Phytohormone

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Phytohormonen, auch Pflanzenwuchsstoffe, Wachstumsregulatoren oder Pflanzenhormone genannt, werden biochemische Signalstoffe zusammengefasst. Sie steuern die Entwicklung von Pflanzen vom Keim bis zur Samenreife. Im Gegensatz zu den echten Hormonen, die in bestimmten Geweben gebildet werden und über die Blutbahn zum Zielort gelangen, transportieren Phytohormone ihre chemischen Botenstoffe innerhalb der Pflanze vom Entstehungs- zum Zielort.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Phytohormone?

Isoflavone aus Rotklee, Prenylnaringenin aus Hopfen oder Lignane aus Leinsamen wirken ähnlich wie Geschlechtshormone und nehmen Einfluss auf das Hormongeschehen.
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Wenn es um Phytohormone geht, werden zwei unterschiedliche Ansätze genannt. Die Botanik kennt die Pflanzenhormone als Wachstumssubstanzen. Die Pharmazie versteht unter Phytohormonen Inhaltsstoffe, die beim Menschen eine hormonelle Wirkung erzielen.

Dadurch sind Phytohormone in das Blickfeld der Wissenschaft geraten, weil nach einer Alternative zur Hormonersatztherapie in den Wechseljahren gesucht wurde. Die künstlichen Hormone, die Frauen gegen Klimakteriumsbeschwerden helfen sollten, gerieten aufgrund ihrer krebserzeugenden Wirkung immer mehr in Verruf. Pflanzenhormone, so die Vermutung, seien aufgrund ihrer geringeren Hormonkonzentration harmloser. Das ist nur bedingt richtig. Denn auch Pflanzenhormone sind Hormone, die den Hormonstoffwechsel verändern.

Auch unterscheiden sich Phytohormone deutlich von richtigen Hormonen. Die Pflanzenhormone sind in erster Linie Wachstumsregulatoren. Was sie mit den Hormonen verbindet ist die Fähigkeit, Signale über eine große Entfernung zu entsenden und selbst in geringer Konzentration eine hohe Wirksamkeit zu erzielen. Phytohormone finden sich in allen Kormophyten, den höheren Pflanzen, die mit Blättern, Sprossachsen und Wurzeln ausgestattet sind.

Funktion, Wirkung und Ziele von Phytohormonen

Das Hormonkonzept, das ursprünglich für tierische Organismen entwickelt wurde, lässt sich nicht zu hundert Prozent auf die Phytohormone übertragen. Denn Pflanzen verfügen nicht über Hormondrüsen, also keine festen Produktionsstätten. Im Gegenteil werden bestimmte Strukturen erst durch Einflüsse von aussen zur Schaffung von Hormonen angeregt.

Damit unterliegen Bildungs- und Wirkort keiner strengen Trennung. Phytohormone können in denselben Gewebestrukturen sowohl produzieren, als auch eine Wirkung ausüben. Zudem ist ein Phytohormon in der Lage, in unterschiedlichen Organen völlig gegensätzliche Reaktionen auszulösen. Einerseits kann ein Pflanzenhormon das Wachstum der Blüte fördern, gleichzeitig ein Wachstum der Wurzel hemmen. Phytohormone sind in fünf Gruppen unterteilt.

Drei davon sind wachstumsfördernde Pflanzenhormone wie Cytokinine, Gibberelline und Auxine. Die anderen beiden sind die hemmenden Pflanzenhormone Ethylen und Abscisinsäure. Hinzu kommt das Peptidhormon Systemin. Auch Salizylate, Brassinosteroide und Jasmonate haben eine wichtige Funktion und seit neuestem wird auch die chemische Gruppe der Strigolactone als Pflanzenhormon anerkannt. Diese sind unter anderem für die Samenkeimung zuständig.

Phytohormone steuern als Signalmoleküle nicht nur das Wachstum der Pflanze, sondern fungieren auch als Koordinatoren. Die Pflanzenhormone werden vom Ort ihrer Entstehung zu einem Zielort transportiert. Das geschieht entweder von Zelle zu Zelle, über den Raum zwischen den Zellen oder über bestimmte Leitungsbahnen. Die Hormonwirkung selbst wird durch die Aktivierung spezieller Gene hervorgerufen, die von bestimmten hormonsensitiven Initiatoren gesteuert werden.

Über die Wirksamkeit eines Hormons entscheidet dessen Konzentration und die Empfindlichkeit der Zelle, die auf das Phytohormon reagiert. Nicht selten sind mehrere Pflanzenhormone an der Regulierung eines bestimmten physiologischen Vorgangs beteiligt.

In diesem Fall ist nicht die Konzentration des einzelnen Phytohormons entscheidend, sondern das Zusammenspiel aller und ihr Verhältnis zueinander. Der Entwicklungsprozess in einer Pflanze beruht auf einem fein abgestimmten, wechselseitigen Zusammenspiel. Das Wachstum von Blättern, Sprossen und Wurzeln kann sowohl gehemmt, gefördert oder ausgelöst werden. Auch Ruhephasen, Pflanzenbewegungen und Lichtwendigkeit werden von Phytohormonen gesteuert.


Anwendung und Besonderheiten von Phytohormonen

Der Mensch nimmt täglich über seine Nahrung einen bestimmten Prozentsatz an Phytohormonen auf, der sich allerdings im Milligramm-Bereich bewegt. Das brachte die Wissenschaftler auf die Idee, die künstlich erzeugten Hormone gegen Wechseljahrsbeschwerden durch Phytohormone zu ersetzen.

Isoflavone aus Rotklee, Prenylnaringenin aus Hopfen oder Lignane aus Leinsamen wirken ähnlich wie Geschlechtshormone und nehmen Einfluss auf das Hormongeschehen. Dadurch sind verschiedene Pflanzen in den Fokus gerückt. Die Traubensilberkerze regt die Östrogenbildung an, hemmt aber gleichzeitig das Gestagen.

Die Isoflavone im Rotklee können eine übermäßige Östrogenbildung wieder normalisieren. Diesen Isoflavonen wird eine stärkere Wirkung nachgesagt, als jenen aus der Sojapflanze. Der Mönchspfeffer ist mit seinen Iridoidglykosiden wie Agnusid und Aucubin in der Lage, die körpereigene Progesteronproduktion anzukurbeln. Der Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht vollständig klar.

Der Hopfen war lange nur für seine schlaffördernde Wirkung bekannt, bis seine östrogene Wirkung entdeckt wurde. Dieser Effekt ist vor allem dem östrogenwirksamen Flavonoid Hopein (8-Prenylnariingenin) zu verdanken. Diese Substanz aktiviert den Östrogenrezeptor. Die östrogenartige Wirkung führt auch immer wieder zu Diskussionen über Männer, die sehr viel Bier trinken und eine leichte Verweiblichung in Form eines Brustansatzes entwickeln. Damit wird auch eine andere Seite der Phytohormone deutlich.

Nicht alles Pflanzliche ist unbedenklich. So hat sich bei einigen Isoflavonen herausgestellt, wie etwa dem Genistein aus der Sojapflanze, dass sie eine Veränderung des Erbgutes bewirken können. Zwar stammen derartige Ergebnisse aus dem Labor und sind erst ab einer bestimmten Konzentration schädlich. Dennoch warnen die Mediziner davor, Phytohormone unkontrolliert einzunehmen. Zumal bekannt ist, dass auch pflanzliche Hormone das Wachstum von Tumorzellen fördern. Insgesamt ist die Auswirkung von Phytohormonen auf den menschlichen Organismus noch nicht vollständig geklärt.

Trotz geringer Nebenwirkungen sollten sie nicht länger als drei Monate eingenommen werden. Insbesondere krebskranke Patienten dürfen Phytohormone nur nach ärztlicher Rücksprache verwenden. Bei Schmerzen, Krämpfen, Fieber oder Blutungen muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden.

Quellen

  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007
  • Löffler, G.: Basiswissen Biochemie. Springer, Berlin 2008
  • Schänzler, N., Bieger, W.P.: Laborwerte. Gräfe und Unzer, München 2009

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