Harnverhalt

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Harnverhalt kann schmerzhaft sein und vielfältige Ursachen haben. Ein erster Schritt in dessen Bekämpfung ist eine ausreichende Ursachendiagnostik.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Harnverhalt?

Schematische Darstellung zur Anatomie und Aufbau der Harnblase. Klicken, um zu vergrößern.

Vom Harnverhalt (auch als Ischurie bezeichnet) ist in der Medizin die Rede, wenn die Harnblase eines Betroffenen zwar gefüllt ist und er auch einen Harndrang spürt, ihm ein Urinieren aber nicht möglich ist. Der Harnverhalt zählt somit zu den sogenannten Blasenentleerungsstörungen.

Je nach Betroffenem kann ein Harnverhalt zu starken Schmerzen und/oder einem Druckgefühl im Bereich der Blase führen. Bedingt wird beides unter anderem durch die vorliegende Überdehnung der Blasenwand bei Harnverhalt.

Besteht ein Harnverhalt über eine längere Zeitspanne hinweg, so kann es zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Blasenschließmuskels kommen; eine solche Funktionsbeeinträchtigung zeigt sich beispielsweise in einem Harnträufeln, das willentlich nicht zu beeinflussen ist.

Ursachen

Ein Harnverhalt kann verschiedene Ursachen haben. Ein akuter (also ein kurzfristig vorliegender) Harnverhalt beim Mann wird beispielsweise häufig bedingt durch eine gutartige Vergrößerung der Prostata (Vorsteherdrüse). Eine solche Prostatavergrößerung kann zu einer Verengung der Harnröhre und somit zu einem Harnverhalt führen.

Weitere mögliche Gründe für einen Harnverhalt aufgrund einer verengten Harnröhre sind darüber hinaus etwa Bandscheibenvorfälle, Blasensteine oder Verletzungen der Harnröhre. Auch durch sogenannte Spinalanästhesien (im Rückenmark gesetzte Anästhesien bzw. Betäubungen) im Zuge von Operationen kann es beim Patienten zu einem mehrstündigen Harnverhalt kommen.

Auch das Auftreten einer Harnverhalts aufgrund von Medikationen ist möglich; so können beispielsweise Medikamente, die zur Behandlung von Inkontinenz eingesetzt werden, einen Harnverhalt provozieren. Ähnliches gilt für weitere Medikamente, wie beispielsweise bestimmte Antidepressiva. Nicht zuletzt kann es aufgrund psychischer Faktoren zu einem kurzfristigen Harnverhalt kommen; beispielsweise durch situativen Zeitdruck oder auf Ausflügen.

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Krankheiten mit diesem Symptom

Diagnose & Verlauf

Diagnostiziert werden kann ein Harnverhalt bereits häufig aufgrund der Beschwerdeschilderung des betroffenen Patienten. Um die Ursachen festzustellen, die sich hinter einem Harnverhalt verbergen, zählt zu den möglichen Verfahren beispielsweise eine Urinuntersuchung.

Diese Untersuchung kann Aufschluss geben über mögliche Krankheitserreger, die einem Harnverhalt zugrunde liegen. Weitere mögliche Untersuchungsmethoden zur Feststellung der Ursachen von Harnverhalt sind etwa Blutuntersuchungen oder das Nehmen von Abstrichen. Gelegentlich können bei Harnverhalt auch weitere Verfahren notwendig werden wie beispielsweise Ultraschall- oder MRT (Magnetresonanztomografie)-Untersuchungen.

Welchen Verlauf ein Harnverhalt nimmt, hängt stark ab von den ursächlichen Faktoren. Können Ursachen relativ rasch medizinisch behoben werden oder klingen selbstständig ab, so geht damit häufig auch der Harnverhalt zurück. Liegen einem Harnverhalt längerfristige Ursachen zugrunde, kann es ohne notwendige Maßnahmen beispielsweise zu einem chronischen Beschwerdeverlauf kommen.

Komplikationen

Harnverhalt kann zu einer Reihe von Komplikationen führen. Bei einer chronischen Erkrankung dehnen sich die Harnwege mit der Zeit aus und passen sich so an den erhöhten Druck an, wodurch auch die Niere übermäßig belastet wird. Dadurch kann eine sogenannte Wasserniere (Hydronephrose) entstehen: die Niere dilatiert, vernarbt und schrumpft schließlich (Schrumpfniere). Dazu kommen Infektionen der Harnwege, bedingt durch den angestauten Urin, welcher die Ausbreitung von Krankheitserregern im Körper erleichtert.

Eine mögliche Folge ist eine Urosepsis, also eine akute Infektion des Urogenitaltraktes, welche mit Fortschreiten der Erkrankung auch die Niere weiter schwächt. Die Nierenfunktion nimmt immer weiter ab und es kommt zu irreversiblen Schädigungen wie etwa einer chronischen Niereninsuffizienz, einhergehend oft mit Bluthochdruck, Ödemen am gesamten Körper (Wassersucht) und Verwirrtheit. Harnverhalt bei Kindern kann dazu führen, dass eine Dialyse notwendig wird. Eine Spenderniere ist oft die einzige Möglichkeit, die Harnwege zu regenerieren.

Je nach Schweregrad des Harnverhalts können weitere Komplikationen auftreten. Fast immer kommt es zu starken Schmerzen im Bereich der Harnwege und speziell der Nieren, oft in Kombination mit bakteriellen Erkrankungen, der Bildung von Abszessen und in schweren Fällen Tumoren im Nieren- und Urogenitalbereich. Zuletzt begünstigt Harnverhalt diverse Organerkrankungen. Neben der Niere werden auch Herz, Leber und Magen-Darm-Trakt übermäßig belastet.

Wann sollte man zum Art gehen?

Bei Harnverhalt handelt es sich um eine Blasenentleerungsstörung, die unbedingt sofortiger ärztlicher Behandlung bedarf. Von Harnverhalt Betroffene werden ohnehin versuchen, schnellstmöglich einen Arzt aufzusuchen. Wenn sie ihre offensichtlich gefüllte Blase mit entsprechendem Harndrang dennoch nicht oder nur sehr langsam entleeren können, dazu starke Schmerzen haben, ist dies äußerst beunruhigend und führt rasch zu hohem Leidensdruck. Die Ursachen für einen Harnverhalt sind vielfältig.

Eine klassische Ursache für einen Harnverhalt beim Mann ist eine gutartige Prostatavergrößerung, bei der es durch eine Harnröhrenverengung zum Harnverhalt kommt. Bei beiden Geschlechtern kann Harnverhalt außerdem durch Blasensteine, Harnröhrenverletzungen, Bandscheibenvorfälle, Gebärmuttersenkungen und Blasenkrebs sowie bestimmte Medikamente auftreten. Zu denken ist ferner an eine beeinträchtigte Blasenentleerung beim Diabetes mellitus und bei Multiple Sklerose. Außerdem kann Harnverhalt psychisch bedingt sein.

Akuter Harnverhalt, bei dem überhaupt kein Urin mehr abgegeben werden kann, gilt als medizinischer Notfall. Hier muss die Harnblase umgehend über einen Katheter entleert werden, um ein Reißen der Harnblase zu verhindern. Anschließend folgt die Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung. Aber auch chronischer Harnverhalt, der dazu nicht immer schmerzt, gehört in ärztliche Behandlung, da er auf Dauer die Nieren schädigt. Außerdem schwächt der Druck einer stets überfüllten Blase den Schließmuskel und es droht Inkontinenz.

Behandlung & Therapie

Um einen medizinisch relevanten Harnverhalt erfolgreich behandeln zu können, ist zunächst eine gründliche Ursachendiagnostik notwendig. Entsprechend den festgestellten Ursachen gestaltet sich dann die individuelle Therapie bei Harnverhalt.

Um zunächst den akuten Druck auf die Blasenwand und mögliche Schmerzen bei Harnverhalt zu beheben, ist ein symptomatischer Eingriff häufig die Entleerung der Harnblase mithilfe eines Harnröhrenkatheters. Ein solcher Katheter wird bei Harnverhalt in die Harnröhre eingeführt und ermöglicht ein Ablaufen des in der Blase gestauten Urins. Je nach Ursache, die sich hinter einem Harnverhalt verbirgt, gestaltet sich die Zeitdauer, für die ein Harnkatheter beim einzelnen Patienten in der Harnröhre verbleibt.

Nun kann sich eine Ursachenbehandlung bei Harnverhalt anschließen: Ist der Harnverhalt beispielsweise bakteriell bedingt, so kann etwa eine Antibiotikagabe zur Bekämpfung der zugrunde liegenden Infektion erfolgen.

Ist ein Harnverhalt auf Blasensteine des Betroffenen zurückzuführen, kommt es meist zu einer Entfernung entsprechender Blasensteine; möglich ist dies etwa durch kleinere operative Eingriffe. Liegen einem Harnverhalt beispielsweise bösartige oder neurologische Erkrankungen zugrunde, ist ein wichtiger Aspekt die Behandlung der entsprechenden Grunderkrankung.

Aussicht & Prognose

Die Prognose ist abhängig von der zugrundeliegenden Krankheit. Wird ein Harnverhalt rechtzeitig erkannt und behandelt, bestehen in der Regel keine Komplikationen. Bei kontrollierter Entleerung der überfüllten Blase durch einen Harnröhrenkatheter kann es in seltenen Fällen zu einer Verletzung der Blase kommen.

Unbehandelt kann ein Harnverhalt chronisch werden. Bei einem akuten Harnverhalt droht das Reißen der Blase. Auch eine Harnstauungsniere ist möglich. Im Verlauf des Harnverhalts kann es zu Inkontinenz kommen, da die gestaute Harnflüssigkeit den Druck in der Blase solange erhöht, bis eine Überlaufinkontinenz entsteht.

Männer sind von einem akuten Harnverhalt häufiger betroffen als Frauen. Um eine umfassende Diagnose und Heilungsprognose zu ermöglichen, werden weibliche Patienten einer anderen klinischen Untersuchung unterzogen als männliche Patienten, da unterschiedliche anatomische Voraussetzungen bestehen. Auch können geschlechtsspezifische Grunderkrankungen wie eine Prostatavergrößerung bei Männern und Gebärmutterhalskrebs bei Frauen die Ursache sein.

Langwierig gestaltet sich der Krankheitsverlauf, wenn ein Bandscheibenvorfall oder Multiple Sklerose der Auslöser für den Harnverhalt sind, da diese Grunderkrankungen selbst mit unterschiedlichen Komplikationen einhergehen.

In den meisten Fällen ist der Harnverhalt auf Blasensteine, eine Blasenentzündung, Harnröhrenentzündung, Harnwegsinfektion oder Stress zurückzuführen. Bei diesen Grunderkrankungen fällt die Prognose positiv aus, denn diese Beschwerden lassen sich gezielt und umgehend mit Medikamenten innerhalb eines Zeitraums von zwei bis drei Wochen behandeln.

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Vorbeugung

Die Möglichkeit, einem Harnverhalt vorzubeugen, ist abhängig von dessen Ursachen. Einem bakteriellen Harnverhalt kann beispielsweise durch ausreichende hygienische Maßnahmen im Intimbereich vorgebeugt werden. Bei Hinweisen auf eine mögliche körperliche Erkrankung, die zu einem Harnverhalt führen kann, sind weitere Möglichkeiten der Vorbeugung ein frühzeitiger Arztbesuch und ein frühzeitiger (falls notwendig) Behandlungsbeginn.

Das können Sie selbst tun

Bei einem akuten Harnverhalt, bei dem sich die Blase beständig mit Urin füllt, der Betroffene sie aber willentlich nicht mehr entleeren kann, muss unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Bei Selbstbehandlung droht hier ein Blasenriss. Kommt es zu einer Abflussstaung aufgrund von Blasensteinen, darf dieses Problem ebenfalls nicht vom Patienten selbst behandelt werden. Der Betroffene kann aber viel dazu beitragen, dass sich Blasensteine nicht erneut bilden.

Patienten, die zu Blasensteinen neigen, sollten täglich wenigstens zwei Liter Flüssigkeit, bevorzugt Wasser oder ungesüßten Kräuter- oder Früchtetee, zu sich nehmen. In der Naturheilkunde wird den Patienten darüber hinaus zu einer Reihe von Hausmitteln geraten. So soll es helfen, eine frische Quecke mit heißem Wasser zu übergießen und zehn Minuten ziehen zu lassen. Der Sud wird nach Abkühlung in kleinen Schlucken getrunken. Als hilfreich gilt auch der regelmäßige Konsum von Meerrettich, Maistee sowie kalziumhaltigen Lebensmitteln, die das steinbildende Oxalat im Darm binden sollen.

Ist der Harnverhalt auf eine akute Entzündung der ableitenden Harnwege zurückzuführen, gibt es ebenfalls einige Hausmittel, die zur Besserung beitragen können. Bei einer Blasenentzündung hilft oftmals eine Wärmflasche auf dem Unterbauch. Der Patient kann außerdem durch das Tragen warmer Unterwäsche und die Vermeidung kalter Sitzflächen dazu beitragen, dass die Entzündung möglichst schnell wieder abheilt.

Quellen

  • Haag, P., Hanhart, N., Müller, M.: Gynäkologie und Urologie. Für Studium und Praxis 2014/15. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2014
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hautmann, R., Gschwend, J.E.: Urologie. Springer, Berlin Heidelberg 2014

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