Postaggressionssyndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim Postaggressionssyndrom handelt es sich um einen Sammelbegriff für die Symptome und Prozesse im menschlichen Organismus, die sich nach starken Verletzungen, chirurgischen Eingriffen oder Infekten ergeben. Das Phänomen wird synonym auch als Stressstoffwechsel oder Resorptionsstoffwechsel bezeichnet. Das Postaggressionssyndrom ist in erster Linie durch einen verstärkten Metabolismus gekennzeichnet.
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Was ist das Postaggressionssyndrom?
Der Verlauf des Postaggressionssyndroms unterteilt sich üblicherweise in vier Abschnitte. Die erste Phase der Verletzung erstreckt sich über einen Zeitraum zwischen zwei und vier Tagen. In dieser Zeit empfindet der Patient Schmerzen, starken Durst und leidet an depressiven Stimmungen. Anschließend folgt die sogenannte Wendephase.
Während dieser normalisieren sich Lebensfunktionen wie Blutdruck, Körpertemperatur, Puls, Atmung, Verdauung und Hungergefühl allmählich wieder. Die Dauer der nachfolgenden anabolen Phase beträgt zwischen zwei und drei Wochen. In dieser Zeit gleicht sich die Stimmung des Patienten nach und nach wieder der ursprünglichen emotionalen Verfassung an.
Die Personen verspüren ein erhöhtes Bedürfnis zu schlafen. Zudem ist die Bilanz des Stickstoffs im Körper positiv, sodass wieder Eiweiß aufgebaut wird. Im letzten Abschnitt, der Rekonvaleszensphase, nimmt der Patient wieder Körpergewicht zu. Außerdem normalisiert sich die physische Leistungsfähigkeit.
Ursachen
Somit bleibt der Organismus trotz potenziellen Verlusten an Blut oder Wasser am Leben. Außerdem stellt der Körper auf den sogenannten katabolen Stoffwechsel um. Dieser spezielle Metabolismus verbessert zunächst den Erfolg von Kampf- oder Fluchtverhalten des Menschen. Zudem werden dadurch Prozesse zur Reparatur von organischem Gewebe unterstützt.
Das Postaggressionssyndrom wird durch verschiedene Faktoren ausgelöst, die miteinander in Wechselwirkung stehen und sich zudem gegenseitig intensivieren. Zu den Entstehungsfaktoren zählen in erster Linie Angst, Schmerz, der Verlust von Flüssigkeit sowie Verletzungen von Körpergewebe.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Postaggressionssyndrom ist durch verschiedene Prozesse im menschlichen Körper gekennzeichnet, die nach einem festgelegten Schema ablaufen. Zunächst werden beim betroffenen Patienten zahlreiche Hormone produziert und freigesetzt. Dazu gehören in erster Linie Adrenalin, Cortisol, Noradrenalin sowie Glucagon. Auch Wachstumshormone spielen eine wichtige Rolle.
Diese Hormone erhöhen beispielsweise Blutdruck und Herzfrequenz. Außerdem führen sie dazu, dass dem Körper rasch Energie aus entsprechenden Reserven zur Verfügung steht. Diese Mechanismen und Reaktionen erhöhen die Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Person erheblich. Evolutionsgeschichtlich dienen sie der Unterstützung der Flucht- beziehungsweise Kampfreaktion des Menschen.
Zur Umsetzung dieser Prozesse des Postaggressionssyndroms bedient sich der Körper verschiedener Nährstoffe. Eiweiße werden durch eine erhöhte Proteolyse abgebaut, während Fettsäuren durch eine gesteigerte Lipolyse verfügbar gemacht werden. Ähnlich verhält es sich mit den Stoffen Glukose und Glykogen, die der Körper für die Energieversorgung benötigt. Gleichzeitig wird die Freisetzung von Insulin reduziert.
In der Folge davon erhöht sich der Gehalt an Glukose im Blut. Glukose versorgt den menschlichen Organismus sehr schnell mit neuer Energie. Zudem ergibt sich ein Mangel an Blutvolumen infolge der Verluste von Blut und anderen Flüssigkeiten des Organismus. Diese werden entweder nach außen verloren oder ergießen sich in den Darm oder Ödeme.
Verschiedene Stresshormone resultieren im sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Die damit verbundene Zurückhaltung von Wasser und dem Nährstoff Kalium erhöht den Blutdruck.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Postaggressionssyndroms gestaltet sich in der Regel nicht schwierig. Denn das Phänomen stellt eine typische Reaktion des menschlichen Körpers dar und gehört zum Alltag zahlreicher Ärzte. Das Postaggressionssyndrom lässt sich in erster Linie anhand des katabolen Metabolismus sowie der Störungen im Hormonhaushalt und dem Herz-Kreislauf-System diagnostizieren.
Patienten mit dem Postaggressionssyndrom leiden zunächst an Müdigkeit und körperlicher Schwäche sowie ausgeprägtem Durstgefühl. Außerdem zeigen sich eine Oligurie, eine Vasokonstriktion und eine Tachypnoe. Bedingt durch die gesteigerte Konzentration an Cortisol ist das Abwehrsystem der betroffenen Menschen geschwächt. Zahlreiche Personen leiden an Bluthochdruck und Tachykardie.
Komplikationen
Auch Ersthelfer können eine Herz-Lungen-Wiederbelebung versuchen, die sich aus einer kräftigen Herzdruckmassage und der Beatmung zusammensetzt. Diese Maßnahme wird fortgesetzt, bis der Notarzt eintrifft. Dabei sollte der Ersthelfer auch eventuelle Verletzungen des Verletzten oder Bewusstlosen erwähnen.
Eine andere mögliche Komplikation des Postaggressionssyndroms ist der medizinische Schock. Auch ein Schock ist lebensbedrohlich und kann in einen Kreislaufstillstand übergehen. Der Schock ist durch einen Sauerstoffmangel im Gewebe des Körpers gekennzeichnet. Die Sauerstoffsättigung des Blutes wird in der Intensivmedizin und während Operationen standardmäßig gemessen, damit Ärzte auf Abweichungen rasch reagieren können.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Postaggressionssyndrom muss nicht zwingend ärztlich behandelt werden. Wenn das Syndrom keine ernsten Beschwerden hervorruft, klingt es meist von selbst wieder ab, ohne dass weitere Maßnahmen vonnöten sind. Sollten sich allerdings schwere Symptome wie Herzrasen oder starker Durst einstellen, ist ärztlicher Rat gefragt. Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden, sollten den zuständigen Arzt informieren, wenn die genannten Symptome auftreten. Die Beschwerden können durch einen Ausgleich des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts gelindert werden.
Sollte es zu einem Kreislaufstillstand kommen, muss der Rettungsdienst gerufen werden. Der Betroffene ist umgehend zu behandeln und muss einige Tage in der Klinik verbringen. Weitere Arztbesuche sind nötig, wenn die Therapie nicht die erwünschte Wirkung zeigt. Falls noch nicht geschehen, muss die Ursache für das Postaggressionssyndrom ermittelt werden. Die Patienten sollten den Hausarzt oder einen Kardiologen aufsuchen. Ein Facharzt für hormonelle Erkrankungen kann ebenfalls in die Behandlung involviert werden, damit etwaige hormonelle Ursachen ermittelt oder ausgeschlossen werden können.
Behandlung & Therapie
Das Postaggressionssyndrom ist bei der Therapie von Verletzungen oder schweren Infektionskrankheiten zu berücksichtigen. Vor allem bei älteren Patienten sind die Maßnahmen gründlich abzuwägen und einzusetzen. Das Postaggressionssyndrom wird beispielsweise mit Medikamenten zur Schmerzlinderung therapiert. Außerdem erhalten die betroffenen Personen eine Infusionstherapie und werden gegebenenfalls sediert.
In besonders schweren Fällen bekommen die Patienten Bluttransfusionen und Eiweiße. Auch der Elektrolythaushalt wird streng kontrolliert. Bei Patienten mit einer intensivmedizinischen Therapie ist besonders vorsichtig vorzugehen. Dabei wird eine Ernährungsbehandlung zunächst unterlassen. Stattdessen wird im ersten Schritt der Elektrolythaushalt weitgehend normalisiert.
Im Zusammenhang mit dem Postaggressionssyndrom sind verschiedene Komplikationen möglich, die vor allem bei einer ausbleibenden Normalisierung der metabolischen Situation entstehen. In solchen Fällen führt das Postaggressionssyndrom unter Umständen zu einem Schock und endet durch einen Zusammenbruch des Kreislaufs im Tod des Patienten.
Vorbeugung
Konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung des Postaggressionssyndroms bestehen nicht. Das Postaggressionssyndrom ist aus evolutionärer Sicht sinnvoll und erhöht die Überlebenschancen von Menschen nach traumatischen Verletzungen. Wichtig ist daher eine an das Postaggressionssyndrom und den Einzelfall angepasste Behandlung der Traumata.
Nachsorge
Bei der Nachsorge gilt es, das seelische Gleichgewicht zu stabilisieren sowie das körperliche Wohlbefinden aufzubauen. Betroffene sollten darauf achten, ausreichend nicht-alkoholische Flüssigkeiten zu sich zu nehmen sowie ihren Elektrolythaushalt zu normalisieren. Ein harmonisch ausgeglichener Säure-Basen-Speiseplan hilft dem Körper, sich in kurzer Zeit selbst ausreichend zu versorgen.
Dies gilt besonders für Patienten, die aufgrund der Erkrankung eine Bluttransfusion und Eiweiße erhalten haben. Speziell ältere Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden, benötigen umfassenden Beistand und Rückhalt von Freunden, Familie und dem Pflegeteam. Neben der regelmäßigen Abklärung zwischen Patient und Arzt über den physischen und psychischen Zustand sollten Betroffene sich auch in Selbsthilfegruppen eingehend mit ihrem Krankheitsbild auseinandersetzen. Dies kann den Umgang mit der Erkrankung enorm erleichtern.
Wichtig ist es, in bestimmten Abständen den Elektrolythaushalt ärztlich kontrollieren zu lassen. Innerhalb der Rekonvaleszenz-Phase haben Betroffene ein starkes Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf. Dem sollte bis zur Normalisierung Leistungsfähigkeit nachgegeben werden. Ferner sind Stress und körperliche Überanstrengung zu vermeiden. Desgleichen ist es ratsam, dass sich Betroffene mit positiven Dingen beschäftigen.
Dies kann im Rahmen der Selbsthilfegruppe und privat durchgeführt werden. Sofern keine Selbsthilfegruppe in Anspruch genommen wird, sollte eine psychotherapeutische Therapie angestrebt werden, damit Folgekomplikationen erst gar nicht auftreten. Eine optimistische Lebenseinstellung unterstützt und stärkt den Heilungsprozess.
Das können Sie selbst tun
Bei einem Postaggressionssyndrom gilt es, die mentale Stärke zu stabilisieren und aufzubauen. Der Betroffene sollte sich umfassend über den Verlauf des Syndroms informieren. Bereits nach wenigen Tagen stellt sich eine Verbesserung der Gesundheit ein, so dass oftmals die Zeit überwunden werden muss, bis es zu einer automatischen Linderung der Beschwerden kommt.
Eine grundsätzlich positive Grundeinstellung zum Leben und den Entwicklungen hilft bei der Überwindung des Syndroms. Mit Optimismus und Zuversicht wird die Psyche unterstützt. Dies führt bei vielen Betroffenen zu einer Verbesserung der Gesamtsituation. Zudem ist das Vertrauen in den behandelnden Arzt oder das Pflegeteam von großer Bedeutung. Eine offene Kommunikation und die Klärung vorhandener Fragen ist für eine gute Zusammenarbeit anzuraten. Im Austausch mit anderen Patienten oder Menschen, die ähnliche Erfahrungen gesammelt haben, kann der Betroffene Tipps und Hinweise für den Umgang mit der Situation erhalten. Individuelle Erlebnisse werden in Selbsthilfegruppen oder Internetforen an Ratsuchende weitergegeben. Die Berichte sollen anderen dabei helfen, die auf mögliche Entwicklungen vorbereitet zu sein und sie ermöglichen einen besseren Umgang mit der Situation.
Überanstrengungen jedweder Art sind zu vermeiden. Die körperlichen Belastungsgrenzen sind herabgesetzt und sollten von dem Betroffenen beachtet werden. Dies vermeidet Komplikationen und trägt für eine schnellere Regeneration bei.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Leuwer, M., et al.: Checkliste Intensivmedizin. Thieme, Stuttgart 2013