Verstand

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Verstand ist die Fähigkeit eines Menschen, analytisch zu denken, seine Umwelt bewusst wahrzunehmen und zu beurteilen. Verstand geht auch immer mit Vernunft einher.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Verstand?

Der Verstand ist die Fähigkeit eines Menschen, analytisch zu denken, seine Umwelt bewusst wahrzunehmen und zu beurteilen.

Schon seit der Antike setzen sich die Philosophen mit dem Thema Verstand auseinander. Menschen mit Verstand sind in der Lage, analytisch zu denken, ihre Umwelt bewusst wahrzunehmen und die damit einhergehende Vorgänge zu beurteilen, einzuordnen und rationale Entscheidungen zu treffen.

Verstand ist auch eng mit dem Begriff der Vernunft verknüpft. Im vierten Jahrhundert vor Christus definierte Aristoteles Verstand als „Vermögen des begrifflichen und folgernden Denkens“. Die neuzeitliche Philosophie mit Immanuel Kant definiert Verstand als „Vermögen der Begriffsbildung“. Medizinisch und psychologisch gesehen ist der Verstand die Denkkraft eines Menschen, der in der Lage ist, seine Intelligenz über die natürliche Triebkraft zu stellen. Durch analytisches Denken und die Fähigkeit, zu verstehen weiß er um die Bedeutung von Begriffen und Wörtern und hat ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen.

Funktion & Aufgabe

Die Bezeichnung Verstand steht auch in Beziehung zum Begriff des Homo Sapiens, was so viel wie „vernunftbegabter Mensch“ bedeutet. Der Verstand wird häufig der Vernunft gegenübergestellt, denn Menschen mit einem gut ausgeprägten Verstand reagieren meistens auch vernünftig und treffen rationale Entscheidungen.

Verstand bedeutet „zu verstehen, Begriffe zu bilden, Schlüsse zu ziehen, zu urteilen und zu denken“. Menschen haben einen gesunden Menschenverstand, wenn sie in der Lage sind, kausale Zusammenhänge zu begreifen und logisch und komplex zu denken. Die Voraussetzung für diesen Prozess ist das „Prinzip von Ursache und Wirkung“ zu erkennen und Abläufe logisch zu begreifen und dialektisch umzusetzen.

Weitere Säulen des Verstands sind Intellekt, Flexibilität und Kreativität. Menschen mit Verstand haben die Fähigkeit, gedankliche und sinnliche Inhalte aufzunehmen und zu beurteilen. Dazu gehört die Vernunft als höheres Erkenntnisvermögen, die sich nicht auf die Erkenntnis eines einzelnen Zusammenhangs, sondern auf mehrere Zusammenhänge bezieht. Die Logik ist die Lehre der Folgerichtigkeit, wobei die reine Logik die Lehre von „Begriff, Urteil und Schluss“ umfasst, während die angewandte Logik die Lehre von „Definition, Beweis und Methode“ ist. Ferner gibt es den reaktiven Verstand, der auf einer Reiz-Reaktions-Grundlage basiert. Dieser Teil des Verstandes wird nicht bewusst gesteuert, sondern führt eine gezielte Antwort auf einen speziellen Reiz aus. Der reaktive Verstand steht nicht unter der willentlichen Kontrolle des Menschen, die die Befehlsgewalt über das Bewusstsein ausübt. Der Verstand ist jedoch kein Teil des Menschen, der alleine agiert, sondern ist eng verbunden mit Körper und Seele.

Die menschliche Handlungsweise wird allerdings nicht nur durch den Verstand, sondern auch durch Gefühle gesteuert, denn nur so ist es möglich, durch rationales Denken komplexe Entscheidungen auf der Grundlage des intuitiven Erfahrungswissens zu treffen.

Der Verstand und damit die Vernunft befinden sich im Stirnlappen. Wenn ein Mensch rational über eine Problemstellung nachdenkt, die Vor- und Nachteile beleuchtet und auf dieser Grundlage zu einer Entscheidung gelangt, setzt er die vordere Stirnhirnrinde ein, die als präfrontaler Cortex bezeichnet wird.

Wie eng Verstand, Vernunft und Emotionen miteinander verbunden sind, beweist die Verschaltung von Stirnhirnrinde und limbischem System. Das limbische System ist für die Steuerung von Emotionen zuständig. Früher ging die Gehirnforschung davon aus, dass Menschen ihre Entscheidungen immer rational nach dem Prinzip von Kosten und Nutzen treffen und versuchen, einen maximalen Profit für sich zu erreichen. Neuere Forschungsergebnisse kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Einfluss des präfrontalen Cortexes auf den Verstand des Menschen überbewertet wurde. Mittlerweile steht fest, dass Menschen auch Entscheidungen auf der Grundlage von Emotionen treffen, ohne dabei über Wahrscheinlichkeiten und Nutzen nachzudenken. Affekthandlungen beruhen auf der Grundlage einer starken Gefühlslage und werden nicht rational und vernünftig getroffen. Diese Entscheidungen auf der Grundlage von Gefühlen übernimmt das limbische System des Gehirns, wobei physiologische Signale und Situationskontext aufeinander abgestimmt werden.

Das Kerngebiet des limbischen Systems ist die Amygdala. Sie erkennt für den Menschen nachteilige Situationen, die zum Beispiel mit Gefahren verbunden sind, und schützt ihn vor falschen Entscheidungen. In dieser Situation treffen Menschen häufig Entscheidungen, die nicht durch den rationalen Verstand, sondern durch Emotionen und Affekthandlungen gesteuert werden. Die Amygdala beinhaltet auch das Belohnungssystem. Der Nucleus accumbens regt sich in einer von Menschen als positiv empfundenen Situation, die Inselrinde dagegen tritt bei einer als negativ empfundenen Situation ein. Dieser Teil des Gehirns regt sich also immer dann, wenn der Mensch etwas als unfair und für ihn nachteilig empfindet.


Krankheiten & Beschwerden

Mit dem Verstand sind auch zahlreiche Krankheiten verbunden. Die Krankheiten, die sich am meisten auf die Fähigkeit auswirken, analytisch zu denken, Begriffe zu bilden, zu urteilen und Entscheidungen zu treffen, sind Demenz und Alzheimer, die sich bei vielen Menschen im fortgeschrittenen Alter einstellen. Die betroffenen Menschen haben Gedächtnisstörungen, ihr Gehirn ist nicht mehr in der Lage, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und abzuspeichern. Diese Hirnerkrankung geht nicht nur mit Gedächtnisstörungen, sondern meist auch mit Verhaltensstörungen einher. Die Patienten können wichtige, alltägliche Aufgaben nicht mehr alleine bewältigen und sind auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Oft werden sie zum Pflegefall.

Weitere Krankheiten, die sich auf den Verstand auswirken können, sind Depressionen, Neurosen, Wahrnehmungs- und Zwangsvorstellungen. Die betroffenen Menschen können in ihrem rationalen und emotionalen Denken soweit eingeschränkt sein, dass ihr tägliches Leben auf erhebliche Weise eingeschränkt wird und eine medizinische Therapie unbedingt notwendig ist, um den Normalzustand wiederherzustellen oder die Beschwerden zumindest zu lindern.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Faller, H.: Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Springer, Berlin 2019
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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