Glucagon

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 3. Mai 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Glucagon ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse und ein wichtiger Regulator des Blutzuckerspiegels im Organismus. Es wird hauptsächlich bei hypoglykämischen Zuständen während des Diabetes als Wirkstoff eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Glucagon?

Glucagon wird hauptsächlich bei hypoglykämischen Zuständen während des Diabetes als Wirkstoff eingesetzt.

Glucagon ist der direkte Gegenspieler von Insulin. Während Insulin den Blutzuckerspiegel senkt, entfaltet Glucagon gerade die gegenteilige Wirkung.

Chemisch ist Glucagon ein Polypeptid aus 29 Aminosäuren und wird in den Langerhans-Inseln der Bauspeicheldrüse erzeugt. Die Sekretion von Glucagon ist in der Regel nicht so großen Schwankungen unterworfen wie Insulin. Beide Hormone regeln den Energiestoffwechsel des Organismus und sorgen für einen relativ konstanten Blutzuckerspiegel.

Besteht z. B. Energiebedarf bei Stresssituationen, wird die Produktion von Glucagon stimuliert, um in Form von Glucose schnell Energie bereitstellen zu können.

Pharmakologische Wirkung

Das Zusammenspiel der beiden Hormone wird über einen komplizierten Regelmechanismus gesteuert. Die Veränderungen des Blutzuckerspiegels durch die Ernährung entscheiden darüber, welches Hormon vorrangig gebildet wird.

Kohlenhydratreiche Nahrung erhöht sofort der Blutzuckerspiegel, was zur Erhöhung der Insulinproduktion führt. Wird jedoch durch körperliche Aktivitäten oder Stress viel Energie verbraucht, muss Glucose zur Energiebereitstellung nachproduziert werden. Das regt wiederum die Glucagonbildung an. Auch eine kohlenhydratarme und proteinreiche Ernährung führt zu einer erhöhten Sekretion von Glucagon.

Des Weiteren stimuliert auch eine Hypoglykämie sofort die Glucagonproduktion. Insulin ist für die Speicherung überschüssiger Energie in Form von Fett in den Fettzellen oder Glykogen in der Leber verantwortlich. Bei Energiebedarf muss der Organismus jedoch schnell verfügbare Energie bereitstellen. Das wiederum leistet Glucagon über zwei verschiedene Wege. So regt es einmal die Glykogenolyse von Glykogen an. Das in der Leber als komplexes Kohlenhydrat gespeicherte Glykogen wird wieder zu Glukose abgebaut.

Glykogen ist wie Stärke ein Vielfachzucker aus Glukoseeinheiten. Bei der Glykogenolyse wird dieses Molekül wieder in seine Einzelbestandteile, also in einzelne Glukosemoleküle, zerlegt. Glucagon kann aber auch Ausgangsstoffe, die primär keine Zucker sind, zu Glukose umwandeln. Diesen Prozess nennt man Gluconeogenese. Als Ausgangsstoffe dienen hier Eiweiße und Fette. So werden bei einem erhöhtem Glukosebedarf Aminosäuren in Zucker umgewandelt.

Beim Fettabbau entstehen zunächst Fettsäuren und Glyzerin. Glyzerin ist dann der Ausgangsstoff, der in Glukose umgewandelt werden kann. Als Nebeneffekt des verstärkten Protein- und Fettabbaus resultieren erhöhte Harnstoff- und Fettsäurekonzentrationen im Blut. Gleichzeitig hemmt Glucagon die Protein-, Fett- und Glukogensynthese.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Die Wirkungsweise des Glucagons bestimmt auch seine Einsatzgebiete. So wird es häufig als Medikament bei Diabetikern eingesetzt. Häufig treten besonders bei Zuckerkranken Zustände der Unterzuckerung auf. Das kann passieren, wenn bei Insulingaben zu wenige Kohlenhydrate zugeführt werden.

Diese hypoglykämischen (unterzuckerten) Zustände können lebensbedrohlich werden, da der Körper nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt wird. Besonders eine Unterversorgung des Gehirns mit Glukose ist sehr kritisch. In diesen Fällen wird eine Lösung aus Glucagon unter die Haut oder intramuskulär gespritzt. Der Blutzuckerspiegel normalisiert sich dann innerhalb kurzer Zeit. Es gibt weiterhin einen Glucagon-Test, bei dem die Konzentration des C-Peptids bestimmt werden kann.

Das C-Peptid ist eine Vorstufe des Insulins. Dieser selten angewandte Test ist ein Funktionstest für die Bauchspeicheldrüse und kann zur Unterscheidung von Diabetes A und Diabetes B dienen. Außerdem wird Glucagon als Medikament zur Ruhigstellung von Magen und Darm für die Endoskopie des Darms oder das Röntgen des Magens verwendet. Eine andere Anwendung ist der Einsatz bei Vergiftungen mit Betablockern.


Verabreichung & Dosierung

Glucagon ist ein Hormon, das zur Behandlung schwerer Hypoglykämie bei Diabetikern eingesetzt wird. Bei der Verabreichung und Dosierung von Glucagon sind mehrere Aspekte zu beachten:

Indikationen: Glucagon wird bei Patienten eingesetzt, die unter schwerer Hypoglykämie leiden und nicht in der Lage sind, Zucker oral einzunehmen. Es wird auch in bestimmten diagnostischen Tests verwendet.

Verabreichungsform: Glucagon wird meist als Injektion verabreicht, entweder intramuskulär, subkutan oder intravenös. Fertigspritzen und Nasensprays stehen für eine schnelle und einfache Verabreichung zur Verfügung, insbesondere für Notfallsituationen.

Dosierung: Die übliche Dosis für Erwachsene beträgt 1 mg, während Kinder unter 25 kg oder unter 6–8 Jahren eine Dosis von 0,5 mg erhalten. Bei Bedarf kann die Dosis nach 15 Minuten wiederholt werden.

Verabreichungshinweise: Die Anwendung sollte nur durch Personen erfolgen, die mit der Injektion von Glucagon vertraut sind. Nach der Verabreichung ist es wichtig, dass der Patient bei Bewusstsein bleibt und eine schnelle Kohlenhydratquelle wie Fruchtsaft oder Glukose einnimmt, sobald er stabil ist.

Nebenwirkungen: Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen und gelegentlich allergische Reaktionen. Daher ist es wichtig, auf mögliche Anzeichen allergischer Reaktionen zu achten.

Kontraindikationen: Glucagon sollte bei Patienten mit Phäochromozytom oder Insulinom nicht angewendet werden, da dies zu einer gefährlichen Hyperglykämie führen kann.

Eine sorgfältige Überwachung und Befolgung der Anweisungen sind entscheidend für die sichere und effektive Verwendung von Glucagon.

Risiken & Nebenwirkungen

Nebenwirkungen treten bei der Behandlung mit Glucagon nur sehr selten auf. In Einzelfällen kann es bei zu schneller Injektion und bei Gabe von erhöhten Konzentrationen zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Eine Überdosierung hat aber keine langfristigen negativen Auswirkungen. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind in der Regel nicht bekannt. Sogar beim Einsatz von Glucagon bei diabetischen Schwangeren treten keine Nebenwirkungen auf, weil es die Plazentaschranke nicht überwinden kann.

Nicht angewendet werden sollte Glucagon jedoch bei bestimmten seltenen Tumoren der Bauchspeicheldrüse, wie z. B. beim Glukagonom oder beim Insulinom und beim Phäochromozytom, einem Tumor des Nebennierenmarks.

Kontraindikationen

Glucagon ist ein Hormon, das primär zur Behandlung schwerer Hypoglykämie bei Diabetikern verwendet wird. Es gibt jedoch einige Situationen, in denen die Verwendung von Glucagon kontraindiziert ist:

Phäochromozytom: Bei Patienten mit Phäochromozytom, einem Tumor der Nebennieren, kann Glucagon die Freisetzung großer Mengen an Katecholaminen auslösen, was zu gefährlichen Blutdruckspitzen führen kann.

Insulinom: Patienten mit Insulinomen, Tumoren, die Insulin produzieren, sollten Glucagon nicht einnehmen. Die Verabreichung kann eine übermäßige Insulinfreisetzung auslösen, die den Blutzucker weiter senken und eine schwere Hypoglykämie verursachen kann.

Allergie: Menschen mit einer bekannten Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Glucagon oder einen seiner Bestandteile sollten das Medikament nicht einnehmen. Eine allergische Reaktion kann lebensbedrohlich sein.

Kardiale Erkrankungen: Bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann die Verabreichung von Glucagon Herzrhythmusstörungen auslösen oder bestehende kardiovaskuläre Probleme verschlimmern. Eine Anwendung sollte daher mit Vorsicht und unter ärztlicher Überwachung erfolgen.

Unterernährung oder Erschöpfung der Glykogenspeicher: Glucagon wirkt, indem es die Freisetzung von Glukose aus Glykogen in der Leber anregt. Bei Patienten mit schweren Lebererkrankungen oder nach längerem Fasten kann der Glykogenspeicher erschöpft sein, was die Wirksamkeit des Medikaments beeinträchtigt.

In allen Fällen ist es wichtig, vor der Verwendung von Glucagon einen Arzt zu konsultieren, um sicherzustellen, dass die Anwendung sicher und effektiv ist.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Glucagon, ein Hormon, das bei schwerer Hypoglykämie verwendet wird, kann mit anderen Medikamenten interagieren, was die Wirkung beeinflusst oder Nebenwirkungen hervorruft. Einige wichtige Interaktionen sind:

Betablocker: Bei gleichzeitiger Einnahme von Betablockern kann Glucagon die Herzfrequenz und den Blutdruck signifikant erhöhen, da es eine gegenteilige Wirkung auf die Herzfrequenz ausübt. Betablocker unterdrücken die Wirkung von Adrenalin, während Glucagon dessen Freisetzung steigern kann.

Insulin und Antidiabetika: Da Glucagon den Blutzuckerspiegel erhöht, kann es die Wirkung von Insulin oder anderen Antidiabetika beeinträchtigen. Die gleichzeitige Anwendung kann zu einer schwierigen Kontrolle des Blutzuckerspiegels führen.

Warfarin: Glucagon kann die antikoagulative Wirkung von Warfarin verstärken. Bei Patienten, die beide Medikamente einnehmen, sollte die Blutgerinnung sorgfältig überwacht werden, um das Risiko von Blutungen zu minimieren.

Indometacin: Die Kombination mit Indometacin, einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAID), kann die blutzuckersteigernde Wirkung von Glucagon abschwächen.

Anticholinergika: In Kombination mit Glucagon können anticholinerge Medikamente das Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen, erhöhen.

Es ist wichtig, den Arzt über alle eingenommenen Medikamente zu informieren, bevor Glucagon verschrieben wird. Eine sorgfältige Überwachung und regelmäßige Kommunikation mit dem medizinischen Fachpersonal tragen dazu bei, die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung sicherzustellen.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Glucagon nicht vertragen wird oder aus anderen Gründen nicht eingesetzt werden kann, stehen alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um schwere Hypoglykämie zu behandeln:

Glukose-Injektionen: Intravenöse Glukose ist eine schnelle und effektive Möglichkeit, den Blutzuckerspiegel bei schwerer Hypoglykämie zu erhöhen. Glukose wird häufig in Notfallsituationen eingesetzt, insbesondere in Krankenhäusern, wo eine intravenöse Versorgung möglich ist.

Orale Glukose: Bei Patienten, die noch in der Lage sind, oral zu essen oder zu trinken, kann die Einnahme von schnell wirkenden Kohlenhydraten wie Glukosetabletten, Fruchtsaft oder zuckerhaltigen Lebensmitteln den Blutzuckerspiegel effektiv anheben. Dies ist jedoch nur bei leichter Hypoglykämie geeignet, da schwere Fälle eine schnelle und konzentrierte Behandlung erfordern.

Diazoxid: Dieses Medikament wirkt durch Hemmung der Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse und kann bei Patienten mit Insulinomen eingesetzt werden. Es wird selten zur Behandlung von akuter Hypoglykämie verwendet, da seine Wirkung langsamer eintritt.

Octreotid: Dieses synthetische Hormon, ein Somatostatin-Analogon, kann die Insulinfreisetzung reduzieren und in bestimmten Fällen bei Patienten mit insulinproduzierenden Tumoren verwendet werden.

Die Wahl der geeigneten Behandlung hängt von der zugrunde liegenden Ursache der Hypoglykämie, dem Schweregrad der Symptome und der medizinischen Vorgeschichte des Patienten ab. In jedem Fall sollte eine Hypoglykämie rasch behandelt und die passende Methode durch einen Arzt gewählt werden.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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