Prune-Belly-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Prune-Belly-Syndrom (PBS), ist eine seltene angeborene Fehlbildung, die sich durch das entweder teilweise oder komplette Fehlen der Bauchmuskulatur kennzeichnet. Das PBS ist auch unter den Namen Bauchdeckenaplasie-Syndrom, Eagle-Barrett-Syndrom oder Obrinsky-Fröhlich-Syndrom bekannt. Die beiden letzteren sind benannt nach den Medizinern Franz Fröhlich, William Obrinsky, J. F. Eagle und George S. Barrett, die entsprechende Fälle dieser Fehlbildung beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Prune-Belly-Syndrom?

Typisch für PBS ist der Bauch, der durch das teilweise oder komplette Fehlen der abdominellen Muskeln Teile des Darms durchscheinen lässt.
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Das Prune-Belly-Syndrom wird aus dem Englischen hergeleitet und setzt sich aus dem Wort „prune“ (zu Deutsch „Backpflaume“ oder „Dörrpflaume“) und „belly“ (zu Deutsch „Bauch“) zusammen. Es beschreibt das Aussehen des Bauches des Neugeborenen. Durch das teilweise oder komplette Fehlen der Bauchmuskulatur sind Teile des Darmes zu sehen, was den Bauch wie eine Dörrpflaume aussehen lässt. PBS ist eine sehr seltene Fehlbildung.

In der Literatur wird von 30.000 bis 40.000 Lebendgeburten etwa ein Neugeborenes mit PBS angegeben. Mädchen sind seltener davon betroffen. Etwa 95 Prozent der Babys, die am Prune-Belly-Syndrom leiden, sind Jungen. 1839 beschrieb der Arzt Franz Fröhlich den ersten Fall eines Neugeborenen mit fehlender Bauchmuskulatur. Andere Fehlbildungen, die für PBS typisch sind, wurden jedoch von ihm nicht erwähnt.

Erst 1895 wurde bei einem Betroffenen Kryptorchismus, ein Fehlstand der Hoden, nachgewiesen. Danach beschäftigte man sich eingehender mit dem Prune-Belly-Syndrom und es folgten eine Reihe weiterer Publikationen, unter anderem auch von J. F. Eagle und S. Barrett, die neun solcher Fälle beschrieben hatten. Mittlerweile gibt es mehr als 200 dokumentierte Fälle von Prune-Belly-Syndrom.

Neben dem bereits beschriebenen Fehlen der Bauchmuskulatur und des Hodenfehlstandes, kann das PBS auch mit Fehlbildungen der ableitenden Harnwege einhergehen, weswegen es auch noch unter dem Namen Triad-Syndrom bekannt ist (drei Fehlbildungen).

Ursachen

Die genaue Ursache des Prune-Belly-Syndroms ist bis heute nicht genau bekannt. Es werden mehrere Theorien diskutiert. Es gelang, bei einer blutsverwandten türkischen Familie eine erbliche Frameshift-Mutation (eine Verschiebung des Leserasters von Genen auf die DNA) beim Gen CHRM3 nachzuweisen. Eine Chromosomenaberration als Ursache des Prune-Belly-Syndroms ist jedoch noch nicht bewiesen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Prune-Belly-Syndrom ist eine seltene angeborene Erkrankung, die, wie eingangs schon beschrieben, häufiger männliche Neugeborene betrifft. Typisch für PBS ist der Bauch, der durch das teilweise oder komplette Fehlen der abdominellen Muskeln Teile des Darms durchscheinen lässt. Dies gibt dem Bauch das Aussehen einer Dörrpflaume und führte zur Namensgebung.

Desweiteren kann ein Kryptorchismus (das Fehlen eines oder beider Hoden) vorliegen. Fehlbildungen der ableitenden Harnwege, wie zum Beispiel eine Dilatation (Erweiterung) der Ureter (Harnleiter) können ebenfalls ein typisches Symptom sein. Zusätzlich können jedoch auch noch andere Fehlbildungen, wie zum Beispiel am Skelettsystem (Klumpfuß, Hüftluxation, Gelenksteife oder Vielfingrigkeit), auftreten. Auch kardiale Vitien (Fehlbildungen am Herzen), können mit dem PBS in Zusammenhang stehen.

Ein Ventrikelseptumdefekt ist ein solches Symptom. Hierbei handelt es sich um ein Loch in der Herzscheidewand. Entwicklungsstörungen des Darmes (Malrotation, oder auch unzureichende Drehung des Darmes) oder der Lunge (Lungenhypoplasie, mangelnde Lungenreifung) sind bei PBS ebenfalls bekannt. Dies führt zum Atemnotsyndrom bei den Neugeborenen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Durch Ultraschalluntersuchungen kann bereits in der 20. Schwangerschaftswoche festgestellt werden, ob das Baby am Prune-Belly-Syndrom leidet. Diese Diagnose kommt in jedem Falle einer Hiobsbotschaft gleich, die Frühmortalitätsrate liegt bei 20 Prozent. Da man PBS selbst nicht behandeln kann, ist nur eine Therapie der Begleitsymptome möglich. In den meisten Fällen sind die Nierendefekte das schwerwiegendste Symptom bei PBS.

Zunächst erfolgen Laboruntersuchungen. So muss zum Beispiel die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden. Dies ist auch durch Ultraschall oder Nierenszintigraphie möglich. Die Erhaltung der Nierenfunktion hat oberste Priorität. Die Harnwegsdefekte können operativ korrigiert werden. In weniger schweren Fällen kann eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen sowie ein Blasenentleerungstraining.

Abhängig vom Schweregrad der Fehlbildungen kann eventuell eine Bauchdeckenplastik die Miktion (Blasenentleerung) verbessern. Auch bei einem Ventrikelseptumdefekt ist eine Operation indiziert. Die Fehlbildungen am Skelettsystem können in weniger schweren Fällen mit Krankengymnastik unterstützt werden. In der Regel jedoch müssen zahlreiche Operationen erfolgen, zum Beispiel bei Klumpfuß oder Vielfingrigkeit. Auch bei Kryptorchismus ist eine operative Versorgung unumgänglich.

Komplikationen

Durch das Prune-Belly-Syndrom leiden die Betroffenen in der Regel an verschiedenen Fehlbildungen, die an unterschiedlichen Regionen des Körpers auftreten können. In der Regel ist allerdings immer der Bauch von den Fehlbildungen betroffen, sodass an diesem die Muskeln vollständig fehlen. Damit ist auch der Darm durch den Bauch sichtbar. Weiterhin sind auch die Harnwege deformiert, sodass es beim Wasserlassen zu Beschwerden kommen.

Ebenso kann es auch an den Füßen oder an den Händen zu Fehlbildungen kommen, sodass die Betroffenen an Bewegungseinschränkungen oder an anderen Schwierigkeiten im Alltag leiden. Durch das ungewöhnliche Aussehen kann es bei den Patienten auch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. Bei Neugeborenen kommt es durch das Prune-Belly-Syndrom nicht selten auf zu einer Atemnot, sodass diese ohne Behandlung im schlimmsten Falle auch versterben können.

Weiterhin führt das Prune-Belly-Syndrom in der Regel zu einer Niereninsuffizienz, sodass die Betroffenen auf eine Transplantation oder auf die Dialyse angewiesen sind. Weiterhin ist der Betroffene sein gesamtes Leben lang auf verschiedene Therapien angewiesen. Möglicherweise wird durch das Prune-Belly-Syndrom auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Prune-Belly-Syndrom sollte immer durch einen Arzt behandelt werden, allerdings ist sie nicht heilbar. Der Betroffene ist daher auf eine lebenslange Behandlung und Therapie angewiesen. Ein Arzt muss dann aufgesucht werden, wenn beim Betroffenen Muskeln im Darm fehlen oder wenn der Bauchnabel deformiert ist. Es kann auch zu verschiedenen Fehlbildungen am Körper kommen, die auf das Prune-Belly-Syndrom hindeuten können.

Ebenfalls können Beschwerden am Herzen auftreten, die ein Symptom des Prune-Belly-Syndroms darstellen können. In einigen Fällen leiden die Betroffenen aufgrund des Syndroms auch an Atembeschwerden oder sogar an einer Lungenembolie, die tödlich enden kann. Daher sollte schon bei den ersten Anzeichen des Prune-Belly-Syndroms ein Arzt aufgesucht werden, um die Beschwerden zu behandeln.

Die erste Diagnose kann in der Regel von einem Kinderarzt oder einem Allgemeinarzt gestellt werden. Die weitere Behandlung hängt allerdings stark von der Art und der Ausprägung der Fehlbildungen und der anderen Beschwerden ab und wird meist von einem Facharzt durchgeführt.

Behandlung & Therapie

Das Prune-Belly-Syndrom ist eine schwere Krankheit, die natürlich auch zu ernsthaften Komplikationen führen kann. So entwickeln etwa 30 Prozent der Betroffenen eine terminale Niereninsuffizienz, was zur Folge hat, dass eine Dialyse oder Transplantation nötig wird. Auch eine Urosepsis kann eine weitere Komplikation sein.

Hierbei gelangen Bakterien über die Harnwege in die Blutbahn und können eine Vergiftung verursachen. Auch die anderen Organe können, abhängig vom Schweregrad der Pathologien und der Manifestation, in ihrer Funktion schwerwiegend beeinträchtigt sein.


Vorbeugung

Vom Prune-Belly-Syndrom Betroffene sind schwer krank und die Eltern dieser Kinder müssen sich darauf einstellen, dass Ärzte, Untersuchungen, Operationen und Krankenhäuser zu ihrem Leben gehören werden. Zahlreiche Operationen werden nötig sein, um das Leben auch nur etwas zu erleichtern. Ein völlig unbeschwertes Kinderleben wird jedoch leider nur in den seltensten Fällen möglich sein.

Da bis heute noch nicht eindeutig geklärt ist, wodurch das Prune-Belly-Syndrom hervorgerufen wird, ist es auch leider nicht möglich, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um PBS vorzubeugen. Ein kleiner Trost mag sein, dass das Prune-Belly-Syndrom sehr selten ist und deshalb die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, daran zu erkranken.

Nachsorge

An eine erfolgreiche Behandlung eines Prune-Belly-Syndroms sollte immer eine umfassende Nachsorgebehandlung anschließen, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Die Organe, die vom Prune-Belly-Syndrom betroffen waren, sollten regelmäßig mit bildgebenden Verfahren auf Auffälligkeiten hin untersucht werden. Zusätzlich sollten regelmäßige Kontrollen der Organfunktionswerte im Blut erfolgen, um als Spätfolge aus dem Prune-Belly-Syndrom resultierende Funktionseinschränkungen der Organe rechtzeitig zu erkennen.

Ist eine Unfruchtbarkeit Folge des Prune-Belly-Syndroms, muss diese außerdem therapiert werden. Gegebenenfalls kann es hierbei notwendig sein, künstlich Sexualhormone zuzuführen, um eine normale Entwicklung und normale Körperfunktionen zu gewährleisten. Zusätzlich kann es bei einer Unfruchtbarkeit, ebenso wie bei Behinderungen, die aus dem Prune-Belly-Syndrom resultieren, im Laufe des Lebens zu psychischen Erkrankungen kommen.

Sollten diese Auftreten, muss eine Psychotherapie erfolgen. Zusätzlich kann in einem solchen Fall eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva angezeigt sein. Da die Wahrscheinlichkeit für Herzprobleme bei Personen, die mit einem Prune-Belly-Syndrom geboren wurden, lebenslang erhöht ist, sollten außerdem regelmäßig kardiologische Vorsorgeuntersuchungen stattfinden.

Daneben müssen Patienten dringend lebenslang auf das Rauchen verzichten, da dies die Wahrscheinlichkeit für Herzerkrankungen zusätzlich erhöht. Insgesamt sollte auf eine Lebensführung geachtet werden, die das Herz schont. Diese besteht aus einer gesunden, ausgewogenen Ernährung, dem weitgehenden Verzicht auf Alkohol, einer regelmäßigen sportlichen Betätigung und dem Vermeiden der Entstehung von Übergewicht.

Das können Sie selbst tun

Patienten, die an einem Prune-Belly-Syndrom leiden, werden sich – je nach Schwere der Fehlbildungen – mehreren Operationen unterziehen müssen. Zudem sind sie lebenslänglich auf die verschiedensten Therapien angewiesen und brauchen möglicherweise auch eine Dialyse. Diese Lebenssituation ist eine große Belastung sowohl für die Patienten als auch für ihre Eltern. Um mit diesen Gegebenheiten fertig zu werden, ist eine Psychotherapie für alle Beteiligten hilfreich, zumal die Betroffenen möglicherweise auch durch Fehlbildungen der Extremitäten entstellt sind und gehänselt oder gar gemobbt werden.

Zurzeit gibt es keine Selbsthilfegruppen, denen sich Prune-Belly-Patienten oder ihre Eltern anschließen könnten, dazu ist die Krankheit zu selten. Aber möglicherweise bieten die behandelnden Kliniken oder auch freie Beratungsstellen am Wohnort Gruppentherapien für chronisch Kranke an. Diese Angebote sind im Internet zu finden oder können bei der behandelnden Klinik erfragt werden.

Um Infektionen beispielsweise im Harnleiterbereich zu vermeiden, sollte auf eine ausreichende Hygiene geachtet werden. Dazu gehört neben der täglichen Reinigung und dem Wechseln der Wäsche auch eine gesunde Ernährung, die das körpereigene Immunsystem unterstützt. Möglicherweise muss die Verdauung des Prune-Belly-Patienten unterstützt werden. Hier geben die behandelnden Ärzte gerne entsprechende Empfehlungen. Zudem sollten die Betroffenen viel trinken: das schwemmt mögliche Krankheitserreger aus den Nieren und der Harnblase und hilft ebenfalls, den Stuhl weich zu halten.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kerbl, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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