer Typ bezeichnet, was so viel bedeutet wie gelenknah. Hier kommt es zu schmerzhaften Fettablagerungen an Knien und Hüften.
- Der Typ II geht einher mit diffusen, schmerzhaften Fettablagerungen in verschiedenen Körperregionen.
- Der Typ III wird nodulärer Typ (Lipomatose) genannt. Hier treten schmerzhafte Lipome manchmal ohne gleichzeitig bestehende Fettsucht auf.
Im Rahmen der Lipomatosis dolorosa fallen häufig neben Adipositas und körperlicher Schwäche auch psychische Probleme auf. Die Patienten leiden oft an Stimmungsschwankungen, Verwirrung, Depressionen, Demenz oder Epilepsie. Meist tritt die Erkrankung bei Frauen nach der Menopause im Alter zwischen 45 und 60 Jahren auf. In seltenen Fällen sind auch Männer betroffen.
Mit Ausnahme am Hals oder im Gesicht können die Lipome überall auftreten. Bei gelenknahen Lipomen treten Gelenkschmerzen auf. Daher wird auch manchmal von Fettgewebs-Rheumatismus gesprochen. Je höher der BMI der Patienten ist, desto stärker sind auch die Schmerzen. Über den Fettablagerungen kommt es in der Haut oft zu Hautblutungen und Parästhesien (Kribbeln). Meist wurden sporadische Fälle entdeckt. In einigen Fällen gibt es jedoch auch familiäre Häufungen von Lipomatosis dolorosa.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose der Lipomatosis dolorosa erfolgt meist in der Klinik durch feingewebliche Untersuchungen. In Einzelfällen geben auch Untersuchungen durch eine MRT diagnostische Hinweise. Das gemeinsame Auftreten von Fettablagerungen, Schmerzen und Adipositas bildet die Grundlage für die Untersuchungen. Allerdings wird die Diagnose aufgrund der unterschiedlichen Manifestation der Lipomatosis dolorosa oft sehr spät gestellt.
Komplikationen
Ruheschmerzen können dabei auch in der Nacht zu Schlafbeschwerden und damit zu einer Gereiztheit des Patienten führen. In den meisten Fällen kann die Lipomatosis dolorosa auch nicht mit Hilfe von Schmerzmitteln behandelt werden. Die Patienten leiden weiterhin auch an einer Verwirrung und an Stimmungsschwankungen. Auch Beschwerden einer Demenz oder Depressionen können auftreten. Nicht selten führt die Krankheit auch zu epileptischen Anfällen.
Die Behandlung der Krankheit wird mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt. In der Regel treten Komplikationen nur dann auf, wenn keine Behandlung stattfindet. Die Betroffenen sind allerdings auch auf eine Fettreduktion oder auf eine Fettabsaugung angewiesen. In vielen Fällen sind allerdings auch psychologische Behandlungen notwendig. Ob es durch die Lipomatosis dolorosa zu einer verringerten Lebenserwartung des Patienten kommt, kann in der Regel nicht im Allgemeinen voraussagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Übergewicht, Schmerzen im Fettgewebe und andere Anzeichen einer Lipomatosis dolorosa sollten ärztlich abgeklärt werden. Auch Symptome wie Knoten oder Fettansammlungen an den Gelenken deuten auf Morbus Dercum hin und werden deshalb bestenfalls zügig abgeklärt. Wenn es als Folge des wachsenden Fettgewebes zu Bewegungseinschränkungen, Durchblutungsstörungen und anderen Beschwerden kommt, ist ärztlicher Rat gefragt. Selbiges gilt, wenn sich im Zusammenhang mit dem Leiden auch psychische Beschwerden einstellen. Dann sollte ein Therapeut aufgesucht werden, der optimalerweise mit dem behandelnden Arzt in Kontakt steht.
Durch eine Kombinationstherapie wird eine optimale Behandlung des Leidens und seiner Symptome ermöglicht, wodurch sich langfristig auch die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Zu den Risikogruppen zählen Menschen mit Hormonstörungen, Funktionsstörungen des Fettgewebes und chronischen Entzündungskrankheiten. Die Erkrankung kann von einem Hausarzt oder einem Facharzt diagnostiziert werden. Die Behandlung des Grundleidens erfolgt durch einen Spezialisten für Erkrankungen des Fettgewebes, während die Symptome von verschiedenen Fachärzten (etwa Dermatologen und Gastroenterologen) behandelt werden. Bei Übergewicht wird am besten ein Ernährungsmediziner eingeschaltet.
Behandlung & Therapie
Derzeit kann die Lipomatosis dolorosa nicht befriedigend therapiert werden. Die Behandlung erfolgt weitgehend symptomatisch durch die Gabe von Analgetika, wobei traditionelle Schmerzmittel wirkungslos sind. Durch intravenöse Infusionen von Lidocain kann wochenlange und manchmal sogar monatelange Schmerzfreiheit erzielt werden. Da hier viele Nebenwirkungen auftreten, ist diese Behandlung nicht als langfristige Therapieform geeignet.
Als Alternativen bieten sich Lidocain haltige Pflaster und Cremes an. Dabei kann zumindest eine Schmerzreduktion erreicht werden. Auch lokale Injektionen von Kortikosteroiden (Prednison) reduzieren die Schmerzen. Des Weiteren verhelfen auch Kombinationen von Mexiletin und Amitriptylin oder von Infliximab und Methotrexat zur Schmerzlinderung. Durch Gewichtsreduktion kann keine Linderung erzielt werden. Weder die Lipome noch die Schmerzen verschwinden dadurch. Chirurgisch kann das Fettgewebe entfernt (Fettgewebsexzision) oder das Fett abgesaugt werden.
Das bringt jedoch keinen dauerhaften Erfolg. An der gleichen Stelle entstehen häufig erneut Lipome. Die Lipomatosis dolorosa ist eine chronische Erkrankung und nimmt einen progredienten Verlauf. Neben einer lebenslangen Therapie der Erkrankung muss begleitend oft auch eine psychologische Betreuung erfolgen. Der Leidensdruck auf die Patienten ist allein schon aufgrund der starken Schmerzen sehr hoch. Dazu kommt noch die Gewissheit, dass die Lipomatosis dolorosa derzeit nicht heilbar ist.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Lipomatosis dolorosa ist zumeist ungünstig. Die Erkrankung hat ein progredienten Verlauf und kann mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten nicht gestoppt werden. Dennoch hängt die weitere Entwicklung stark von der ursächlichen Störung ab. Mediziner und Wissenschaftler vermuten einen genetischen Defekt des Patienten. Vollständig aufgeklärt ist die Entstehung der Erkrankung jedoch bislang nicht. Ein Gendefekt kann und darf aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht verändert werden. Ein Eingriff in die Genetik des Menschen ist untersagt.
Dennoch zeigen sich die Unregelmäßigkeiten bei Patienten mit einer Adipositas. Vorbeugende Maßnahmen sind aus diesem Grund bei Menschen mit einer familiären Häufung möglich. Sie können einen positiven Einfluss auf die sich entwickelnden Beschwerden nehmen und sollten rechtzeitig angewendet werden. Operative Eingriffe zeigten bislang keinen Erfolg. Die Bildung des Fettgewebes ist innerhalb kurzer Zeit erneut derart fortgeschritten, dass keine Verbesserung zu verzeichnen ist. Eine Gewichtsreduktion in diesem Stadium der Erkrankung bringt ebenfalls keine Genesung.
Die Erkrankung ist mit starken Schmerzen verbunden und stellt daher für den Betroffenen bei der Bewältigung im Alltag eine starke Herausforderung dar. Bei der Vielzahl der Fälle können psychische Folgeerkrankungen beobachtet werden. Diese Entwicklung hat einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität des Betroffenen und verschlechtert die Prognose zusätzlich.
Vorbeugung
Da die Ursache der Lipomatosis dolorosa völlig unklar ist, kann keine Empfehlung zur Prophylaxe der Erkrankung abgegeben werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine genetische Disposition vorliegt. Die Faktoren für die Auslösung der Erkrankung sind aber nicht bekannt. Da die Erkrankung häufig bei Frauen nach der Menopause erstmalig auftritt, ist es möglich, dass Hormonumstellungen eine Rolle spielen. Ob eine gesunde Lebensweise die Auslösung der Lipomatosis dolorosa verhindern kann, ist nicht bekannt.
Nachsorge
Die Lipomatosis dolorosa kann beim Betroffenen zu einer Reihe von unterschiedlichen Komplikationen und Beschwerden führen, sodass Betroffene bei dieser Krankheit auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen sollten. Es kann nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, wobei sich die Beschwerden meist verschlechtern, wenn keine Behandlung eingeleitet wird. Daher sollte der Betroffene schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Lipomatosis dolorosa einen Mediziner kontaktieren.
Die meisten Betroffenen leiden aufgrund der Erkrankung an Fettleibigkeit. Es kommt daher auch nicht selten zu Depressionen, zu einem verringerten Selbstwertgefühl und in vielen Fällen sogar zu Minderwertigkeitskomplexen. Dabei kann es bei Jugendlichen oder bei Kindern zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. Die meisten Patienten zeigen starke Schwankungen der Stimmung und weisen häufig eine geistige Verwirrung auf.
Es kommt mitunter zu starken Depressionen und zu einer Demenz, wobei einige Betroffene auch an Epilepsie erkranken. Im schlimmsten Fall kann ein epileptischer Anfall sogar zum Tod führen. Der weitere Verlauf der Lipomatosis dolorosa ist stark von der genauen Ursache abhängig, sodass eine allgemeine Voraussage oft nicht möglich ist. In einigen Fällen ist dabei jedoch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.
Das können Sie selbst tun
Für die Patienten mit Lipomatosis dolorosa ist es von besonderer Wichtigkeit, einen Umgang mit den starken Schmerzen zu finden, die die Krankheit hervorruft. Da die Schmerzen sowohl in ruhender Position als auch bei der Ausführung von Bewegungen auftreten, versuchen die Betroffenen ein angenehmes und erträgliches Maß verschiedener Aktivitäten zu finden. Generell ist die regelmäßige Vorstellung beim behandelnden Arzt mit entsprechenden Kontrolluntersuchungen unerlässlich für die erkrankten Patienten, um auch den allgemeinen Gesundheitszustand zu überwachen. Denn die Erkrankung geht teilweise mit anderen Beschwerden wie Epilepsie einher, sodass rascher Handlungsbedarf besteht.
Gewöhnliche Schmerzmittel zeigen bei dieser Krankheit keine Wirkung, sodass die Patienten spezielle Schmerzbehandlungen erhalten. Jedoch kehren die Schmerzen selbst nach vorübergehend erfolgreicher Therapie zurück, worunter die Betroffenen auch seelisch leiden. Insgesamt stellt die Krankheit eine starke psychische Belastung dar und resultiert häufig in seelischen Beschwerden wie Depressionen. Deshalb führen die Patienten im eigenen Interesse eine Psychotherapie durch.
Wenngleich es sich um eine chronische Erkrankung mit derzeit noch ausstehenden Heilungsaussichten handelt, achten die Patienten auf einen gesunden Lebensstil, um keine weiteren chronischen Erkrankungen zu begünstigen. Dazu gehören einerseits eine ausgewogene Ernährung sowie mit dem Arzt hinsichtlich Art und Umfang abgeklärte sportliche Betätigungen.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012