Multizystische Nierendysplasie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der multizystischen Nierendysplasie handelt es sich um eine angeborene Nierenerkrankung, die aber nicht erblich bedingt ist. Der Ausprägungsgrad der Erkrankung ist unterschiedlich. Es bildet sich eine Zystenniere aus.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine multizystische Nierendysplasie?

Die Symptome der multizystischen Nierendysplasie sind bei den einzelnen Patienten unterschiedlich. Neben symptomlosen Verlaufsformen können auch schwerwiegende Nierenerkrankungen bis zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz auftreten.
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Die multizystische Nierendysplasie wird der Gruppe der polyzystischen Nierenerkrankungen (PKD) zugeordnet. Im Gegensatz zu den klassischen polyzyklischen Nierenerkrankungen ist sie jedoch nicht erblich bedingt. Sie tritt im Rahmen der Embryonalentwicklung sporadisch auf und führt wie die polyzystischen Nierenerkrankungen zu einer Zystenniere.

Oft fehlt das Nierenbeckenkelchsystem. Es gibt unilaterale und bilaterale Formen der Erkrankung. Während bei der unilateralen multizyklischen Nierendysplasie nur eine Niere betroffen ist, sind bei der bilateralen Form beide Nieren erkrankt. Bei der unilateralen Form ist der Verlauf der Erkrankung meist symptomlos, weil die gesunde Niere alle Funktionen übernimmt. Die bilaterale Form führt bei Nichtbehandlung zum Tod durch die völlige Zurückbildung beider Nieren.

Zystische Nierenerkrankungen werden zunächst nach genetisch vererbbaren und nicht-vererbbaren Formen klassifiziert. Nach der Klassifikation von Potter wird die Zystenbildung in Abhängigkeit des Nephronabschnittes zugrunde gelegt. So wird die multizystische Nierendysplasie als nicht-vererbbare Nierenerkrankung und nach der Potter-Klassifikation als Potter IIa klassifiziert. Die multizystische Nierendysplasie gilt als der häufigste abdominelle Tumor oder die häufigste zystische Erkrankung der Nieren im Neugeborenenalter. Die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung beträgt 1 pro 4300 Lebendgeburten.

Ursachen

Die Ursachen für die multizystische Nierendysplasie sind nicht bekannt. Es ist nur bekannt, dass die Nierenveränderungen sporadisch während der Embryonalentwicklung auftreten und nicht vererbt werden. Es treten auch keine familiären Häufungen auf. Im Gegensatz dazu gibt es polyzystische Nierenerkrankungen, die genetisch bedingt sind und sowohl autosomal rezessiv als auch autosomal dominant vererbt werden können.

Bei der multizystischen Nierendysplasie kommt es während der Embryogenese zu einer gestörten Interaktion zwischen Harnleiter- und Nierenanlage. Dadurch können die einzelnen Nephrone nicht richtig angelegt werden. Nach einer Theorie wird das metanephritische Blastem durch die Ureterknospe abnormal induziert. Auch virale Infektionen als Ursache der Fehlbildung werden diskutiert.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der multizystischen Nierendysplasie sind bei den einzelnen Patienten unterschiedlich. Neben symptomlosen Verlaufsformen können auch schwerwiegende Nierenerkrankungen bis zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz auftreten. Der Verlauf ist entscheidend davon abhängig, ob nur eine oder beide Nieren betroffen sind. Meist tritt eine unilaterale Nierenbeteiligung auf. Dabei ist nur eine Niere betroffen. Im weiteren Verlauf kommt es zwar zur völligen Zurückbildung der Niere. Da jedoch noch eine gesunde Niere vorhanden ist, treten keine Symptome auf.

Die gesunde Niere übernimmt die volle Nierenfunktion. Die bilaterale multizystische Nierendysplasie ist wesentlich seltener. Sie führt aber zum vollständigen Versagen der Nieren im Rahmen einer Zystenniere. Erste Manifestationen der Erkrankung treten zwischen Geburt und Kindesalter auf. Unilaterale Manifestationen sind zwar oft symptomlos, können sich aber auch durch häufige Harnwegsinfektionen im Kindesalter äußern. Bei der bilateralen Form kommt es bereits bei Kleinkindern zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz.

Im weiteren Verlauf tritt bei beiden Formen eine spontane Involution auf. Das heißt, eine oder beide Nieren bilden sich spontan zurück. Oft führt das später zur Fehldiagnose einer Nierenagenesie (erblich bedingtes Fehlen einer Niere). Auch der Harnleiter ist zuweilen von Fehlbildungen gekennzeichnet, sodass es zu Schwierigkeiten beim Urinieren kommen kann. Manchmal liegt eine zystische Dysplasie der Hoden vor. Bei einer bilateralen multizystischen Nierendysplasie kann ohne Dialyse innerhalb von acht Wochen im Rahmen eines fatalen Potter-Syndroms der Tod eintreten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Befund einer multizystischen Nierendysplasie kann nur über verschiedene Diagnoseverfahren eindeutig ermittelt werden. So muss zunächst im Rahmen einer Familienanamnese eine erbliche Komponente ausgeschlossen werden. Als bildgebende Verfahren werden die Sonografie und gegebenenfalls eine CT eingesetzt. Bei verdächtigen Veränderungen kommen Laboruntersuchungen infrage.

Wichtig ist die Untersuchung von Kreatininclearance und Blutbild. Weiterhin müssen eine Urindiagnostik und eine Langzeitblutdruckmessung durchgeführt werden. Die Ausscheidungsfunktion der Nieren wird über ein Urinausscheidungsprogramm ermittelt. Differenzialdiagnostisch müssen jedoch die Markschwammniere und die Nierenzyste ausgeschlossen werden.

Komplikationen

Nicht in jedem Fall muss es bei dieser Erkrankung zu besonderen Beschwerden oder zu Komplikationen kommen. Sie kann auch in einigen Fällen symptomlos verlaufen und führt damit nicht zu besonderen Komplikationen oder Einschränkungen. In einem bösartigen Verlauf kommt es allerdings zu einer Niereninsuffizienz, sodass der Betroffene ohne Behandlung in der Regel verstirbt.

Diejenigen sind dann entweder auf eine Spenderniere oder auf die Dialyse angewiesen, um zu überleben. Die Lebenserwartung wird in einem negativen Verlauf der Krankheit deutlich eingeschränkt und die Lebensqualität verringert. Ebenso kann es zu Infekten oder Entzündungen an den Harnwegen des Betroffenen kommen, die in den meisten Fällen mit Schmerzen und anderen unangenehmen Beschwerden verbunden sind.

Auch die Hoden sind in einigen Fällen von der Krankheit betroffen. Sollte die Position der Niere im Körper verändert sein, so kann diese Beschwerde ebenfalls zum Tode des Betroffenen führen. Im Laufe der Behandlung wird in der Regel eine Transplantation der Niere durchgeführt.

Dabei kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Bei einer erfolgreichen Transplantation kommt es allerdings zu einem positiven Verlauf. Ob die Lebenserwartung eingeschränkt wird oder nicht, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Werden bei Säuglingen oder Kindern Unregelmäßigkeiten der Urinausscheidung bemerkt, ist unverzüglich ein Arzt zu konsultieren. In vielen Fällen können Geburtshelfer oder Kinderärzte bereits bei den ersten nachgeburtlichen Untersuchungen Störungen feststellen. Sie leiten automatisch weitere Schritte für eine ausreichende gesundheitliche Versorgung des Säuglings ein, damit keine Komplikationen auftreten.

Kommt es im weiteren Entwicklungs- und Wachstumsprozess des neugeborenen Kindes zu Auffälligkeiten der Urinmenge, der Farbe des Urins oder einer ungewöhnlichen Geruchsbildung, wird ein Arzt benötigt. Allgemeine Besonderheiten des Toilettengangs oder Veränderungen müssen beobachtet werden. Sind sie akut, halten sie über eine längere Zeit an oder nehmen sie an Intensität zu, ist ein Arztbesuch notwendig.

Bei Schmerzen, Schwellungen am Körper oder Veränderungen des Hautbildes, liegt eine gesundheitliche Beeinträchtigung vor, die untersucht und behandelt werden muss. Leidet der Betroffene unter einer inneren Unruhe, Apathie, Schlafstörungen oder allgemeinen vegetativen Auffälligkeiten, wird ein Arztbesuch empfohlen. Eine Verweigerung der Flüssigkeitszufuhr, ein vermehrtes Auftreten von Infektionen der Harnwege sowie Krämpfe müssen einem Arzt vorgestellt werden.

Tritt ein akuter gesundheitlicher Zustand ein, wird ein Rettungsdienst benötigt. Ein Notarzt ist zu alarmieren und Erste-Hilfe-Maßnahmen sind einzuleiten, da das vorzeitige Ableben des Betroffenen droht. Zeigt sich ein Desinteresse an sozialen Aktivitäten oder werden andere Verhaltensauffälligkeiten bemerkt, wird die Rücksprache mit einem Arzt angeraten.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der multizystischen Nierendysplasie kann leider nur symptomatisch erfolgen. Eine Heilung der Erkrankung ist ausgeschlossen. Dabei kommt es hauptsächlich auf die Prävention und das frühzeitige Erkennen einer schwerwiegenden Niereninsuffizienz an. Daher ist es notwendig, regelmäßige Kontrollen der Laborwerte durchzuführen.

Das gilt für sonografische Untersuchungen, ständige Bestimmung der Kreatininclearance, der Ausscheidungsfunktionen von Nieren und Harnleiter sowie der Untersuchung des Urins auf Blut- und Eiweißbestandteile. Bei arteriellem Bluthochdruck muss dieser schnell behandelt werden. Wenn es zu einer dauerhaften Niereninsuffizienz kommt, muss zunächst für die regelmäßige Dialyse gesorgt werden. Gegebenenfalls wird auch eine Nierentransplantation notwendig.

Sehr wichtig ist die Behandlung der ständigen Harnwegsinfektionen. Bei starken Schmerzen werden noch laparoskopische Zystostomien durchgeführt. Dabei werden mit Flüssigkeit gefüllte Zysten über eine Spiegelung eröffnet. Allerdings hat diese Behandlung keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Bei den unilateralen Formen der Erkrankung reichen die symptomatischen Behandlungen meist aus, wenn es überhaupt zu Symptomen kommt. Bei der bilateralen multizystischen Nierendysplasie muss häufig eine Nierentransplantation durchgeführt werden.


Aussicht & Prognose

Ärzte werten die Aussichten einer multizystischen Nierendysplasie als günstig. Die Ursachen der Erkrankung liegt bis heute im Dunkeln. Auch lässt sich das Entstehen im Embryonalstadium nicht verhindern. Dennoch verkleinern sich die Nieren in den ersten Lebensjahren meist von allein, wodurch das Risiko einer Niereninsuffizienz ausgeschlossen wird. In den ersten Lebensjahren werden daher regelmäßig Kontrollen notwendig. Nur bei einem schweren Verlauf und einem großen Ausmaß an Beschwerden ist eine Operation notwendig.

Die multizystische Nierendysplasie liegt bei einem aus 4.300 Neugeborenen vor. Die meisten Kleinkinder erkranken an einer unilateralen Form, die die besten Heilungsaussichten mit sich bringt. Die bilaterale Ausprägung ist seltener und verläuft mit einer großen Handlungserfordernis seitens der Ärzte. Das gilt besonders für maligne Tumore. Sehr oft müssen sich Kinder schon in jungen Jahren Dialyseverfahren unterziehen. Auch stellt sich die Frage einer Transplantation.

Eine unterlassene Behandlung führt bei der beidseitigen Ausprägung innerhalb weniger Wochen zum Tod. Grundsätzlich verkürzt sich die Lebenserwartung, insofern ein Tumor nicht vollständig entfernt werden kann. Es besteht oft auch die Gefahr der Bildung eines Rezidivs.

Vorbeugung

Einer multizystischen Nierendysplasie kann nicht vorgebeugt werden. Es ist eine angeborene Nierenerkrankung, die allerdings nicht erblich bedingt ist. Lediglich der Verlauf der Erkrankung kann über Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren dauerhaft kontrolliert werden, um die weitergehenden Behandlungen anzupassen. Die regelmäßige Therapie von Harnwegsinfektionen und der richtige Beginn der Dialysebehandlung können lebensrettend sein und den Zeitpunkt für eine Nierentransplantation hinausschieben.

Nachsorge

Auch wenn keine Behandlung erfolgt, sollten regelmäßige Kontrollen der Niere durchgeführt werden, um Harnwegsinfekte oder die Entwicklung einer Niereninsuffizienz frühzeitig zu erkennen. Für beide besteht aufgrund der Nierendysplasie ein gesteigertes Risiko. Auch sollten jährliche Kontrolle erfolgen, um anhand der Blutwerte eine renale Anämie zu erkennen.

Egal ob die fehlgebildete Niere entfernt wurde oder nicht, sollten einige Verhaltenstipps befolgt werden. Diese helfen, die verbleibende Niere zu pflegen und zu schützen. In der Regel sollte die Trinkmenge konsequent hochgehalten werden, manchmal gibt es allerdings Gegenindikationen. Dann kann mit dem Arzt eine individuell abgestimmte tägliche Trinkmenge vereinbart werden.

Vor allem bei Hitze und sportlicher Aktivität sollte besonders auf die Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Dazu sollten alle Stoffe, die die Niere unnötig belasten, gemieden werden. Dies sind zum Beispiel frei verkäufliche Schmerzmittel wie Ibuprofen, Diclofenac oder Aspirin. Einer gelegentlichen Einnahme steht nichts im Wege, zur dauerhaften Schmerztherapie sollte jedoch auf andere Medikamente ausgewichen werden.

Vor allem in der Zeit direkt nach einer operativen Entfernung der dysplastischen Niere, sollte die entsprechende Körperstelle geschont werden. Dazu gehört, dass nicht schwer gehoben werden darf und sportliche Aktivitäten nur eingeschränkt ausgeübt werden.

Das können Sie selbst tun

Die richtige Ernährung kann im Alltag bereits für mehr Wohlbefinden sorgen. Da bei einer Ernährungsumstellung nicht nur auf Nährstoffe geachtet werden muss, sondern vielmehr auf den Schweregrad der Erkrankung, ist es ratsam dies nicht in Eigenregie durchzuführen. Ein Fehler in Bezug auf die Eiweiß- und Flüssigkeitsmenge wäre je nach Schweregrad der Erkrankung fatal.

Vielmehr ist der Kontakt zu einer Ernährungsberatung sinnvoll, um dort einen individuell zugeschnittenen Ernährungsplan zu erhalten. Dieser sollte, um die Nierenfunktion nicht zu beeinflussen, insbesondere im Hinblick auf Salz, Eiweiß, Kalium, Phosphat und Natrium optimiert werden. Das Ziel ist eine ausgewogene, gesunde und zeitgleich nierenschonende Ernährung.

Um eine Schädigung der Nieren durch häufige Harnwegsinfekte zu minimieren, reicht es oft nicht das Sitzen auf kalten Oberflächen zu vermeiden. Vielmehr ist es wichtig auf eine gute Intimhygiene zu achten, welche sich nicht nur auf regelmäßiges Waschen bezieht. Die Wahl des Verhütungsmittels und der rasche Toilettengang nach erfolgtem Geschlechtsverkehr spielen bereits eine große Rolle. Bei Frauen kann ein erniedrigter Östrogenspiegel zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen, daher ist es spätestens in den Wechseljahren ratsam diesen prüfen zu lassen und mit dem Gynäkologen weitere Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen. Sofern keine Dialysepflicht besteht, ist auch der regelmäßige Genuss von Blasentee aus der Apotheke möglich.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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