Paragangliom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Den Tumor an einem autonomen Nervenknoten im vegetativen Nervensystem (Paraganglion) bezeichnet die Medizin als Paragangliom oder Chemodektrom. Je nachdem, welches Paraganglion betroffen ist, variieren Symptome und Behandlung. Die Tumore treten familiär gehäuft auf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Paragangliom?

Beschwerden, die infolge des Paraganglioms typischerweise auftreten, unterscheiden sich je nach Lokalisation des Tumors.
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Das Paragangliom oder Chemodektrom ist ein Tumor und entwickelt sich aus einem autonomen Nervenknoten des vegetativen Nervensystems, den die Medizin auch als Paraganglion kennt. Die Neubildung kann sowohl gutartig als auch bösartig sein kann; mehrheitlich handelt es sich jedoch um einen gutartigen Tumor.

Paragangliome lassen sich in verschiedene Typen einteilen: Das Paraganglioma tympanicum bildet sich im Mittelohr und betrifft vor allem Frauen um das 50. Lebensjahr, während das Paraganglioma jugulare auch als Glomus jugulare-Tumor bekannt ist und in der Fossa jugularis ossis temporalis an der Schädelbasis auftritt. Ebenfalls an der Schädelbasis, aber am Foramen jugulare, verläuft der Nervus vagus entlang, an dem sich das Paraganglioma vagale manifestieren kann.

Viszerale Paragangliome rufen Zellwucherungen an inneren Organen hervor; besonders häufig befallen sie die Harnblase. Beim Paraganglioma aorticum hingegen handelt es sich um einen aggressiven Tumor am Nervenknoten der Hauptschlagader (Aorta), der in der Hälfte der Fälle zum Tod führt.

Paragangliome, die sich speziell an der Bauchaorta bilden und Bauchhöhlenganglien betreffen, sind zum Teil auch als retroperitoneale Paragangliome bekannt. Am häufigsten tritt die Neubildung als Paraganglioma caroticum an der Halsschlagader (Arteria carotis) auf.

Ursachen

Die Ursache für die Entstehung eines Paraganglioms liegt in unkontrolliertem Zellwachstum begründet. Menschliche Zellen verfügen über eine Vielzahl von Mechanismen, die beschädigte oder destruktive Zellen bekämpfen. Kontrollprozesse auf Mikroebene erkennen beispielsweise Schäden in der DNA der Zelle, woraufhin sie sich selbst zerstören kann; diesen Vorgang nennt die Biologie auch Apoptose („Zell-Selbstmord“).

Das Immunsystem kann ebenfalls eingreifen. Bei der Tumorentstehung versagt dieser Mechanismus und die Zelle teilt sich, wobei sie gesundes Gewebe verdrängen kann und dadurch entsprechende Symptome hervorrufen kann. Paragangliome müssen sich nicht nur auf das betroffene Paraganglion auswirken, sondern können auch umliegendes Gewebe beeinträchtigen.

Vor allem für bösartige Tumore wie sie im Rahmen einer Krebserkrankung entstehen existiert ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Auslösern und der Tumorbildung. Dazu gehören Strahlung, bestimmte chemische Stoffe, Viren und Lebensstil-Faktoren wie Ernährung. Individuell lässt sich die konkrete Ursache jedoch oft nicht eindeutig feststellen. Beim familiären Phänozytom-Paraganglion-Syndrom liegt eine genetische Ursache vor, für die bisher drei Gene bekannt sind.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Beschwerden, die infolge des Paraganglioms typischerweise auftreten, unterscheiden sich je nach Lokalisation des Tumors. Viele Paragangliome lösen wegen der Stoffe, die sie produzieren und an den Körper abgeben, Bluthochdruck aus; dieses Symptom muss jedoch – wie alle anderen – nicht zwingend vorliegen. Bei Paraganglioma jugulare zum Beispiel manifestiert er sich typischerweise nicht.

Das Paraganglioma tympanicum führt in vielen Fällen zu Hörbeschwerden wie Tinnitus, Ohrensausen und eingeschränkter Hörfähigkeit bis hin zur Taubheit. Die Symptome manifestieren sich vor allem auf der Seite, auf welcher der Tumor wächst. Darüber hinaus können Schwindel und eine Beeinträchtigung des vierten Hirnnervs auftreten.

Auch zu den charakteristischen Symptomen des Paraganglioma jugulare gehört Tinnitus sowie Gesichtslähmung und Schluckstörungen. Wenn die Hirnnerven in diesem Gebiet betroffen sind, kann ihr (teilweiser) Ausfall zusätzliche Symptome hervorrufen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnostik ziehen Ärzte in der Regel bildgebende Verfahren heran, um das Paragangliom genau zu lokalisieren, sein Ausmaß zu erkennen und gegebenefalls Metastasen sichtbar zu machen. Oft ist die Magnetresonanztomografie (MRT) mit T2-Gewichtung geeignet, da sie über eine sehr hohe räumliche Auflösung verfügt. Auch eine Computertomografie (CT) oder eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) kommt in Betracht, gegebenfalls als Ganzkörperscan.

Komplikationen

In den meisten Fällen handelt es sich bei Paragangliomen um gutartige Tumoren. Allerdings zeigen ungefähr zehn Prozent aller Paragangliome die Tendenz zur malignen Entartung. Da sich anhand der Symptome nicht erkennen lässt, ob sich bereits eine Entwicklung zur Bösartigkeit eingestellt hat, sollten die Tumoren vorsichtshalber immer chirurgisch entfernt werden.

Allerdings können auch bei Vorliegen eines gutartigen Paraganglioms Komplikationen auftreten. Das hängt nun wieder davon ab, wo der Tumor lokalisiert ist. So kann es in einigen Fällen zu Hörstörungen bis zur völligen Taubheit kommen. Auch Gesichtslähmungen und Schluckstörungen werden zuweilen beobachtet. Weitere Komplikationen hängen mit der Eigenschaft einiger Paragangliome zusammen, dass es sich um neuroendokrine Tumore handelt.

Wenn sich das Paragangliom im Nebennierenmark befindet, erzeugt es größere Mengen Katecholamine wie Noradrenalin, Adrenalin oder Metanephrine. Diese Sonderform des Paraganglioms wird auch als Phäochromozytom bezeichnet. Aufgrund der Hormonbildung stellt ein Phäochromozytom eine große Gefahr für den Patienten auch unabhängig davon dar, ob der Tumor gutartig oder bösartig ist. Hier kommt es entweder zu dauerhaftem Bluthochdruck oder anfallsartigen Bluthochdruckattacken.

Die Phasen des hohen Blutdrucks sind mit Herzrasen, Schwindel, Kopfschmerzen, Blutzuckererhöhung oder Erbrechen verbunden. Als Folge können sich Schlaganfälle und Herzinsuffizienz entwickeln. In seltenen Fällen bilden auch Paragangliome, die sich außerhalb des Nebennierenmarks befinden, Katecholamine und führen zu ähnlichen Symptomen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zur Risikogruppe des Paraganglioms gehören vorrangig erwachsene Frauen in einem Alter um fünfzig Jahre. Erleiden sie Beschwerden im Bereich des Ohres, ist eine erhöhte Wachsamkeit notwendig. Bei einer verminderten Hörfähigkeit, Ohrengeräuschen oder Schwellungen am Ohr ist ein Arzt aufzusuchen. Da sich bei dem Paragangliom in einigen Fällen ein bösartiger Krankheitsverlauf entwickeln kann, sollte bereits bei den ersten Unregelmäßigkeiten ein Arzt konsultiert werden. Störungen des Schluckaktes, Veränderungen der Lautgebung sowie Lähmungserscheinungen im Gesicht weisen auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung hin.

Kommt es zu Gangunsicherheiten, Schwindel oder Übelkeit, wird ein Arzt benötigt. Taubheit oder ein einseitiges Hören sind Anzeichen einer schwerwiegenden gesundheitlichen Störung. Ein Arzt muss aufgesucht werden, damit eine Ursachenforschung eingeleitet werden kann und eine Diagnosestellung ermöglicht wird. Bluthochdruck, Herzrasen sowie Schlafstörungen sind weitere Hinweise einer Unstimmigkeit.

Halten die Beschwerden über mehrere Tage an oder nehmen sie schleichend an Intensität zu, ist ein Arztbesuch dringend zu empfehlen. In den meisten Fällen wird ein langsames Wachstum des Paraganglioms dokumentiert, was zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt. Bei Angst, einem aggressiven Auftreten sowie Stimmungsschwankungen besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Werden starke Veränderungen des Verhaltens oder der Persönlichkeit bemerkt, wird ein Arzt benötigt. Eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie ein allgemeines Unwohlsein sollten mit einem Arzt besprochen werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des Paraganglioms hängt nicht nur von individuellen Eigenschaften des betroffenen Patienten ab, sondern auch von der Art des Tumors. In vielen Fällen kommt eine operative Entfernung in Frage. Beim Paraganglioma jugulare ist sie mit einer Erfolgsrate von 96 Prozent sehr aussichtsreich; bleibende Schäden sind jedoch möglich.

Paragangliome, die den Knochen infiltriert haben, sind oft nur schwer vollständig operativ zu entfernen. Viele Stellen lassen keine Probe-Entnahme vor der eigentlichen Entfernung zu, da die betroffenen Strukturen zu fein sind. Wird das betroffene Gewebe operativ entfernt, kann eine histologische Untersuchung genauere Auskunft über die Beschaffenheit des Tumors geben. Die Tumore bilden oft ovale bis runde Strukturen, die eine rotbraune Kapsel besitzen können.

Sie besitzen ein Netzwerk aus Kapillaren an der Oberfläche, die das Paragangliom mit Nährstoffen versorgen. 10 bis 40 Prozent der Tumore sind bösartig beziehungsweise maligne; die genaue Zahl schwankt in Abhängigkeit davon, welches Paraganglion betroffen ist. Ohne erfolgreiche Behandlung können sie streuen beziehungsweise metastasieren und so weitere Organe befallen.

Das Paraganglioma aorticum hat mit rund 50 Prozent eine hohe Sterblichkeitsrate. Seltener findet im Rahmen der Behandlung von Paragangliomen auch eine Bestrahlung oder Chemotherapie statt. Unter Medizinern ist diese Anwendung jedoch sehr umstritten.


Aussicht & Prognose

Paragangliome bieten eine relativ schlechte Prognose. Tumorerkrankungen müssen frühzeitig erkannt werden, um ernste gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden. Bei einer Tumorerkrankung mit Paragangliomen ist die Lebenserwartung nicht zwingend eingeschränkt. Je früher die Therapie erfolgt, desto besser sind die Aussichten auf eine Genesung.

Werden die Paragangliome nicht entdeckt und entfernt, besteht das Risiko, dass sie sich auf umliegende Bereiche des Gewebes ausbreiten. Paragangliome können gutartig und bösartig sein. Die gutartige Variante bietet eine bessere Prognose. Bösartige Paragangliome können zu schweren gesundheitlichen Einschränkungen führen und im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.

Die Prognose bei Paragangliomen stellt der zuständige Facharzt, der die Therapie leitet. Er zieht für die Prognose verschiedene Faktoren mit ein. Dazu zählen der bisherige Krankheitsverlauf, die Schwere der Erkrankung und die Konstitution des Patienten. Ist der Patient körperlich fit, gestaltet sich die Prognose in der Regel besser. Die Prognose wird während des Krankheitsverlaufs mehrmals angepasst, denn anhand aktueller Untersuchungsergebnisse können die Risiken regelmäßig neu bewertet werden. Der Patient erfährt über seine Prognose im Rahmen eines Beratungsgespräch.

Bei Tumorerkrankungen wie Paragangliome finden diese Beratungsgespräche in regelmäßigen Abständen statt. Die Lebensqualität ist aufgrund der aggressiven Therapien und aufgrund der Tumorbeschwerden selbst eingeschränkt. Die meisten Patienten sind während der Erkrankung arbeitsunfähig.

Vorbeugung

Prävention ist nur sehr allgemein möglich, beispielsweise durch eine gesunde Lebensführung. Für Patienten, die bereits ein Paragangliom haben, sind von ihrem Arzt gegebenenfalls empfohlene Kontrolluntersuchungen wichtig, um eine Tumor-Rückkehr oder Streuung frühzeitig zu erkennen. Für Personen, in deren Verwandtschaft das familiäre Phänozytom-Paraganglion-Syndrom bekannt ist, kommt unter Umständen eine prädiktive Diagnostik in Betracht.

Nachsorge

Bei einem Paragangliom stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen nur wenige oder auch nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Bei dieser Krankheit ist in erster Linie eine schnelle Diagnose und auch eine anschließende Behandlung sehr wichtig, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden beim Betroffenen kommt. Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung, sodass der Betroffene idealerweise schon bei den ersten Anzeichen des Paraganglioms einen Arzt aufsuchen sollte.

Dabei kann die Krankheit auch genetisch bedingt auftreten, sodass auch die Kinder des Betroffenen sich regelmäßigen Untersuchungen unterziehen sollten, um einen solchen Tumor schon früh zu erkennen. Die Beschwerden können dabei auch eine Chemotherapie relativ gut gelindert werden. Dabei ist der Betroffene in den meisten Fällen auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen.

Auch die psychologische Unterstützung ist sehr wichtig und kann auch Depressionen oder andere psychische Verstimmungen verhindern. Ebenso sollten auch nach einer erfolgreichen Entfernung der Tumore regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt durchgeführt werden, um das erneute Auftreten dieser Beschwerde zu verhindern. In vielen Fällen schränkt das Paragangliom die Lebenserwartung des Betroffenen ein.

Das können Sie selbst tun

Abhängig von den Beschwerden, die das Paragangliom hervorruft, können unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden. Gegen den typischerweise auftretenden Bluthochdruck hilft eine gesunde Ernährung sowie die Vermeidung von Suchtmitteln. In Rücksprache mit dem Arzt können die Betroffenen außerdem Sport treiben.

Naturheilmittel wie Kamille, Mistel oder ein Sud aus Knoblauchzehen und Zitronensaft unterstützen die Therapie. Bei hormonellen Beschwerden können Präparate mit Maca Wurzel und anderen Naturheilmitteln eingenommen werden, die den Hormonspiegel regulieren. Grundsätzlich sollten sich die Erkrankten gesund und vitaminreich ernähren und Lebensmittel meiden, die den Cortisolspiegel erhöhen. Wenn Hörbeschwerden auftreten, sollten die Ohren keiner weiteren Überlastung ausgesetzt werden. Mit Hilfe einiger Naturheilmittel wie Ginseng kann Tinnitus und Ohrensausen zumindest reduziert werden. Sollte es zu Gesichtslähmungen oder Schluckstörungen kommen, empfehlen sich Bettruhe und Schonung.

Ein Paragangliom belastet die körperliche und seelische Gesundheit stark, weshalb Krankengymnastik, Gesprächstherapien und vergleichbare Maßnahmen angezeigt sind. Nach einem operativen Eingriff muss der Erkrankte sich schonen. Es gilt, die Vorgaben des Arztes einzuhalten und die Nachsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Bei weiteren Komplikationen muss der zuständige Arzt informiert werden.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014

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