Spaltwirbel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Spaltwirbel (Spina bifida) ist eine sehr seltene Fehlbildung des kindlichen Körpers im Mutterleib. Sie tritt in verschiedenen Formen auf, die unterschiedlich behandelt werden. Die moderne Medizin ist imstande, die Spina bifida schon beim Ungeborenen zu behandeln.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Spaltwirbel?

Eine Spina bifida lässt sich mithilfe verschiedener pränataler diagnostischer Methoden feststellen. Der untersuchende Mediziner misst das Alpha-1-Fetoprotein im mütterlichen Blut oder Fruchtwasser.
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Als Spaltwirbel oder offenen Rücken bezeichnet der Mediziner eine ausgesprochen seltene Wirbelsäulen-Deformation. Sie ist angeboren und betrifft in manchen Fällen sogar das Rückenmark und seine Häute. Der Spaltwirbel bildet sich in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche heraus, wenn das Neuralrohr entsteht.

Aus ihm gehen im weiteren Verlauf der embryonalen Entwicklung schließlich Wirbelsäule, Rückenmark und Gehirn hervor. Verschließt sich das Neuralrohr nicht vollständig, kommt es an der betreffenden Stelle zu einer Deformation der Wirbel: Das Rückenmark tritt über die nicht komplett geschlossenen Wirbelbögen aus. Der Spaltwirbel befindet sich meist am unteren Ende der Wirbelsäule.

Er kommt in drei Formen vor. Wenig bis gar keine Beschwerden verursacht der verborgene Spaltwirbel (Spina bifida occulta). Als Dermalsinus bezeichnet der Mediziner einen nach außen offenen Kanal zwischen dem Rückenmark und der Hautoberfläche. Bei einem offenen Spaltwirbel (Spina bifida aperta) sind Hirnhäute und Rückenmark (Myelon) oder nur die Hirnhäute (Meningen) geschädigt.

Das Myelon tritt sackähnlich aus dem Wirbelkanal aus. Ist jedoch das Rückenmark betroffen, liegt eine Myelomeningozele vor. Diese Form des offenen Rückens kommt am häufigsten vor. Bei der Myelozele ist das Rückenmark nicht mit Haut bedeckt. Wird der offene Rücken rechtzeitig erkannt und entsprechend therapiert, entwickeln sich die Kinder meist körperlich und geistig normal.

Ursachen

Die genauen Ursachen des Spaltwirbels sind noch nicht geklärt. Die Mediziner nehmen an, dass die Kombination von genetischer Prädisposition und verschiedenen äußeren Faktoren zum Entstehen der Fehlentwicklung führt. Mögliche Risikofaktoren sind ein Mangel an Folsäure während der Schwangerschaft und die Einnahme bestimmter Medikamente gegen Epilepsie (Valproat).

Außerdem macht die Medizin Nikotin und Alkoholgenuss sowie eine übermäßige Strahlenbelastung (Röntgen) dafür verantwortlich. Da die Spina bifida oft mit Folgeschäden verbunden ist, müssen die betroffenen Kinder ihr ganzes Leben lang medizinisch betreut werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Spina bifida occulta ist mitunter mit Harnverhalt und einer raschen Ermüdbarkeit der Beine verbunden. Bei der Spina bifida aperta zeigen sich dagegen keine Symptome, wenn das Rückenmark intakt ist (Meningozele). Ist das jedoch nicht der Fall, kann das Hirnwasser nicht mehr in den Rückenmarkskanal abfließen und staut sich in den Hirnkammern (Ventrikeln).

Es kommt zur Bildung eines Wasserkopfes. Der Dermalsinus zeigt sich in Form häufig wiederkehrender Hirnhaut-Infektionen, da die Krankheitserreger über den offenen Kanal ins Rückenmark eindringen können. Schwere Spaltwirbel-Deformationen kommen oft zusammen mit einer Querschnittslähmung vor. Die neurologischen Ausfälle sind davon abhängig, wie hoch der Spaltwirbel ist.

Viele Patienten haben aufgrund einer Muskelatrophie Bein-Lähmungen. Mitunter kommt es auch zu Empfindungsstörungen. Fast alle kindlichen Patienten haben eine gestörte Darm und Blasenentleerung bis hin zur Inkontinenz oder zum Stuhl und Harn-Verhalt. Bei manchen von ihnen tritt außerdem noch eine Fuß-Deformation (Klumpfuß) oder eine Hüftfehlstellung auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Eine Spina bifida lässt sich mithilfe verschiedener pränataler diagnostischer Methoden feststellen. Der untersuchende Mediziner misst das Alpha-1-Fetoprotein im mütterlichen Blut oder Fruchtwasser. Ist seine Konzentration erhöht, kann er damit seine Spina bifida Diagnose absichern. Eine zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche vorgenommene Ultraschall-Untersuchung macht eine vorhandene Spaltwirbel Bildung sichtbar.

Die Messung der Ventrikel-Größe und des Schädel-Durchmessers kann auf einen Wasserkopf hinweisen. Das genaue Ausmaß der Fehlbildung lässt sich jedoch erst nach der Niederkunft der Schwangeren sicher einschätzen. In den ersten Lebenstagen des Babys führt der Arzt eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder einen Ultraschall durch, um die Fehlbildung und eventuell vorhandene krankhafte Veränderungen im Gehirn besser beurteilen zu können.

Komplikationen

Typische Komplikationen eines Spaltwirbels sind Entzündungen der Rückenmarkshäute, des Rückenmarks und der Nieren. Auch eine Blasenentzündung ist nicht unwahrscheinlich. Daneben können ernste Gehirnentzündungen auftreten. Im weiteren Verlauf kann es aufgrund von Verwachsungen und Narbenbildung im Bereich des Rückenmarks zu neurologischen Beschwerden kommen.

Es können Fehlstellungen von Gelenken und Wirbelsäule auftreten, etwa Skoliose oder ein Klumpfuß. Liegt eine Hydrozephalus (Wasserkopf) vor, so muss dies dringend behandelt werden, da der immer weiter steigende Druck der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit auf das Hirn schwerwiegende Schäden verursachen kann. Bei der Behandlung gehen die Gefahren von einem chirurgischen Eingriff aus.

Eine Operation kann mit Blutungen, Nachblutungen, Infektionen und Nervenverletzungen verbunden sein. Letzteres führt oftmals zu Sensibilitätsstörungen und anderweitigen Beschwerden. Nach der Operation können Wundheilstörungen und zeitweilig auch Lähmungserscheinungen auftreten. Außerdem bilden sich mitunter Narben, die ebenfalls mit Gefühlsstörungen einhergehen.

Wird zur Ableitung des überschüssigen Gehirnwassers ein Katheter gelegt, kann dies zu Infektionen führen. Die medikamentöse Therapie ist mit Neben- und Wechselwirkungen verbunden. Typische Begleiterscheinungen sind Hautirritationen, Beschwerden des Magen-Darm-Traktes und Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen. Auch allergische Reaktionen auf die verwendeten Mittel und Materialien können auftreten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einem Spaltwirbel sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Nur durch eine frühzeitige und vor allem richtige Behandlung durch einen Arzt kann diese Krankheit vollständig geheilt werden. Je früher der Arzt aufgesucht wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf dieser Erkrankung. Ein Arzt sollte schon bei den ersten Anzeichen eines Spaltwirbels aufgesucht werden.

Dabei ist der Arzt dann aufzusuchen, wenn der Betroffene sehr häufig die Toilette aufsuchen muss und dauerhaft müde ist. Dabei tritt die Müdigkeit am gesamten Körper auf, betrifft allerdings am stärksten die Beine des Betroffenen. Ebenfalls können Infekte durch diese Krankheit leichter auftreten. Die Betroffenen zeigen auch Empfindungsstörungen oder Inkontinenz. Treten diese Beschwerden auf, so muss sofort ein Arzt aufgesucht werden, da es durch den Spaltwirbel im schlimmsten Falle auch zu einer vollständigen Lähmung kommen kann.

Auch eine Fehlstellung der Hüfte oder Füße kann auf einen Spaltwirbel hindeuten und sollte von einem Arzt untersucht werden. In den meisten Fällen kann die Krankheit durch einen Allgemeinarzt erkannt werden. Die weitere Behandlung wird dann durch einen Facharzt durchgeführt.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des Spaltwirbels ist davon abhängig, welche Form der Deformation vorliegt, wie stark ausgeprägt sie ist und ob noch weitere Schädigungen vorhanden sind. Der Dermalsinus muss mithilfe eines neurochirurgischen Eingriffs verschlossen werden. Die Meningozelen werden ebenfalls operativ behandelt. Schwangere, bei denen eine Myelomeningozele festgestellt wurde, entbinden meist per Kaiserschnitt.

Danach verschließt der Operateur den offenen Rücken. Die Spina bifida Operationen werden in Spezialkliniken bereits im Mutterleib per Bauchspiegelung (Endoskopie) oder Bauchschnitt durchgeführt. Der Wasserkopf wird in der ersten Lebenswoche des Kindes durch Legen eines Shunts (Spezial-Katheters) behandelt, sodass das überflüssige Gehirnwasser in den Bauchraum abfließt.

Die gestörte Blasenentleerung lässt sich medikamentös therapieren. Da die Bein-Lähmungen eine Wirbelsäulen-Verkrümmung (Skoliose) bewirken können, setzt der Orthopäde Orthesen und Bandagen ein und verschreibt eine Physiotherapie. Da die in der frühen Kindheit vorgenommene operative Korrektur des Spaltwirbels Narben hinterlässt, kommt es später zu einer Verschlimmerung der neurologischen Symptome, wenn das Kind wächst. Weitere Operationen sind die Folge.


Vorbeugung

Um das Risiko zu minimieren, ein Kind mit einem offenen Rücken zu gebären, raten Ärzte betroffenen Frauen, mindestens vier Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft ein Folsäure-Präparat einzunehmen und es erst im vierten Schwangerschaftsmonat wieder abzusetzen.

Welches Mittel am besten geeignet ist, erfährt die Patientin von ihrem Arzt. Epilepsie-Patientinnen mit Kinderwunsch sprechen am besten rechtzeitig vorher mit dem behandelnden Mediziner über die Dosierung von Valproat während der Schwangerschaft. Außerdem sollte die werdende Mutter vollständig auf Alkohol und Zigaretten verzichten.

Nachsorge

Eine angeborene Fehlstellung der Wirbel hat einen chronischen Charakter. Das Rückenmark wird punktuell nicht vom Wirbel umschlossen, es fehlt der Schutz durch den Wirbelfortsatz. Solche Spaltwirbel müssen frühzeitig therapiert werden. Bei einer zu spät gestellten Diagnose sind die Betroffenen oft querschnittsgelähmt.

Es gibt auch leichtere Verläufe wie die Spina bifida occulta, die den Patienten ein normales Leben ermöglichen. Sie bereiten vielfach keine Beschwerden und werden häufig rein zufällig erkannt. Die Nachsorge richtet sich nach dem Schweregrad. Leichte Krankheitsbilder bedürfen keiner engmaschigen Betreuung. Gelegentliche Kontrolltermine bei einem Orthopäden reichen in diesen Fällen meistens aus.

Bei schweren Verläufen ist die lebenslange Nachsorge eine Notwendigkeit. Die fehlgebildeten Wirbel erfordern einen operativen Eingriff, die Folgebeschwerden müssen dabei ärztlich therapiert werden. Nach der Operation ist eine Nachsorge üblich. Der Arzt überprüft den Heilungsverlauf. Folgeschäden sollen vermieden werden. Die Gefahr einer bleibenden Wirbelsäulenverkrümmung ist bei unsachgerechter Nachsorge hoch.

Nach einer erwartungsgemäßen Heilung stellt der Facharzt die Nachsorge ein. Neurologische Ausfälle werden vom geschädigten Rückenmark verursacht. Sie sind nicht behebbar. Bei der Nachsorge steht der alltägliche Umgang mit der Lähmung im Fokus. Schmerzen können mithilfe von entsprechenden Medikamenten gelindert werden.

Das können Sie selbst tun

Ein Spaltwirbel sorgt nicht bei jedem Patienten für Probleme oder gesundheitliche Beeinträchtigungen. Ist er nur gering ausgeprägt, bleibt der Betroffene häufig lebenslang beschwerdefrei. Zur Vermeidung von Komplikationen sind Überlastungen des Körpers zu vermeiden. Körperliche Anstrengungen sollten daher im Alltag unterlassen werden. Bereits bei den ersten Unannehmlichkeiten sind ausreichend Ruhe und Schonung wichtig. Bewegungsabläufe sind mit einem Physiotherapeuten zu besprechen und nach Möglichkeit zu optimieren. Die erlernten Trainings können eigenverantwortlich jederzeit im Alltag umgesetzt werden. Übergewicht ist zu vermeiden, da es eine zusätzliche Belastung für das Skelettsystem darstellt.

In einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium klagen die Betroffenen häufig über eine schnelle Erschöpfung und leichte Ermüdung. Die Zeichen des Organismus sind im alltäglichen Geschehen zu berücksichtigen und entsprechende Pausen sind einzulegen. Daher sollten körperliche wie sportliche Aktivitäten den Möglichkeiten des Körpers angepasst werden und erste Anzeichen von Unannehmlichkeiten sind zu berücksichtigen. Schwere berufliche Arbeiten sind vollständig zu unterlassen.

Bei einer starken Ausprägung der Erkrankung liegen häufig zusätzlich Lähmungserscheinungen vor. Diese Form der Erkrankung stellt eine starke Herausforderung bei der Bewältigung des Alltags dar. Wichtig hierfür sind eine emotionale Stabilität sowie ein stabiles soziales Umfeld, um die Widrigkeiten der Erkrankung händeln zu können. Zustände der emotionalen Belastung sollten frühestmöglich geklärt und abgebaut werden.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hellstern, G., et al: Kurzlehrbuch Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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