Stoßdämpferfunktion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Stoßdämpferfunktion wird die fasziale Fähigkeit bezeichnet, die Energie von Stößen in verschiedene Richtungen zu verteilen und dadurch abzuschwächen. Nach traumatischen Verletzungen organisieren sich Faszien im Rahmen der Stoßdämpferfunktion um. Massagen versetzen die Fasern in Ausgangslage zurück und stellen ihre Funktionen wieder her.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Stoßdämpferfunktion?

Als Stoßdämpferfunktion wird die fasziale Fähigkeit bezeichnet, die Energie von Stößen in verschiedene Richtungen zu verteilen und dadurch abzuschwächen.

Die Weichteilkomponenten des Bindegewebes heißen Faszien. Sie umhüllen den gesamten Körper mit einem Spannungsnetzwerk. Zu den Faszien gehört alles kollagenfaserige Bindegewebe, so vor allem das der Gelenkkapseln, der Organkapseln, der Muskelsepten und der eigentlichen Faszien mit der Gestalt flächig fester Schichten aus Bindegewebe.

Eine der wichtigsten Funktionen des Fasziengewebes ist die Stoßdämpferfunktion. Vor allem die tiefen Faszien zeichnen sich durch wichtige Funktionen in der Koordination, der Bewegungsausführung und der Kraftübertragung aus. Anders als das Muskelgewebe sind die Faszien passive Gewebestrukturen und verleihen den Muskeln neben ihrer Form vor allem die nötige Festigkeit. Sie halten die Muskelfasern während der Kontraktion zusammen, grenzen die Muskeln von einander ab und verhindern so die gegenseitige Beeinflussung der Skelettmuskeln.

Neben diesen wichtigen Aufgaben sind die Faszien durch die Ausrichtung der einzelnen Faszienfasern außerdem für die Verteilung von Energie nach einem Stoß zuständig. Sie verteilen diese Energie in verschiedene Richtungen und schwächen sie dadurch ab. Dieses Phänomen entspricht der Stoßdämpferfunktion des Fasziengewebes.

Funktion & Aufgabe

Faszien sind ein eng zusammenwirkendes Netzwerk aus anpassungsfähigen Teilen des Gewebes und lassen sich in die oberflächlichen, tiefen und viszeralen Faszien unterscheiden. Sie besitzen eine hohe Viskoelastizität. Oberflächliche Faszien sind aus diesem Grund zu deutlichen Dehnungen in der Lage. Viszerale Faszien besitzen eine verbindende Funktion in Zusammenhang mit den Organen des Körpers und zeichnen sich daher anders als oberflächliche Faszien durch konstante Spannung aus. Auch tiefe Faszien sind nicht sonderlich dehnbar, allerdings sind sie mit sensorischen Rezeptoren durchsetzt und signalisieren Schmerzen, Bewegungsänderungen, Druckveränderungen und Änderungen im chemischen Milieu oder Temperaturschwankungen. Die meisten tiefen Faszien zeichnen sich außerdem durch die Fähigkeit aus, auf mechanische und chemische Stimulationen anhand von Kontraktion zu reagieren.

Faszien können sich außerdem umorganisieren und besitzen eine Feder- und Stoßdämpferfunktion. Wie Little beschreibt, kann die Stärke der elastischen Gewebsverformung bei Stoßeinflüssen unmittelbar mit der einwirkenden Kraft in Zusammenhang stehen und somit eine Federfunktion erfüllen.

Die Verformung kann andererseits auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschwindigkeit der Krafteinwirkung stehen und so einer Stoßdämpferfunktion gleichkommen. Laut Little verhalten sich insbesondere kollagene Fasern grundsätzlich gemäß des Stoßdämpferprinzips. Bindegewebsstrukturen verhalten sich seinen Ausführungen zufolge als Kombination aus Stoßdämpfer- und Federmodell.

Zu Beginn der Krafteinwirkung dehnen sich die elastischen Fasern des Gewebes und federn so die Krafteinwirkung ab. Nach einer gewissen Zeit der Krafteinwirkung gleichen die kollagenen Fasern den Zug mittels der viskosen Stoßdämpferfunktion aus. Sie übertragen die Energie der Krafteinwirkung in verschiedene Richtungen und lassen die elastischen Fasern wieder in ihre Ausgangsposition zurückkehren.

Die einzelnen Faszienketten übertragen die Energie von etwaigen Stößen als zusammenhängendes Netzwerk sogar auf den gesamten Körper. Im Fasziengewebe kommt es im Rahmen von länger bestehenden Krafteinwirkungen auf diese Weise zu einer irreversiblen Verformung und Umorganisation. Das fasziale Gewebe kehrt demnach auch nach dem Abschluss der Krafteinwirkung nicht mehr in seine Ausgangsposition zurück. Damit verfügen die Faszien im weitesten Sinne über ein zelluläres Gedächtnis, in dem traumatische Erfahrungen gespeichert sind.


Krankheiten & Beschwerden

Verspannungen des faszialen Gewebes können die Stoßdämpferfunktion und mit ihr eine der wichtigsten Schutzfunktionen der Faszien beeinträchtigen. Als Ursachen für fasziale Verspannungen kommen Traumata und Haltungsdysfunktionen ebenso infrage wie Stress oder psychische Belastungen. Auch Infektionen und Narben des faszialen Gewebes können die Stoßdämpferfunktion durch Verspannungen in den Faszien beeinträchtigen.

OsteopathInnen können Verspannungen der Faszien oft schon durch reinen Sichtbefund ausmachen und mithilfe einer Mobilitätsprüfung am faszialen Gewebe eine Fasziendiagnose erstellen. Fasziale Verspannungen mit einem Verlust der Stoßdämpferfunktion lassen sich unter Umständen über Massagen des betroffenen Gewebes ausgleichen.

Anders verhält es sich bei einer Umformung der kollagenen und elastischen Fasern, die in Zusammenhang mit länger andauernden Krafteinwirkungen stattgefunden hat. In den Fasern können, bei anhaltender Kraft- oder Zugeinwirkung, zusätzlich zur Verformung Entzündungen entstehen, die eine absolute Umorganisation des chemischen und physiologischen Milieus zur Folge haben. Ein spezialisierter Therapeut kann die Umformung der faszialen Struktur rückgängig machen.

Umorganisierte elastische Fasern des Fasziengewebes lassen sich leichter wieder in ihre Ausgangsstellung zurückbringen als umorganisierte kollagene Fasern. In einer längerfristigen Therapie versucht der Therapeut, durch direkten oder indirekten Zug im Sinne einer sanft kontinuierlichen Zugeinwirkung das chemische Milieu der kollagenen Fasern wiederherzustellen. Hauptaufgabe eines faszialen Therapeuten ist damit die Löschung von traumatischen Erfahrungen aus dem zellulären Gedächtnis.

In den meisten Fällen arbeiten Osteopathen und andere Faszientherapeuten bei Massagen des faszialen Gewebes über die Prinzipien der Induktion und der Dehnung. Eine Sonderstellung nimmt bei faszialien Behandlungen die Triggerpunkttherapie ein, die lokale Muskelverhärtungen innerhalb der Skelettmuskulatur lösen soll. Von diesen Triggerpunkten kann lokale Druckempfindlichkeit herrühren. Auch übertragene Schmerzen können von den Triggerpunkten ausgehen, wobei bis zu 90 Prozent aller Schmerzsyndrome auf fasziale Muskulaturverhärtungen rückführbar sein sollen. Auch durch Triggerpunkttherapie lassen sich die Faszien des Körpers gegebenenfalls wieder harmonisieren, falls sie durch psychische Belastungen, Infekte oder traumatische Erfahrungen ihre Stoßdämpferfunktion verloren haben.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Krämer, J., Grifka, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Berlin 2013
  • Rössler, H., Rüther, W.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München, 2005

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