Schizoaffektive Störungen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Schizoaffektive Störungen sind psychische Erkrankungen, die sich entweder einphasig oder in abwechselnden Phasen in manischen, depressiven und schizophrenen Krankheitssymptome äußern. Melancholisch depressive Symptome gehören genauso zum Krankheitsbild wie manische Hochstimmungen und schizophren katatone, paranoide oder halluzinatorische Erscheinungen

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Schizoaffektive Störung?

Ein symptomatischer Hauptbereich der schizoaffektiven Störung sind melancholisch-depressive Symptome wie Schlafstörungen, Schuldgefühle oder Suizidgedanken.
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Der Begriff der schizoaffektiven Störung ist ein Sammelbegriff für psychische Erkrankungen, die gleichzeitig oder abwechselnd die Symptome einer Depression, einer Schizophrenie und einer Manie beinhalten. Damit stehen schizoaffektive Störungen zwischen Schizophrenien und Affektpsychosen, wobei sich ihre Symptome vorrangig aus dem Überschneidungsbereich dieser beiden Gebiete ergeben.

Nach ICD-10 muss der Patient zur Diagnosestellung einer schizoaffektiven Störung affektive und schizophrene Symptome in derselben Phase aufweisen. Damit handelt es sich bei psychischen Erkrankungen dieser Richtung eigentlich nicht um Einzelerkrankungen, sondern um variabel konzentrierte Kombinationen von drei verschiedenen Seelenleiden.

Die Gewichtung der Symptome kann dabei unterschiedlich ausfallen. Erstmals beschrieben wurden schizoaffektive Störungen Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei damals von Mischpsychosen oder Zwischenfällen die Rede war. Erst im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts festigte sich der Begriff der schizoaffektiven Erkrankung.

Ursachen

Bislang geht die Medizin für schizoaffektive Störungen von einem ursächlichen genetischen Faktor aus, der bisher aber nicht näher bestimmt wurde. Neurochemisch und neuroendokrinologisch ist das Krankheitsbild bislang nicht weiterführend erforscht.

Seelische und psychosoziale Faktoren wie Stress, privat oder beruflich belastende Situationen, Umgebungsreaktionen sowie partnerschaftliche, familiäre und freundschaftliche Schwierigkeiten entwickeln sich vermutlich zu einem zusätzlichen Einflussfaktor auf den Ausbruch und Verlauf der Erkrankung. Eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur mit erhöhter Anfälligkeit für diese Form der psychischen Erkrankung konnte bislang nicht bestimmt werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein symptomatischer Hauptbereich der schizoaffektiven Störung sind melancholisch-depressive Symptome wie Schlafstörungen, Schuldgefühle oder Suizidgedanken. Andererseits können auch manische Symptomen wie erhebliche Erregung, übermäßige Gereiztheit oder eine enorme Steigerung des Eigenantriebs den symptomatischen Hauptbereich ausmachen.

Zu diesen Symptomen kommen die der schizophrenen Störung hinzu, die sich in katatonen, paranoiden oder halluzinatorischen Eigenschaften äußern. Neben einer affektiven Störung nach ICD-10 leidet der Patient so also zusätzlich entweder an einer Ich-Störung wie dem Gedankenlautwerden, an einem Kontrollwahn wie dem Beeinflussungswahn, an kommentierenden oder dialogisierenden Stimmen, an einem anhaltenden und völlig unrealistischen Wahn, an zerfahrener Sprache oder an katatonen Symptomen wie Negativismus.

Zu den häufigsten Erscheinungen in der Frühphase zählen eine müde, matte und rasch erschöpfbare oder missgestimmte und leicht aggressive Grundstimmungen. Stimmungsschwankungen zwischen heiter, resigniert und deprimiert kommen ebenso häufig vor. Zusätzlich können ängstlich-phobische Krankheitsanzeichen eintreten. Hinzu kommen oft Merk- und Konzentrationsstörungen oder zunehmende Vergesslichkeit, Leistungsabfall und eine unruhige und nervöse Anspannung.

Oft treten auch Schmerzen ohne erkennbare Ursache auf. Verhaltensänderungen sind denkbar und äußern sich meist in Misstrauen sowie sozialem Rückzug. Neben vermehrter Geräusch- und Lichtempfindlichkeit können zusätzlich abnorme und kaum mehr nachvollziehbare Missempfindungen vorkommen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose einer schizoaffektiven Störung erfolgt nach ICD-10. Entweder verlaufen schizoaffektive Psychosen phasisch-rezidivierend oder einphasig. Im einphasigen Verlauf wird zwischen schizodepressiven, schizomanischen und bipolaren Störungen differenziert. Der phasisch-revidierende Verlauf kommt allerdings häufiger vor, als die einphasige Verlaufsform.

Die einzelnen Phasen können in diesem Fall je einer schizophrenen Krankheitsepisode, einer rein depressiven Krankheitsepisode, einer rein manischen Krankheitsepisode, aber auch einer gemischten manisch-depressiven Krankheitsepisode entsprechen. Andererseits können die Einzelphasen auch durchweg manisch depressiv, schizodepressiv, schizomanisch oder bipolar gemischt sein. In Einzelfällen liegt durchgängig das Beschwerdebild einer schizophrenen und gemischt manisch-depressiven Erkrankung vor, das heißt die Krankheit äußert sich in schizomanisch-depressiven Episoden.

Komplikationen

Auch wenn sich die Episoden hintereinander aufbauen, kann das unter Umständen ohne Zwischenintervalle der vollständigen Gesundheit passieren. Fast alle schizoaffektiven Störungen zeigen spätestens im Spätverlauf mehrere Verlaufstypen, was bedeutet, dass sich das Beschwerdebild häufig verändert. Stabil bleibt insgesamt nur ein Drittel der Patienten. Mit vermehrt schizomanischen Episoden wird eine günstigere Prognose verbunden, als mit vermehrt schizodepressiven Verlaufsformen. Gerade die schizodepressive Form neigt dazu, im späteren Verlauf chronisch zu werden.

Bedingt durch diese Störungen leiden die Betroffenen an einer deutlich verringerten Lebensqualität und an starken Einschränkungen in ihrem Alltag. In der Regel führt die Erkrankung zu einer Reihe verschiedener psychischer Beschwerden. Die Betroffenen leiden dabei an starken Schlafstörungen und damit auch an Depressionen oder an psychischen Verstimmungen. Auch das Gefühl einer dauerhaften Erregung kann dabei auftreten und den Alltag erschweren.

Die meisten Patienten wirken dabei gereizt oder auch leicht aggressiv. Weiterhin kann es zu paranoiden Gefühlen oder zu Halluzinationen kommen, die sich sehr negativ auf soziale Kontakte auswirken können. Die Betroffenen leiden dabei häufig an einem Kontrollwahn und an starken Stimmungsschwankungen. Vor allem bei Kindern kann die Erkrankung die Entwicklung des Kindes erheblich einschränken und verzögern.

Ebenso leiden die Kinder an Störungen der Konzentration und wirken häufig unruhig oder nervös. Auch eine starke Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen oder Licht kann durch die Erkrankung auftreten und den Alltag des Patienten weiterhin erschweren. Die Behandlung dieser Erkrankung erfolgt in der Regel mit Hilfe von Medikamenten.

Antidepressiva können allerdings für verschiedene Nebenwirkungen verantwortlich sein. Dabei kann auch nicht vorausgesagt werden, ob die Behandlung zu einem positiven Krankheitsverlauf führt. Die Lebenserwartung selbst ist in der Regel durch die Erkrankung nicht verringert oder eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einem auffälligen Verhalten oder einem emotionalen Leidensdruck wird ein Arzt benötigt. Schlafstörungen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen sind untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu Stimmungsschwankungen, Gedächtnisproblemen oder einem stark nervösen Auftreten, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Bei einer ausgeprägten Veränderung des Antriebs sowie einem Verhalten, das selbstgefährdent ist oder andere Menschen in eine gefährliche Situation bringt, sollte die Rücksprache mit einem Arzt gesucht werden. Charakteristisch für schizoaffektive Störungen ist ein mangelndes Krankheitsempfinden. Daher tragen die Angehörigen oder Menschen aus dem sozialen Umfeld eine besondere Verantwortung.

Bei einem stabilen und gesunden Vertrauensverhältnis sollten sie gemeinsam mit dem Betroffenen einen Arztbesuch anstreben, damit eine Diagnosestellung und eine medizinische Versorgung ermöglicht wird. In besonders schweren Fällen muss ein Amtsarzt gerufen werden. Werden soziale Regel missachtet, kommt es zu Umtriebigkeit oder verfällt der Betroffene in eine Teilnahmslosigkeit, benötigt er Hilfe.

Eine Überempfindlichkeit der Sinneswahrnehmung, das Hören von Stimmen oder eine Kommunikation mit imaginären Wesenheiten sind Symptome der Störung. Ein Arztbesuch ist erforderlich, da oft Handlungen aufgrund der Wahnvorstellungen ausgeführt werden, die verletzend sind. Kann der Alltag nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden oder zeigen sich starke Ängste, wird ebenfalls ein Arzt benötigt.

Behandlung & Therapie

Im Akutstadium orientiert sich die Therapie und Behandlung schizoaffektiv gestörter Patienten an der gerade vorherrschenden Symptomatik. Bei vorrangig schizophrenen Symptomen ist eine Behandlung mit Neuroleptika indiziert, während gegen vorwiegend manische Symptome auch Lithium Einsatz finden kann. Gegen vorwiegend depressive Syndrome lassen sich medikamentös Antidepressiva geben, wobei psychotherapeutisch oft eine Wachtherapie angezeigt ist.

Neben der Akutbehandlung erhalten die Patienten einer schizoaffektiven Krankheitsform außerdem eine Phasenprophylaxe, die sich zum Beispiel auf Carbamazepin oder Lithium konzentrieren kann. Je nach Einzelfall ist unter Umständen aber auch eine zweigleisige Phasenprophylaxe erforderlich, die die genannten Medikamente mit Neuroleptika verbindet. In der begleitenden Psychotherapie stehen aktuelle Konflikte und Belastungssituationen im Mittelpunkt. Im Fokus steht hier die Krankheitsbewältigung und der Umgang mit den Folgen der Erkrankung.


Vorbeugung

Angesichts der vermutlich vor allem genetischen Risikofaktoren von schizoaffektiven Störungen lässt sich der Krankheit kaum vorbeugen. Wer die weiter oben genannten Symptome des Frühverlaufs an sich erkennt, kann durch die Kontaktaufnahme mit einem Facharzt aber zumindest von einer frühen Diagnosestellung profitieren.

Bei einer schizoaffektiven Störung leidet der Betroffene unter Schizophrenie und zusätzlich unter manischen oder depressiven Stimmungen. In schweren Fällen ist er von allen drei Störungen abwechselnd betroffen.

Nachsorge

Die Nachsorge ist, wie bei allen psychischen Erkrankungen, ein notwendiger Bestandteil der Therapie. Das Vermeiden eines Rückfalls ist das oberste Ziel. Nimmt der Betroffene Psychopharmaka gegen die Symptome, kontrolliert der Psychotherapeut den Heilungsverlauf. Konnte die Störung auf diesem Weg zufriedenstellend behandelt werden, ist eine engmaschige Nachsorge nicht mehr nötig.

Gelegentliche Termine zur Nachkontrolle sollten dennoch anberaumt werden. Die Form der Nachsorge richtet sich nach der Ausprägung der Beschwerden sowie nach der Frage, welche Stimmungsschwankungen den Patienten neben der Schizophrenie belasten. Parallele depressive Züge bedürfen einer anderen Nachsorge als manische Störungen.

Eine schizoaffektive Störung kann bei einem schweren Krankheitsbild zur Erwerbsunfähigkeit führen. Dies bringt das Risiko einer zusätzlichen Depression mit sich. Bei der Nachsorge wird der Erkrankte aufgebaut, ihm soll ein mögliches Gefühl der Wertlosigkeit genommen werden. Ein Schizophreniker mit Kaufsucht als Ausdruck der Manie läuft Gefahr, sich zu verschulden.

Auch hier kann bei Nachsorgeterminen interveniert werden. Dafür muss mitunter ein Schuldenberater hinzugezogen werden. Häufig erleben auch nahe Angehörige die Krankheit als Belastung. In solchen Situation erstreckt sich die Nachsorge auch auf die Eltern oder die Verwandten des Patienten, um den Umgang mit der Erkrankung und ihren Auswirkungen besser zu gestalten.

Das können Sie selbst tun

Bei einer schizoaffektiven Störung sind die Maßnahmemöglichkeiten im Bereich der Selbsthilfe äußerst gering. Aufgrund der Störung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen kann der Betroffene selbst wenig für die Verbesserung seiner eigenen Situation beitragen. Er ist langfristig auf die Hilfe und Unterstützung anderer Menschen angewiesen. Lediglich Angehörige und Mitglieder des sozialen Umfeldes können durch ihr Verhalten, ihr Verständnis und ihre Entscheidungen einen positiven Einfluss auf die weiteren Entwicklungen nehmen. Die Zusammenarbeit mit einem Arzt ist bei dieser Erkrankung zwingend notwendig.

Darüber hinaus ist es für das Wohlbefinden des Betroffenen äußerst förderlich, wenn ein stabiles soziales Umfeld vorhanden ist und langfristig erhalten bleibt. Obgleich es bei dieser Erkrankung im Normalfall zu einem stationären Aufenthalt kommt, ist der regelmäßige Kontakt zu den Angehörigen unterstützend und hilfreich bei der Bewältigung der Erkrankung. Das Gefühl der Sicherheit und ein regelmäßiger Tagesablauf haben laut Studien einen positiven Einfluss auf den Patienten. Die Intensität der Beschwerden ist nachweislich geringer, wenn ein kontinuierlicher Kontakt zu vertrauten und Familienangehörigen besteht. Gemeinsame Aktivitäten, die auf die Bedürfnisse des Erkrankten abgestimmt sind, helfen bei der Verbesserung der Gesamtsituation.

Darüber hinaus sind Einflussfaktoren wie eine gesunde Ernährung und die Vermeidung von Schadstoffen, wie Alkohol oder Nikotin anzuraten.

Quellen

  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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