Mechanorezeption

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Mechanorezeption umfasst beim Menschen alle Sinne, die durch mechanische Reize erregt werden. Sie sind wichtig für die Wahrnehmung und die Steuerung von Lebensvorgängen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Mechanorezeption?

Mechanorezeptoren sind spezialisierte Nervenzellen, die auf spezifische mechanische Reize reagieren.

Mechanorezeptoren sind spezialisierte Nervenzellen, die auf spezifische mechanische Reize reagieren. Sie befinden sich in verschiedenen Geweben, Organen und Körperteilen und ergeben zusammen das System der Mechanorezeption.

Erregende Signale können von außen einwirken (Exterozeption) oder im Körperinnern (Interozeption) erzeugt werden wobei die Arten der mechanischen Einwirkungen Druck, Dehnung, Spannung, Berührung, Bewegung oder Vibrationen sein können.

Die reizaufnehmenden Strukturen der Nervenzellen sind so aufgebaut, dass es durch den Reiz, für den sie spezialisiert sind, zu einer Konfigurationsänderung an der Zellmembran kommt, die entweder direkt oder indirekt ein elektrisches Potential (Aktionspotential) auslöst, das über die Nervenleitung zum Rückenmark oder höheren Nervenzentren gelangt.

Nach Aufnahme und Verarbeitung der einkommenden elektrischen Impulse erfolgt von dort eine Reizantwort an die entsprechenden Organe mit der Einleitung einer adäquaten Reaktion. Das können die gleichen Organe sein, in denen sich auch die Rezeptoren befinden oder auch andere.

Die Rezeptorendichte kann in gleichen oder vergleichbaren Organen unterschiedlich sein, je nach Bedeutung für die Wahrnehmung und die Regulierung der Lebensvorgängen. Viele Systeme sind als Regelkreis konstruiert, bei dem die Rückkopplung nach Signaleingang direkt vom Rückenmark zu den Erfolgsorganen erfolgt.

Funktion & Aufgabe

Eine Aufgabe aller Mechanorezeptoren ist die Aufnahme und Weiterleitung von Informationen an höhere Zentren. In diesen werden die einlaufenden Daten verarbeitet und qualitativ und quantitativ bewertet. Je nach Reizstärke und Wichtigkeit für das biologische System werden sie entweder nur gespeichert, als Empfindung wahrgenommen oder es erfolgt sofort eine Reizantwort, mit dem Ziel, die auslösenden Faktoren zu reduzieren oder zu stoppen. Die Reaktion, die über die Rückkopplung initiiert wird, ist häufig eine Schutzreaktion.

Dehnungsrezeptoren existieren in vielen verschiedenen Systemen des Körpers. In der Magen- und Darm- und Blasenwand werden sie bei zunehmender Füllung erregt und führen im ersten Fall zu einer Abnahme des Hungergefühls, im zweiten lösen sie den Abführvorgang ein, im dritten den Harndrang.

Im Sehnen-Muskel-System befinden sich Dehnungsrezeptoren im Golgi-Sehnenorgan und in der Muskelspindel. Die Spannungsmesser der Rezeptoren sind parallel zu den Muskel- und Sehnenfasern geschaltet und werden bei einer Verlängerung des Muskels erregt. Sie erfüllen hier eine typische Schutzfunktion, indem sie den gleichen Muskel, in dem sie sich befinden zur Kontraktion bringen, wenn die Dehnung so groß zu werden droht, dass sie zu Verletzungen führen kann.

Die Muskelspindel ist ein hochkomplexes Rezeptorensystem, das manchmal in der Literatur als Organ im Organ bezeichnet wird. Es befindet sich zwar im Muskel, besitzt jedoch unabhängige kontraktile Elemente, mit denen sie die Spannung des Dehnungsrezeptors verändern kann. Neben der Registrierung von Spannungsänderungen kann so die Empfindlichkeit des Systems, je nach motorischer Anforderung, reguliert werden.

Gelenkrezeptoren messen neben dem Druck auch die Winkelveränderung bei Bewegungen der zum Gelenk gehörigen Knochen. Gemeinsam mit den Muskelspindeln bilden sie einen wichtigen Bestandteil der Tiefensensibilität, die es ermöglicht, dass die Lage des Gesamtkörpers oder von Einzelteilen, Bewegungen und Bewegungs- und Spannungsveränderungen ständig und unbewusst registriert wird.

In unserem größten Organ, der Haut, befindet sich oberflächlich eine Reihe von Rezeptoren, von denen einige auch mechanische Informationen aufnehmen. Der Berührungs- und Tastsinn liefert Informationen darüber, mit welchen Materialien und Substanzen die Haut in Kontakt kommt. Neben motorischen Reaktionen kann dies auch emotionale Empfindungen auslösen. Daneben existieren auch Rezeptoren, die Druck und Vibrationen messen. Sie erfüllen eine Schutzfunktion, indem sie Informationen liefern, die dazu führen, dass motorische Reaktionen eingeleitet werden, um den auslösenden Reiz auszuschalten oder zu reduzieren und dadurch Schäden zu vermeiden.


Krankheiten & Beschwerden

Störungen der Mechanorezeption können ihre Ursache entweder am Rezeptor selber haben oder durch Erkrankungen in den Bereichen des Zentralnervensystems liegen, die für die Impulsverarbeitung zuständig sind.

Periphere Nervenläsionen führen dazu, dass die Reizaufnahme durch die Rezeptoren zwar noch funktioniert, jedoch die Weiterleitung nicht. Es kommen dann keine Informationen im Rückenmark oder in höheren Zentren an. Dementsprechend kann keine Reaktion erfolgen beziehungsweise keine Empfindung entstehen. Ein typisches Beispiel dafür sind Taubheitsgefühle in einem bestimmten Areal, das von sensiblen Hautnerven versorgt wird. Bei einem Bandscheibenvorfall kann die Reizleitung nahe an der Einlaufstelle zur Wirbelsäule gestört sein. Neben einer kompletten Taubheit in dem entsprechenden Hautareal (Dermatom) können auch Missempfindungen, wie Kribbeln, auftreten.

Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung, bei der der Stoffwechsel der Nerven angegriffen wird, besonders peripher an den Füßen und Armen. Die schützende Isolierung der Nervenbahnen wird zunehmend abgebaut. Informationen gelangen zunächst reduziert und langsamer zum Rückenmark und fallen schließlich komplett weg. Neben der Hautsensibilität sind vor allem die Mechanorezeptoren des Bewegungsapparates betroffen, was zu einem allmählichen Wegfall der Tiefensensibilität führt. Die betroffenen Menschen spüren ihre Füße nicht und haben keine Wahrnehmung mehr darüber, in welcher Gelenkstellung sich diese befinden. Eine Zeit lang kann dieses Defizit visuell kompensiert werden. Die Erkrankung betrifft parallel auch das motorische System, wodurch die Problematik der Wahrnehmung, zum Beispiel beim Gehen, doppelt besteht.

Erkrankungen des Zentralnervensystems wie die Multiple Sklerose oder ein Schlaganfall können ebenfalls sensible Ausfälle zur Folge haben. In den meisten Fällen funktioniert die Reizaufnahme und Weiterleitung durch die Mechanorezeptoren noch, die einlaufenden Signale können aber im Zentralnervensystem nicht oder nicht richtig verarbeitet werden. Die Folgen sind denen einer Polyneuropathie ähnlich, jedoch in der Regel deutlich komplexer. Es können nicht nur die peripheren Areale, sondern alle Körperbereiche betroffen sein.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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