Polyneuritis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Polyneuritis ist eine entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems oder der Hirnnerven. Mehrere oder alle Nerven können dabei in unterschiedlicher Intensität betroffen sein. Missempfindungen und funktionale Störung geschädigter Körperzonen gehören zu den typischen Symptomen. Die Ursachen und zugehörige Therapieansätze unterliegen einer breit gestreuten Vielfalt.
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Was ist Polyneuritis?
Die Polyneuritis beschreibt einen entzündlichen Prozess von Nerven und ist ein Oberbegriff für mehrere Krankheitsbilder. Schäden an Nervensträngen und Nervenenden ohne entzündliche Prozesse außerhalb des Hirnstammes sowie Rückenmarks werden von der Polyneuropathie mit eingeschlossen. Die peripheren Nervenbahnen verlaufen vom zentralen Nervensystem aus in den ganzen Körper.
Über diese Leitungen werden motorische Befehle an Gliedmaßen und Muskulatur gegeben. Passiv aufgenommene Reize von sensorischen Nerven übermitteln Empfindungen an das Gehirn, wo diese anschließend ausgewertet und interpretiert werden. Das autonome Nervensystem kontrolliert hingegen automatisch die Aktivität der Organe wie den Herzschlag und sind nicht bewusst vom Menschen zu kontrollieren.
Bei der Mononeuritis liegt die Entzündung eines einzelnen Nervs im Vordergrund. Erfolgt die Schädigung an mehreren, nicht in direkter Verbindung zueinander stehenden Nerven, wird der Begriff Mononeuritis multiplex gebraucht. Die Polyneuritis cranialis steht für eine Erkrankung der Nerven direkt im Hirnstamm. Ein bekannter Vertreter der akuten Polyneuritis ist das lebensgefährliche Guillain-Barré-Syndrom sowie Herpes Zoster.
Ursachen
Das Guillain-Barré-Syndrom weist eine solche Charakteristik auf. Auch eine Belastung des Organismus aufgrund ungesunder Ernährung durch mit Schwermetallen belasteten Nahrungsmitteln oder Umweltgifte führen zu einer Belastung des Nervensystems. Blei und Quecksilber sind für ihre nervenschädigende Eigenschaft bekannt. Das Gleiche gilt für den regelmäßigen Gebrauch von Medikamenten wie Antibiotika.
Auch extreme Therapiemaßnahmen gegen Krebs durch eine Chemotherapie fungieren als möglicher Auslöser eine Polyneuritis. Bösartige Tumoren zerfressen umliegendes Gewebe und können so direkt den Nervenbahnen schweren Schaden zufügen. Wenn plötzlich ohne langsamen Anstieg von Anzeichen Missempfindungen und Schmerzen auftreten, steht dahinter in der Regel ein akutes Geschehen.
Schreiten die Auswirkungen einer Polyneuritis langsam, aber stetig voran, verbergen sich dahinter meist eine oder mehrere Grunderkrankungen. So beeinträchtigt starker Alkoholmissbrauch die Entgiftungsfunktion von Leber und Niere. Mangelnde Zufuhr an Nervenvitaminen wie Vitamin B1, B6 oder B12 erhöht zudem die Gefahr einer Erkrankung immens.
Selten ist auch eine Überdosis an Vitamin B6 für gesundheitliche Probleme verantwortlich. Neben einer Schilddrüsenunterfunktion kommen auch Durchblutungsstörungen bei der Eingrenzung der Ursachen in Frage. Bei ungefähr einem Viertel der Krankheitsfälle wird eine erbliche Komponente als Hauptfaktor angesehen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei einer Polyneuritis ist die Qualität der Reizübertragung herabgesetzt. Die Art der Anzeichen bei einer Erkrankung sind motorischer oder sensorischer Natur. Auch autonome Fehlfunktionen gehören zum Krankheitsbild. In der Regel beginnt die Entwicklung mit Beschwerden in den Extremitäten. Zuerst zeigen Füße und Beine typische Merkmale einer Übersensibilisierung, später kommen Hände und Arme hinzu.
Ohne äußere Einwirkung erfahren Betroffene Missempfindungen, die von starken Schmerzen sowie Taubheit begleitet werden. Entzündung sensorischer Nerven erzeugen häufig ein Kribbeln auf der Haut. Auch entgegengesetzte Reaktionen zeichnen die Polyneuritis aus. Nerven reagieren nicht mehr angemessen auf übermäßige Hitze, Druck oder große Kälte.
Das Schmerzempfinden und der Tastsinn geraten aus dem Gleichgewicht und reagieren nicht mehr adäquat auf äußere Einwirkungen. Dadurch ist die Gefahr einer unbeabsichtigten Verletzung durch Verbrennung oder Erfrierungen gegeben. Ausprägungen der Krankheit sind oft auf beiden Körperseiten präsent, obwohl auch asymmetrische Verläufe existieren.
Schäden der motorischen Nerven bewirken eine Schwächung und den Rückgang der Muskulatur. Der Befall des autonomen Nervensystems provoziert unter anderem Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen und Probleme des Verdauungstraktes.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Eine Untersuchung des Bluts sowie des Urins kann mögliche Hinweise auf eine Polyneuritis liefern und zu einer Diagnose beitragen. Zusätzlich bekräftigt die Schilderung von Patienten gegenüber dem Facharzt den Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems.
Eine Bestätigung oder Ausschluss der Polyneuritis wird durch eine umfassende Untersuchung des Körpers und der Nervenleitgeschwindigkeit bei einem Neurologen eingeholt. Dieser prüft allgemeine Körperfunktionen wie Muskelkraft, Reflexe und Nervenleitgeschwindigkeiten. Dabei unterscheidet der behandelte Arzt zwischen einer oberflächlichen Beeinträchtigung der Nervenhülle und einer direkten Schädigung des Nervenstrangs.
Die dadurch gewonnenen Kenntnisse lassen erste Rückschlüsse bezüglich der Ursache zu. Eine genaue Pathogenese unterstützt dabei die weitere Suche und fokussiert sich auf den genauen Verlauf und Vorgeschichte der Erkrankung. Eventuelle Grunderkrankungen, ungeklärte Symptome und die Einnahme von Medikamenten finden hier Berücksichtigung. Eine familiäre Belastung durch neurologische Erkrankungen kann auf eine genetische Disposition hinweisen.
Als letztes Mittel ordnet der Arzt eine Biopsie des Nervengewebes und eine Untersuchung des Nervenwassers an. Die Krankheit kann plötzlich ohne Vorzeichen sehr intensiv auftreten oder langsam mit schwacher Ausprägung sich über Jahre hinweg über den ganzen Körper ausbreiten und chronisch manifestieren.
Komplikationen
Ebenso können die Patienten verschiedene Gefühle und Reize auf der Haut nicht mehr richtig wahrnehmen und sind damit in ihrem Alltag sehr eingeschränkt. Auch die Lebensqualität des Patienten wird durch die Polyneuritis deutlich verringert und negativ beeinflusst. Ebenso kann es zu Verletzungen kommen, wenn die Betroffenen Reize nicht richtig wahrnehmen können. Die Krankheit führt ebenso zu Störungen des Herzrhythmus und kann damit im schlimmsten Fall auch zum Tode des Betroffenen führen.
Ebenso kann es zu Schwierigkeiten bei der Verdauung kommen. In der Regel richtet sich die Behandlung der Polyneuritis nach der Grunderkrankung, sodass die Komplikationen und der weitere Verlauf dieser Krankheit stark von dieser Erkrankung abhängen. Allerdings sind viele Patienten auch auf eine psychische Behandlung angewiesen, da es nicht selten zu Depressionen und zu anderen psychischen Verstimmungen kommen kann.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei einer Polyneuritis ist eine ärztliche Behandlung in jedem Fall notwendig. Es kommt bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung und unbehandelt führt sie, im schlimmsten Fall, zum Tod. Aus diesem Grund muss die Polyneuritis immer frühzeitig behandelt werden, um weitere Komplikationen zu verhindern. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn es zu Beschwerden der Sensibilität an den Gliedmaßen kommt. Dabei sind in erster Linie Füße und Hände von den Beschwerden betroffen. Sie können sich taub anfühlen und kribbeln, wobei auch die Bewegung dieser Gliedmaßen nicht mehr ohne Weiteres erfolgen kann. Weiterhin können Reize von Außen nicht mehr richtig eingeschätzt werden, sodass Druck oder Hitze nicht mehr richtig zugeordnet werden. Sollten diese Beschwerden daher plötzlich auftreten, muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
In der Regel kann die Polyneuritis durch einen Allgemeinarzt diagnostiziert werden. Die Behandlung der Krankheit richtet sich immer nach der genauen Ursache, sodass hierbei keine allgemeine Voraussage über den weiteren Verlauf gegeben werden kann. Unter Umständen wird auch die Lebenserwartung des Patienten durch die Erkrankung verringert.
Behandlung & Therapie
Basiert der Ausbruch auf einer erkennbaren Grunderkrankung, kann eine zielgerichtete Therapie gegen diese erfolgen. In diesem Fall steht die deutliche Rückbildung der Symptome des Patienten in Aussicht. Abhängig von Schweregrad, Ursache und Dauer der Erkrankung ist sogar eine komplette Genesung möglich. Bleibt der direkte Grund unerkannt, orientiert sich die Behandlung primär an der Linderung der Symptome.
Zur Bekämpfung von Mangelzuständen kommen hochdosierte Vitaminpräparate (B1, B12) zum Einsatz. Diabetiker erhalten bei Bedarf Alpha-Liponsäure. Kommt eine Autoimmunreaktion als Auslöser in Betracht, so setzt die Behandlung auf die Unterdrückung der Körperabwehr. Schwere Fälle begünstigen die Ausbildung einer Depression aufgrund der anhaltenden, körperlichen sowie psychischen Belastung eines Erkrankten.
Die Gabe von Antidepressiva und lokalen Schmerzmitteln, manchmal auch entkrampfenden Arzneimitteln, ist dann angebracht. Infektionskrankheiten wie die Borreliose müssen zunächst gründlich diagnostiziert werden, um eine gegen den Erreger angemessene Medikamentation zu erzielen. Krankengymnastik hilft bei der Regeneration von zurückgegangenen Muskelpartien und dient der Linderung von Gelenkbeschwerden.
Einschränkungen in deren Beweglichkeit und Funktion werden damit teilweise rückgängig gemacht. Aufgrund der vielfältigen Ursachen und Grunderkrankungen der Polyneuritis muss ein Facharzt eine genaue Diagnose für eine geeignete Therapie stellen.
Vorbeugung
Eine geeignete Prävention setzt sich aus der Vermeidung potentieller Risikofaktoren zusammen. Diese beinhalten die rechtzeitige Diagnose und Therapie von Grunderkrankungen, die eine Polyneuritis hervorbringen. Bereits erste Warnzeichen geben dem Hausarzt einen Hinweis auf eine mögliche Erkrankung des peripheren Nervensystems. Eine frühzeitige, medizinische Intervention erhöht die Chancen auf einen positiven Verlauf, einer effektiven Verlangsamung der Ausbreitung und der Wahrung der Lebensqualität erkrankter Personen.
Nachsorge
'Polyneuritis' umfasst als Begriff entzündliche Prozesse an den Nervenbahnen. Gürtelrose oder das Epstein-Barr-Virus zählen zu den Polyneuritiden. Das Gewebe der Nerven wird dabei in Mitleidenschaft gezogen. Eine Nachsorge ist ratsam, um Folgeschäden zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.
Die Form der Nachsorge richtet sich nach der ursächlichen Erkrankung. Das Ziel ist in allen Fällen eine vollständige Beseitigung der Symptome, mittel- bis langfristig soll die Entzündung ausheilen. Der Arzt muss zunächst die zugrunde liegende Krankheit feststellen. Er verabreicht dem Patienten Medizin, die den entzündlichen Vorgang eindämmt.
Bei Bedarf werden Schmerzmittel verschrieben. Die Nachsorge dauert bis zum Zeitpunkt der Heilung an, die Heilungsfortschritte werden bei den Arztbesuchen kontrolliert. Nebenwirkungen müssen frühzeitig erkannt und unterbunden werden. Im Falle einer Unverträglichkeit erhält der Patient alternative Medikamente, die seinem Zustand genauer angepasst sind.
Unbehandelte Nervenentzündungen können sich lebensgefährlich entwickeln. Aus diesem Grund muss der Betroffene auch die Nachsorge in Anspruch nehmen und regelmäßig bei den Nachkontrollen vorstellig werden. Bei einer plötzlichen Verschlechterung oder einem Wiederaufkommen der Beschwerden muss er sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben. Er erhält erneut Medikamente, nach Ermessen des Arztes kann ein Klinikaufenthalt notwendig sein.
Das können Sie selbst tun
Da die Polyneuritis hauptsächlich von Viren verursacht wird, sollte der Patient in erster Linie sein Immunsystem stärken. Denn ein leistungsfähiges Immunsystem ist eine sichere Waffe gegen Eindringlinge aller Art, zu denen auch die Viren gehören.
Um das Immunsystem zu stärken, gibt es mehrere Ansätze. Ganzheitlich arbeitende Ärzte und Heilpraktiker schwören beispielsweise auf Entgiftungsmaßnahmen mit homöopathischen Mitteln und Darmreinigungen (Colon-Hydro-Therapie). Da seit kurzem bekannt ist, dass 80 Prozent aller Immunzellen im Darm sitzen, ist auch die Gabe von Probiotika angezeigt. Darunter versteht man eine Zubereitung, die lebende Mikroorganismen enthält, die sich im Darm vermehren und dort zur Pflege des Immunsystems beitragen sollen. Diese Zubereitung kann sowohl ein Jogurt als auch ein Nahrungsergänzungsmittel oder Medikament sein. Das Wort „Probiotika“ setzt sich aus dem griechischen Wort „bios“ (Leben) und dem lateinischen pro (für) zusammen. Der Name betont also den gesundheitsfördernden Einfluss, den Mikroorganismen haben.
Sollte zudem ein Vitamin-B-Mangel hinter der Erkrankung stecken, empfiehlt sich ein Nahrungsergänzungsmittel mit B-Vitaminen. Ferner gibt es weitere Nahrungsergänzungsmittel, die das Immunsystem unterstützen können. Hier berät der Arzt oder Apotheker. Zur Stabilisierung des Immunsystems gehört aber auch ein entsprechender Life-Style: eine gute, gesunde, abwechslungsreiche Ernährung, viel Schlaf und Ruhe, aber auch viel Bewegung. Der tägliche Spaziergang an der frischen Luft aktiviert die Abwehrzellen – und das bei jedem Wetter.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013