Appendix vermiformis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Appendix vermiformis ist ein Anhängsel des Blinddarms, der anfällig für akute Entzündungen ist. Umgangssprachlich wird er auch Wurmfortsatz genannt. Neuere Forschungsergebnisse deuten auf eine immunregulatorische Funktion des früher als weitestgehend funktionslos eingeordneten Organs hin.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Appendix vermiformis?

Infogramm zur Anatomie und Lage einer Blinddarmentzündung. Bild anklicken, um zu vergrößern.

Die Appendix vermiformis (Wurmfortsatz des Blinddarms) ist eine zum Großteil aus lymphatischen Gewebe bestehende Ausstülpung von durchschnittlich 10 cm Länge und 0,5 mm Durchmesser, die über eine klappenförmige Schleimhautfalte, die sogenannte Gerlach-Klappe, in den Blinddarm (Caecum) mündet.

Der Wurmfortsatz wird im Volksmund oft fälschlicherweise als Blinddarm bezeichnet. Die Appendix vermiformis ist im unteren rechten Quadranten des Abdomens als Abgangsstelle des Caecums unterhalb der Ileozäkalklappe (Valva ileocaecalis), dem funktionellem Verschluss zwischen Dick- und Dünndarm, verortet.

Anatomie & Aufbau

In Form, Größe und Lokalisation ist die Appendix vermiformis äußerst variabel, liegt allerdings in aller Regel retrozäkal („hinter dem Caecum“) auf- oder absteigend. Die drei Tänien des Dickdarms setzen sich auf der Appendix als geschlossene Längsmuskelschicht fort.

Insgesamt besteht die Appendix vermiformis aus den folgenden Gewebeschichten (von innen nach außen): einer Schleimhautschicht (Tunica mucosa), einer Bindegewebsschicht zwischen Schleimhaut und Muskelschicht (Tela submucosa), einer feingeweblichen Schicht mit glatten Muskelzellen (Tunica muscularis) sowie einer serösen Hautschicht (Tunica serosa). Die das Organ umschließende Serosa geht an der Anheftungsstelle in die Mesoappendix (Mesenteriolum) über, die die versorgenden Blutgefäße (Arteria appendicularis, Vena appendicularis) führt.

In der Tela submucosa und Tunica mucosa befinden sich die Peyer-Plaques. Diese Lymphfollikelansammlungen ragen in einigen Bereichen kuppelartig in das Appendixlumen. Statt der üblichen Zotten und Krypten finden sich hier M-Zellen. Diese leiten Antigene an die Lymphfollikel und lösen eine Immunantwort aus.

Funktion & Aufgaben

Die Funktion der Appendix vermiformis wird seit Längerem diskutiert. Trotz gegenteiliger Belege wurde bis vor einigen Jahren angenommen, dass die Appendix lediglich ein funktionsloses Überbleibsel der evolutionären Entwicklung darstelle. Mittlerweile wird vielmehr davon ausgegangen, dass diese als lymphatisches Organ eine immunregulatorische Funktion besitzt und dem sogenannten GALT (engl. gut-associated lymphoid tissue), dem Immunsystem des Darms, zuzuordnen ist.

Die genaue Funktion ist allerdings noch nicht eindeutig geklärt. Das darmassoziierte lymphatische Gewebe besteht im gesamten Gastrointestinaltrakt aus aggregierten Lymphfollikeln (Peyer-Plaques), die als Kolonien von B-Lymphozyten der Vermehrung und Ausdifferenzierung von B-Lymphozyten zu Antigenen produzierenden Plasmazellen dienen. Die Peyer-Plaques spielen als Teil des erworbenen Immunsystems eine bedeutende Rolle bei der Abwehr von Infektionen und der Weiterverarbeitung von immunologisch relevanten Informationen.

Zudem weisen neuere Studien darauf hin, dass bei Durchfallerkrankungen nützliche Bakterien der natürlichen Darmflora gemeinsam mit Molekülen des Immunsystems in der Appendix vermiformis vor einer Durchfall bedingten Ausschwemmung geschützt und vom umgebenden lymphatischen System mit Abwehrstoffen versorgt werden. Die Appendix fungiert entsprechend als eine Art „Safe House“ (sicherer Unterschlupf). In der Rekonvaleszenzphase können die auf diese Weise überlebenden Bakterien erneut den Darm besiedeln und die noch dort befindlichen Keime verdrängen. Diese Funktion ist insbesondere in Gebieten mit schlechten hygienischen Kontextbedingungen bedeutend. In entwickelten Ländern hat die häufig durchgeführte Appendektomie (Entfernung der Appendix infolge einer Entzündung) nach bisherigen Erkenntnissen keine Auswirkungen auf die Gesundheit der jeweils Betroffenen.


Krankheiten & Beschwerden

Insbesondere bei Kindern ab dem Grundschulalter sowie jungen Erwachsenen können Narbenstränge, unverdauliche Nahrungsbestandteile (u. a. Obstkerne) oder Kotsteine zu einem Verschluss des Appendixlumens führen. Das gestaute Sekret schädigt die Wand der Appendix und bietet einen optimalen Nährboden für bakterielle Erreger, die entweder über die Blutbahnen oder aus der Darmflora (intestinale Infekte) einwandern, sich vermehren und eine akute Entzündung (Appendizitis) bedingen können.

Obgleich die akute Appendizitis eine sehr verbreitete Erkrankung ist und mit 7 bis 12 Prozent der Fälle den häufigsten Notfall in der Abdominalchirurgie darstellt, ist die frühzeitige Diagnose aufgrund der unterschiedlichen Lageanomalien und der individuell sehr verschiedenen Schmerzlokalisation schwierig. Zudem manifestieren sich lediglich bei etwa 50 Prozent der Betroffenen die klassischen Symptome wie Appetitlosigkeit, ziehende sowie kolikartige Schmerzen im Nabelbereich oder Epigastrium (Oberbauchgegend) mit späterer Schmerzverlagerung in den Unterbauch, Übelkeit und Erbrechen sowie mäßiges Fieber.

Die Hauptkomplikation einer Appendizitis stellt die Perforation dar. Bei einer offenen Perforation fließt das eitrige Sekret aus der Appendix in die freie Bauchhöhle und kann dort eine lebensbedrohliche diffuse Peritonitis (generalisierte Entzündung des Bauchfells) mit erhöhtem Sepsisrisiko auslösen. Zu den häufigsten freigesetzten Erregern gehören Enterokokken sowie Escherichia coli, in selteneren Fällen Salmonellen, Staphylo- oder Streptokokken.

Eine gedeckte Perforation führt zu einem durch das große Netz abgedeckten Abszess (perityphlitischer Abszess) mit lokal begrenzten Eiteransammlungen im rechten Unterbauch (lokale Peritonitis). Selbst bei Appendizitiden mit Perforation und Peritonitis liegt die Letalität bei lediglich 1 Prozent. In seltenen Fällen können sich bösartige Tumorgeschwulste in der Appendix (Appendixmalignome) entwickeln.

Quellen

  • Lippert, H. et al: Anatomie. Text und Atlas. Urban & Fischer/ Elsevier, München 2017
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Schünke, M., et al.: PROMETHEUS Innere Organe. LernAtlas Anatomie. Thieme, Stuttgart 2018

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