Sensenbrenner-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim Sensenbrenner-Syndrom handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, die extrem selten vorkommt. Das Sensenbrenner-Syndrom ist durch eine Vielzahl von anatomischen und funktionellen Defekten gekennzeichnet. Derzeit sind weniger als 20 Krankheitsfälle des Sensenbrenner-Syndroms bekannt. Eine erstmalige Beschreibung des Sensenbrenner-Syndroms erfolgte im Jahr 1975.
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Was ist das Sensenbrenner-Syndrom?
Beim Sensenbrenner-Syndrom handelt es sich um eine Erbkrankheit, wobei ein autosomal-rezessiver Erbgang vorliegt. Derzeit sind erst etwa 20 Personen mit dem Sensenbrenner-Syndrom in der Medizin bekannt. Das Sensenbrenner-Syndrom äußert sich in Anomalien des Skeletts, etwa einem verengten Brustkorb, einer Klinodaktylie, einer Syndaktylie sowie einer Brachydaktylie.
Darüber hinaus bestehen beim Sensenbrenner-Syndrom ektodermale Defekte, etwa Missbildungen der Zähne wie Hypodontie, Mikrodontie oder Taurodontismus. Das Haar der am Sensenbrenner-Syndrom erkrankten Menschen ist oftmals schütter, zudem zeigen sich häufig Anomalien an Fingern und Nägeln. Einige Patienten mit dem Sensenbrenner-Syndrom leiden an Hypotelorismus sowie Anomalien der Unterlippe.
In vielen Fällen entwickeln die Personen durch das Sensenbrenner-Syndrom eine chronische Nierenschwäche, die mitunter bis zum Versagen des Organs führt. Das Nierenversagen ergibt sich dabei infolge einer Nephronophthisis und findet meist zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr statt. Teilweise ist auch die Leber durch das Sensenbrenner-Syndrom in ihrer Funktionsweise beeinträchtigt.
Zudem erleiden zahlreiche Patienten mit Sensenbrenner-Syndrom wiederkehrende Infektionen der Lungen und weisen Fehlbildungen am Herzen auf. Auch Missbildungen der Augen wie ein Nystagmus oder eine Myopie zeigen sich gehäuft.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome des Sensenbrenner-Syndroms sind vielfältig und äußern sich zum einen in Anomalien des Skeletts und zum anderen in Dysfunktionen von Organen. So ist das körperliche Wachstum der am Sensenbrenner-Syndrom erkrankten Patienten schon vor der Geburt verlangsamt. Die Wachstumsverzögerung setzt sich auch postnatal fort, sodass die meisten vom Sensenbrenner-Syndrom betroffenen Menschen keine durchschnittliche Körpergröße erreichen.
Die Fehlbildungen des Skeletts zeigen sich zum Beispiel im Bereich der Hände und Finger. So weisen die Patienten oft eine Brachydaktylie oder eine Syndaktylie auf. Zudem leiden zahlreiche betroffene Menschen an einem verengten Thorax sowie einer Mikrozephalie. Auch an den Zähnen zeigen sich infolge des Sensenbrenner-Syndroms typische Anomalien, die durch Störungen des Ektoderms entstehen. So besitzen die Patienten häufig verkleinerte Zähne oder solche mit ungewöhnlichen Formen.
Das Haar der Menschen mit Sensenbrenner-Syndrom ist meist fein und schütter. Es wächst langsam und spärlich und besitzt nur wenige Pigmente, sodass es oft hellblond ist. Die Nägel der am Sensenbrenner-Syndrom erkrankten Personen sind häufig verformt. Zudem leiden die Betroffenen oftmals an einer Hypohidrose und Fehlbildungen des Herzens. Auch die Augen sind von Defekten und Funktionseinschränkungen betroffen.
Die am Sensenbrenner-Syndrom Erkrankten sind meist photophob und entwickeln eine Leberfibrose. Außerdem erleiden die Patienten durch das Sensenbrenner-Syndrom ein chronisches Nierenversagen. Vor allem die Beeinträchtigungen von Organfunktionen führen unter Umständen zu einem frühzeitigen Versterben der Menschen mit Sensenbrenner-Syndrom.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Sensenbrenner-Syndroms ist bestenfalls in einem Fachzentrum für seltene Erbkrankheiten zu stellen, da die Krankheit wenig bekannt ist. Die Anamnese erfolgt üblicherweise mit den Sorgeberechtigten sowie dem neugeborenen Patienten, da das Sensenbrenner-Syndrom in den meisten Fällen schon unmittelbar nach der Geburt ersichtlich ist. Die klinische Untersuchung stützt sich auf Blickuntersuchungen und bildgebende Verfahren von Skelett und inneren Organen.
Zu diesem Zweck kommen beispielsweise Ultraschall- und Röntgentechniken zum Einsatz. Darüber hinaus spielen Analysen von Blut und Urin eine wichtige Rolle zur Diagnose des Sensenbrenner-Syndroms. Zudem führt der Facharzt üblicherweise histologische Untersuchungen von Leber und Niere durch, um Rückschlüsse auf die Organfunktionen zu erhalten.
Auch die Augen sind Gegenstand entsprechender Untersuchungen, um Defekte und Funktionsstörungen zu erkennen. Bei der Differentialdiagnose schließt der Arzt das Jeune-Syndrom sowie das Ellis-van-Creveld-Syndrom aus. Beide Erkrankungen ähneln dem Sensenbrenner-Syndrom bis zum einem gewissen Grad, sodass vermeidbare Verwechslungen durch vorschnelle Diagnosestellung möglich sind.
Komplikationen
Das Sensenbrenner-Syndrom wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität und den Alltag des Betroffenen aus. Die Patienten leiden dabei an einer Vielzahl von Fehlbildungen und Einschränkungen und ihrem Leben und sind dadurch auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. In erster Linie kommt es dabei zu Verzögerungen beim Wachstum und auch bei der Entwicklung.
Diesen können mit einer geistigen Retardierung und mit Minderwuchs einhergehen. Vor allem im jugendlichen Alter kann es dadurch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. Ebenso sind die Zähne und die Zehen häufig verkleinert oder anders deformiert. Auch am Herzen kann es bei diesem Syndrom zu Fehlbildungen kommen, sodass die Betroffenen im schlimmsten Fall auch an einem plötzlichen Herztod versterben können.
Aufgrund des Sensenbrenner-Syndroms sind auch die Nieren geschädigt, sodass es zu einer Niereninsuffizienz kommen kann. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist in den meisten Fällen deutlich eingeschränkt. Bei der Behandlung des Syndroms kommt es in der Regel nicht zu Komplikationen. Allerdings kann das Syndrom nur symptomatisch behandelt werden, sodass es nicht zu einem vollständig positiven Krankheitsverlauf kommt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Sensenbrenner-Syndrom bedarf immer einer Behandlung. Je früher das Sensenbrenner-Syndrom erkannt wird, desto besser ist auch die weitere Prognose für diese Erkrankung. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene unter einem stark verzögerten Wachstum leidet. Dabei kommt es auch am Skelett zu verschiedenen Fehlbildungen, welche in den meisten Fällen auch mit dem Auge gut zu erkennen sind. Dabei sind auch die Hände und die Füße von diesen Fehlbildungen betroffen.
Sollten daher diese Beschwerden eintreten, so muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Vor allem müssen die Eltern auf diese Symptome achten und mit ihrem Kind einen Arzt aufsuchen. Weiterhin deuten auch Einschränkungen der Bewegung oder Sehbeschwerden auf das Sensenbrenner-Syndrom hin. Wird das Syndrom selbst nicht behandelt, so kann es auch zu einem Nierenversagen kommen, welches im schlimmsten Fall zum Tod des Betroffenen führt.
Das Sensenbrenner-Syndrom kann durch einen Arzt diagnostiziert werden. Die weitere Behandlung richtet sich jedoch nach dem Ausmaß der Beschwerden und wird dann von einem Facharzt durchgeführt.
Behandlung & Therapie
Eine Therapie der Ursachen ist beim Sensenbrenner-Syndrom nicht praktikabel. Stattdessen behandeln Ärzte die Symptome des Sensenbrenner-Syndroms, etwa durch Korrekturen der Fehlbildungen am Skelett. Bedingt durch die Nierenschwäche ist bei zahlreichen Patienten eine Dialyse notwendig. Unter Umständen ist es erforderlich, die Niere zu transplantieren, wenn das Organ versagt hat.
Die Prognose des Sensenbrenner-Syndroms richtet sich vor allem nach dem Schweregrad der Organdysfunktionen. Dabei steht die Funktion von Nieren, Herz und Lunge im Fokus. Denn die entsprechenden Funktionseinschränkungen stellen eine akute Bedrohung für das Leben der am Sensenbrenner-Syndrom erkrankten Menschen dar. Hinsichtlich des seltenen Vorkommens der Krankheit und der geringen Anzahl bisher beobachteter Fälle sind genaue Aussagen über die Überlebenswahrscheinlichkeit und Prognose des Sensenbrenner-Syndroms nicht möglich.
Vorbeugung
Das Sensenbrenner-Syndrom entsteht infolge von genetischen Mutationen, auf die kein Einfluss besteht. In manchen Fällen ist eine pränatale Diagnostik des Sensenbrenner-Syndroms möglich. Grundsätzlich haben Familien mit Fällen des Sensenbrenner-Syndroms Anspruch auf eine genetische Beratung, die vor allem bei der Familienplanung Sinn macht.
Nachsorge
In den meisten Fällen sind die Maßnahmen und die Möglichkeiten einer direkten Nachsorge beim Sensenbrenner-Syndrom deutlich eingeschränkt oder stehen dem Betroffenen in einigen Fällen gar nicht erst zur Verfügung. Der Patient sollte aus diesem Grund schon möglichst früh einen Arzt aufsuchen, um das Auftreten anderer Beschwerden und Komplikationen zu verhindern.
Ebenso sollte der Betroffene bei einem Kinderwunsch auf jeden Fall zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen, um das erneute Auftreten dieses Syndroms zu verhindern. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese in der Regel auch nicht vollständig wieder geheilt werden. Bei der Behandlung sind die meisten Patienten auf eine regelmäßige Dialyse angewiesen.
Dabei ist in vielen Fällen auch die Unterstützung von Familie und Freunden sehr wichtig, wodurch die Entstehung von Depressionen und anderen psychischen Verstimmungen verhindert werden können. Der Kontakt zu anderen Patienten der Erkrankung kann sich als sehr sinnvoll erweisen und damit auch das Leben und den Alltag des Betroffenen erleichtern. Der weitere Verlauf dieses Syndroms ist jedoch sehr stark von der genauen Ausprägung abhängig, sodass eine allgemeine Voraussage dabei nicht getroffen werden kann. Eventuell verringert das Sensenbrenner-Syndrom auch die Lebenserwartung des Patienten.
Das können Sie selbst tun
Personen, die unter dem genetisch bedingten Sensenbrenner-Syndrom leiden, haben große Schwierigkeiten im Alltag. Typische Symptome wie Sehstörungen, Nierenprobleme und häufige Atemwegsinfekte wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität aus. Meistens sterben die Patienten schon im Kindesalter. Aus diesem Grund ist eine pränatale Diagnose empfehlenswert. Familien, in denen der seltene Gendefekt bereits aufgetaucht ist, sollten unbedingt eine entsprechende genetische Beratung beanspruchen.
Im Alltagsleben sind aufgrund der Niereninsuffizienz regelmäßige Dialyse-Termine unumgänglich. Zudem können sich die Eltern von erkrankten Kindern über eventuelle Korrekturen der vorhandenen Fehlbildungen informieren. Die Patienten sind mit großer Vorsicht zu behandeln und erfordern besonders viel Zuwendung. Ein liebevoller Umgang kann das Leid ein wenig lindern. Für die Eltern gibt es Unterstützung von den Ärzten und Kliniken.
Da die Erkrankung extrem selten ist, gibt es jedoch keine Selbsthilfegruppen. In psychotherapeutischen Sitzungen, durch die Beratung von medizinischen Experten und auch durch andere soziale Kontakte erhalten die Betroffenen immerhin eine gewisse Unterstützung. Der enge Kontakt zwischen den Familienmitgliedern spielt dabei ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. So fühlen sich die Eltern und die erkrankten Kinder weniger ausgegrenzt.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003