Rheumatische Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine rheumatische Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis) ist eine Entzündung der Herzinnenhaut, die durch eine Autoimmunreaktion des Körpers auf bestimmte Streptokokken hervorgerufen wird. Meistens sind Kinder und Jugendliche von einer rheumatischen Endokarditis betroffen, die in Industrieländern heutzutage selten vorkommt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine rheumatische Endokarditis?

Meist dauert es zwei bis drei Wochen, bis sich die ersten Zeichen der Entzündung der Herzinnenhaut zeigen. Es kommt zu Herzrasen (Tachykardie) und Herzrhythmusstörungen (Arrhythmie).
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Als rheumatische Endokarditis wird eine entzündliche Veränderung der Herzinnenhaut (Endokard) bezeichnet, die durch eine immunologische Fehlregulation des Organismus (Autoimmunreaktion) nach einer Infektion mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A hervorgerufen wird und zum symptomatischen Spektrum des rheumatischen Fiebers gehört.

In den meisten Fällen sind Mitral- und Aortenklappen, vor allem die mechanisch stärker belasteten Klappenränder, von einer rheumatischen Endokarditis betroffen. Schädigungen der Herzklappen stellen entsprechend Spätfolgen einer rheumatischen Endokarditis dar. Hierbei erkranken in erster Linie Jugendliche und Kinder, insbesondere zwischen dem 5. und 17. Lebensjahr, nach einer durch Streptokokken verursachten Mandel- oder Rachenentzündung an einer rheumatischen Endokarditis.

Ursachen

Die rheumatische Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis) ist auf eine Fehlregulation des körpereigenen Abwehrsystems infolge einer Infektion mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A zurückzuführen.

Betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A rufen in erster Linie Entzündungserkrankungen des Rachenraums wie Tonsillitis (Mandelentzündung), Pharyngitis (Rachenentzündung), Scarlatina (Scharlach) oder Otitis media (Mittelohrentzündung) sowie in einigen Fällen Hautinfektionen wie Erysipel (Wundrose) oder Pyodermie (eitrige Infektion der Hautschichten) hervor.

Dabei ist die rheumatische Endokarditis nicht auf eine Besiedelung durch Streptokokken zurückzuführen, sondern auf eine Autoimmunreaktion des Organismus. Dieser bildet sogenannte Antikörper gegen spezifische Proteinbestandteile der Bakterien, die unter anderem den Proteinen auf der Oberfläche der Endokardzellen ähneln.

Da die Antikörper fälschlicherweise auch auf Endokardstrukturen (vor allem der Herzklappe) reagieren, kommt es zu entzündlichen Veränderungen, einer rheumatischen Endokarditis, durch welche die Herzklappen verdicken, aufrauen sowie versteifen und schließlich in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt werden können.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die rheumatische Endokarditis ist ein Symptom des rheumatischen Fiebers, das sich in Folge einer Streptokokkeninfektion entwickeln kann. Meist dauert es zwei bis drei Wochen, bis sich die ersten Zeichen der Entzündung der Herzinnenhaut zeigen. Es kommt zu Herzrasen (Tachykardie) und Herzrhythmusstörungen (Arrhythmie).

Die fehlgesteuerten Antikörper setzen sich am Herz fest und lösen am Bindegewebe verschiedene Reaktionen aus, wodurch die Herklappen verdicken und die Innenhaut aufgeraut wird. Dies verändert die Herzgeräusche. Auch Schmerzen in der Herzregion und hervortretende Halsvenen sind möglich. Da das Herz durch die entzündete Innenhaut nicht mehr ausreichend pumpt, kann es zu Atemnot und verringerter Leistungsfähigkeit kommen.

Häufig verkleben die Klappensegel durch die Entzündung und ziehen sich zusammen. Dadurch schließen sie nicht mehr richtig und verlieren ihre Wirkung als Ventil; oder sie öffnen sich nicht mehr weit genug, wodurch der Blutfluss von der einen in die andere Herzkammer reduziert ist. Da die rheumatische Endokarditis im Rahmen des rheumatischen Fiebers auftritt, zeigen sich auch sämtliche Beschwerden dieser Erkrankung.

Die typischen Symptome sind Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Die Gelenke sind entzündet und schmerzen, die darüberliegende Haut ist rot und geschwollen. Meist beginnt es bei einem Gelenk und springt auf weitere über. Dazu kommt es zu sogenannten Rheumaknötchen und rotfleckigen Hautveränderungen.

Diagnose & Verlauf

Ein Anfangsverdacht gründet sich bei rheumatischer Endokarditis (postinfektiöser Endokarditis) auf einer vorausgegangenen Infektion mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie charakteristischen Symptomen wie abnorme Herzgeräusche, hohes Fieber, Tachykardie (erhöhter Herzschlag), allgemeines Krankheitsgefühl sowie Polyarthritis (Gelenkschmerzen) mit ausgeprägtem Berührungsschmerz und Atemnot.

Gesichert wird die Diagnose einer rheumatischen Endokarditis durch ein Echokardiogramm (Ultraschall des Herzens) und ein EKG, anhand derer Herzklappenveränderungen, eine vorliegende Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen festgestellt werden können. Durch eine Blutanalyse können die im Blut gebildeten Antikörper nachgewiesen werden. Auch ein erhöhter CPR-Wert, eine erhöhte Konzentration weißer Blutkörperchen im Blut sowie eine beschleunigte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) deuten auf eine rheumatische Endokarditis.

Nach Therapiebeginn klingt eine rheumatische Endokarditis in der Regel nach 6 Wochen (75 Prozent) beziehungsweise 3 Monaten (90 Prozent) wieder ab, wobei sich der Verlauf bei einer ausgeprägten Herzklappenbeteiligung verlängern kann. Bei einer nicht therapierten rheumatischen Endokarditis besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit einer erneuten Erkrankung mit einer rheumatischen Endokarditis, die darüber hinaus der häufigste Auslöser einer Mitralklappenstenose ist.

Komplikationen

Die rheumatische Endokarditis kann zu Fehlfunktionen der Herzklappen führen. Dadurch ist das Risiko für ernste Herz-Kreislauf-Beschwerden und Herzinfarkte erhöht. Die narbigen Veränderungen der Herzklappen reduzieren die Herzfunktion dauerhaft und begünstigen dadurch eine Herzinsuffizienz. Die schwerwiegendste Komplikation der Herzinnenhaut-Entzündung ist die Ausbreitung des rheumatischen Fiebers auf andere Regionen und Organe.

Dadurch kann es zu Folgeerkrankungen wie zum Beispiel akute Polyarthritis und Chorea minor kommen. Bei einem schweren Verlauf ist ein multiples Organversagen mit tödlichen Ausgang möglich. Wird die Entzündung frühzeitig behandelt, treten meist keine größeren Komplikationen auf. Allerdings sind Antibiotika und Entzündungshemmer nicht frei von Nebenwirkungen. Entsprechende Präparate können Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Hautirritationen und Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen.

Allergien und Symptome einer Unverträglichkeit können ebenfalls auftreten. Wird Kortison verabreicht, kann dies zu einer Erhöhung von Blutfett, Blutdruck und Blutzucker führen. Mögliche Spätfolgen sind Osteoporose oder das sogenannte Cushing-Syndrom. Eine Operation am Herzen ist immer riskant und kann Komplikationen wie Blutungen, Herz-Rhythmus-Störungen und Herzversagen hervorrufen. Eine Entzündung des Herzens ist lebensbedrohlich und stellt einen medizinischen Notfall dar, der mit weiteren Beschwerden einhergeht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Mit jeder Form von Endokarditis gilt es, rasch zum Arzt zu gehen. Denn ohne Behandlung kann sie sich nur verschlimmern. Schon bei den ersten Symptomen ist deshalb ein Gang zum Hausarzt ratsam. Ein Allgemeinmediziner wird die Anzeichen einer postinfektiösen Endokarditis erkennen. Er kann die Herzentzündung von anderen Krankheiten mit ähnlichen Symptomen unterscheiden. Besteht hohes Fieber, kann er bereits Antibiotika verschreiben. Neben einer allgemeinen Untersuchung wird der Hausarzt erste spezielle Tests durchführen. Weisen die Ergebnisse auf eine Endokarditis hin, dann wird er den Patienten als dringenden Fall an einen Herzspezialisten (Kardiologen) überweisen.

Dieser führt genauere Tests durch und beginnt möglichst schnell mit der gezielten Behandlung. Unerkannt oder unbehandelt ist die Krankheit oft tödlich, denn es besteht akute Infarktgefahr. Auch ein Schlaganfall, eine Lungen- oder eine Nierenembolie können aus einer nicht behandelten Herzentzündung entstehen. Falls die postinfektiöse Endokarditis zu lange bestehen bleibt, können die Herzklappen bleibenden Schaden nehmen. In diesem Fall wird eine Operation notwendig.

Behandlung & Therapie

Eine rheumatische Endokarditis wird in erster Linie im Rahmen einer Antibiotika-Therapie (Penicillin, aber auch Makrolide) behandelt, um die noch eventuell im Organismus verbliebenen Bakterien abzutöten.

Parallel werden die rheumatischen Beschwerden mit schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten wie Acetylsalicylsäure bei gleichzeitiger Schonung des Körpers, insbesondere des Herzens, therapiert. Bei einer ausgeprägten rheumatischen Endokarditis kommen auch Glukokortikoide und Immunsuppressiva zur Verminderung der Überreaktion des Immunsystems zum Einsatz. Führt eine rheumatische Endokarditis durch die entzündlichen Veränderungen zu schwereren Herzklappenschädigungen, kann ein operativer Eingriff (Klappenersatz) erforderlich werden.

Darüber hinaus wird nach einer rheumatischen Endokarditis die Antibiotikatherapie prophylaktisch im Rahmen einer Langzeittherapie (in der Regel monatliche Antibiotikaspritzen) für die folgenden fünf Jahre fortgesetzt. Nach dem Abklingen einer rheumatischen Endokarditis sollte eine gründliche kardiologische Untersuchung durchgeführt werden, um eventuelle Schädigungen der Herzklappen auszuschließen bzw. frühzeitig behandeln zu können.

Um weiteren Entzündungen des Rachenraums vorzubeugen, wird darüber hinaus eine Mandelentfernung empfohlen. Vor operativen und zahnärztlichen Eingriffen wird bereits von einer rheumatischen Endokarditis Betroffenen eine Endokarditisprophylaxe nahegelegt.


Vorbeugung

Da eine rheumatische Endokarditis durch eine immunologische Fehlregulation infolge einer Streptokokken-Infektion verursacht wird, zielen vorbeugende Maßnahmen auf eine frühzeitige und konsequente Therapie der durch Streptokokken ausgelösten entzündlichen Erkrankungen wie Tonsillitis (Mandelentzündung), Scarlatina (Scharlach) oder Otitis media (Mittelohrentzündung). Auch eine Endokarditisprophylaxe vor operativen oder zahnärztlichen Eingriffen dient der Vorbeugung einer Streptokokken-Infektion und somit einer rheumatischen Endokarditis.

Nachsorge

Bei der rheumatischen Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis) handelt es sich um eine bakterielle autoimmune Folgeerkrankung. Eine Nachsorge mit kompletter Heilung ist prinzipiell möglich. Da bei dieser Krankheit das Risiko eines Herzklappenfehlers besteht, ist eine schnelle Nachsorge sehr wichtig. Die Einnahme von Antibiotika ist unverzichtbar. Hier sollte auf die korrekte und regelmäßige Einnahme geachtet werden.

In besonders schweren Fällen ist eine zusätzliche Einnahme von Kortison nötig. Zur Linderung möglicher Schmerzen ist auch eine Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Acetylsalicylsäure angeraten. Um den Körper und vor allem das Herz nicht zusätzlich zu belasten, sollten Stress und körperliche Arbeit vermieden und in schweren Fällen zudem Bettruhe eingehalten werden.

Nach der Erkrankung mit rheumatischer Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis) sind regelmäßige Nachuntersuchungen wichtig, um den Heilungsprozess zu beobachten und gegebenenfalls eine weitere medikamentöse Therapie einzuleiten. Die rheumatische Endokarditis (postinfektiöse Endokarditis) ist bei einem positiven Verlauf nach ein bis zwei Monaten abgeheilt.

Die Prognose hängt hier jedoch sehr stark davon ab, wann die Krankheit erkannt wird und ob eine starke Schädigung der Herzklappe entstanden ist. Dies kann in schlimmen Fällen zu chronischen Veränderungen der Herzklappe führen und im Extremfall einen chirurgischen Eingriff benötigen.

Das können Sie selbst tun

Die rheumatische Endokarditis ist der Selbsthilfe zugänglich, benötigt aber die Behandlung durch Spezialisten wie den Internisten oder den Kardiologen. Die Selbsthilfe im Alltag bezieht sich zum einen auf die akute Erkrankung, zum anderen auch auf die Nachsorge und das Vorbeugen eines eventuellen Rückfalls der Erkrankung.

Die Schonung ist ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die akute Erkrankung. Mitarbeit des Patienten ist hier ganz entscheidend. Körperliche Anstrengungen und Sport sind so lange zu vermeiden, bis sie vom Arzt wieder erlaubt werden. Entzündungen des Körpers können durch Schlaf in ausreichender Menge und viel Flüssigkeit oft günstig beeinflusst werden. Wasser und Kräutertees sind hier besonders empfehlenswert. Auf Nikotin und Alkohol ist zu verzichten. Auch Schutz bei Wind und Wetter ist wichtig, um das geschwächte Immunsystems des Körpers nicht zu belasten.

Selbsthilfe ist auch nach überstandener rheumatischer Endokarditis noch möglich. Zum einen, um die Fitness wieder gezielt aufzubauen. Dies geschieht am besten in Rücksprache mit dem Hausarzt oder einem spezialisierten Sporttherapeuten, um die richtige Bealstungsdosis zu finden. Da rheumatische Prozesse auch durch gesunde Ernährung gezielt beeinflusst werden können, ist es sinnvoll, auch diese umzustellen. Mediterrane Kost mit viel Obst und Gemüse statt Fleisch und Wurst sind in diesem Zusammenhang sinnvoll. Eine ausreichende Trinkmenge ist zudem immer wichtig.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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