Escherichia coli
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. September 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eigentlich ist Escherichia coli ein harmloser Darmbewohner. Als Opportunist jedoch wird dieser Keim oft im medizinischen Labor diagnostiziert. Seine Verbreitung, die Pathogenität und sogar der Einsatzzweck von E.coli ist dabei so variabel wie der Keim selbst.
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Was ist Escherichia coli?
Unter dem Mikroskop betrachtet ist Escherichia coli ein sogenanntes "gramnegatives Stäbchenbakterium". Es gehört in die Familie der Enterobakterien und ist ein Mitglied der Gattung Escherichia. Die meisten Bakterien dieser Gattung sind beweglich und besitzen zahlreiche andere Eigenschaften.
Unter anderem hat E.coli sogenannte "Fimbrien" oder auch "Pili", mit denen er sich an menschliche Blutzellen anheften kann. Aber nicht nur das: Viele Stämme besitzen auch sogenannte "Sex-Pili": Damit lassen sich mühelos Gen-Informationen übertragen, die anderen Bakterien Vorteile verschaffen können wie beispielsweise Resistenzen gegen viele Antibiotika. Ein weiterer Überlebensvorteil stellt auch das aktive "Auspumpen" von Giftstoffen dar: So können bestimmte Bakterien innerhalb der Gattung auch Antibiotika aus dem Zellinneren entfernen.
Dieser Keim kann sowohl in An- oder Abwesenheit von Sauerstoff existieren, er ist "obligat anaerob". E.coli besiedelt deshalb nicht nur den Darm, sondern auch Wunden, die Harnblase oder im schlimmsten Falle das Blut einiger Patienten auf der Intensivstation.
Biologische Eigenschaften
Escherichia coli (E. coli) ist ein gramnegatives, fakultativ anaerobes Bakterium aus der Familie der Enterobacteriaceae und gehört zur Klasse der Gammaproteobacteria. Es ist ein typischer Bewohner des Darms von Menschen und Tieren, wo es in den meisten Fällen harmlos ist und zur Darmflora beiträgt. Einige Stämme von E. coli sind jedoch pathogen und können schwere Infektionen wie Durchfall, Harnwegsinfektionen und Sepsis verursachen.
Morphologisch handelt es sich bei E. coli um stäbchenförmige Bakterien mit einer Länge von etwa 1–2 µm. Die Zellen besitzen oft Geißeln, die ihnen die Fähigkeit zur Bewegung verleihen. E. coli wächst gut bei Temperaturen von 37°C, optimal bei Körpertemperatur, und vermehrt sich durch einfache Zweiteilung. In Laborbedingungen ist es ein gut untersuchter Organismus und wächst auf einer Vielzahl von Nährmedien.
Das Genom von E. coli besteht aus einem einzelnen, zirkulären Chromosom mit etwa 4,6 Millionen Basenpaaren, das etwa 4.000 Gene kodiert. Einige Stämme enthalten zusätzlich Plasmide, kleine, unabhängige DNA-Moleküle, die Gene für Antibiotikaresistenz oder Toxine enthalten können. Eine genetische Besonderheit von E. coli ist die Fähigkeit zum horizontalen Gentransfer, was zur schnellen Ausbreitung von Resistenzen und Pathogenitätsfaktoren beiträgt. Dieses Bakterium ist auch ein Modellorganismus in der Molekularbiologie und Genetik.
Vorkommen & Verbreitung
Escherichia coli (E. coli) kommt natürlicherweise im Darm von Menschen und Tieren vor, wo es eine wichtige Rolle in der Darmflora spielt. In dieser Umgebung trägt es zur Verdauung bei, produziert Vitamine (wie Vitamin K) und schützt vor pathogenen Mikroorganismen. Die meisten Stämme sind harmlos und leben symbiotisch im Darm, jedoch gibt es pathogene Stämme, die Infektionen verursachen können.
In der Umwelt findet sich E. coli häufig im Wasser und Boden, insbesondere in Gebieten, die durch fäkale Verunreinigungen belastet sind. Es wird über den fäkal-oralen Weg übertragen, wobei kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder Oberflächen eine Rolle spielen. Landwirtschaftliche Aktivitäten, wie der Einsatz von nicht ausreichend behandeltem Dung, tragen zur Verbreitung von E. coli in der Umwelt bei.
Pathogene Stämme, wie der EHEC-Stamm (Enterohämorrhagische E. coli), können schwere Durchfallerkrankungen (siehe auch: EHEC-Infektion) verursachen. Diese gefährlichen Varianten verbreiten sich oft über kontaminierte tierische Produkte, besonders rohes oder unzureichend gegartes Fleisch, sowie über verunreinigtes Obst und Gemüse.
In Ökosystemen übernimmt E. coli eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf, indem es organische Substanzen abbaut. Gleichzeitig dient es als Indikator für die Wasserqualität, da sein Vorkommen auf fäkale Verunreinigung hinweist. E. coli wird häufig in der Umweltüberwachung eingesetzt, um die Hygiene von Trink- und Badewasser zu beurteilen.
Bedeutung & Funktion
Escherichia coli ist dabei eben nicht nur Bösewicht, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Darmflora. Diese Mikrobe ist also sehr bedeutend für die menschliche Gesundheit und produziert darüber hinaus auch Vitamin K.
Bei Neugeborenen ist er sogar oft der erste Keim, der den Körper besiedelt. E.coli wird deshalb sogar als Arzneimittel eingesetzt, zum Aufbau einer gesunden Flora des Darms nach einer Antibiotikatherapie. Wie beispielsweise der isolierte Stamm aus der Darmflora eines Soldaten, der offenbar immun gegen Durchfallerkrankungen war. Dieser spezielle E.coli konnte nicht nur besonders gut das Eisen aus zugeführter Nahrung aufnehmen, sondern schützte seinen Träger auch noch gegen Krankheitserreger, die ohne seine Anwesenheit Durchfallerkrankungen ausgelöst hätten.
Aber nicht nur als Probiotikum ist diese Mikrobe für die Arzneimittelindustrie von Bedeutung: Mithilfe der Biotechnologie können durch E.coli zahlreiche Medikamente hergestellt werden. Hierfür kann man artfremde Gene in die Bakterienzelle von speziell gezüchteten und vollkommen harmlosen E.coli einbringen, auf denen bestimmte Informationen für Proteine enthalten sind.
Im Bakterium werden diese dann hergestellt, sozusagen synthetisiert. Und das in großer Menge und in optimaler Verträglichkeit, da E.coli als Bestandteil der menschlichen Darmflora kaum Allergien hervorruft.
Krankheiten
Normalerweise ist E.coli ein harmloses Bakterium. Als opportunistischer Erreger jedoch findet er kleine Schwachstellen des Wirts und erzeugt Infektionen. Uropathogene E.coli (UPEC), spielen eine wichtige Rolle bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen.
Eine Gefahr für Neugeborene stellt E.coli vom Typ "NMEC" dar, der die Blut-Hirnschranke passieren kann und so Auslöser für die neonatale Meningitis ist. Besonders schwer zu therapieren sind dabei die Varianten von E.coli, welche ein erweitertes ß-Lactamase Spectrum besitzen (ESBL), weswegen bei Infektionen mit Escherichia coli immer eine Antibiotikaaustestung (Antibiogramm) erstellt werden sollte.
Eine besondere Stellung was Gefährlichkeit und Relevanz dieser Bakterien betrifft nehmen die "Pathogenen E.coli" ein, die jährlich für weltweit 160 Millionen Erkrankungen sorgen und für eine Million Menschen den Tod bedeuten. Besonders betroffen sind Kinder unter fünf Jahren, die sich vor allem in Entwicklungsländern mit Enteropathogenen E.coli (EPEC) infizieren. Die nächste große Gruppe sind die Enterotoxischen E.coli (ETEC), unter denen sehr oft Reisende zu leiden haben.
Wichtig ist hier die Zufuhr von Elektrolyten, weil durch "Montezumas Rache" und zwei unterschiedlichen Enterotoxinen ein wässriger, extremer Durchfall entsteht. Enteroinvasive E.coli (EIEC) erzeugen Entzündungen und Geschwüre im Magen bzw. Darm, da sie direkt in die Zellen dort eindringen. Besonders gefährlich sind enterohämorrhagische E.coli (EHEC), weil sie durch ihr Toxin schwere Lebensmittelvergiftungen auslösen können.
Komplikationen wie das Hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) sind hier sehr gefürchtet, weil sie in 10-30 Prozent der Fälle den Tod durch Nierenversagen zur Folge haben. Erregerreservoir stellen dabei oft Rinder dar, in deren Kot ein bis zwei Prozent EHEC-Bakterien enthalten sind, wovon aber lediglich 10 - 100 Keime für eine Infektion ausreichen.
Typische & häufige Darmerkrankungen
- Morbus Crohn (chronische Darmentzündung)
- Darmentzündung (Enteritis)
- Darmpolypen
- Darmkolik
- Divertikel im Darm (Divertikulose)
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung einer Escherichia coli-Infektion hängt von der Art der Infektion und dem verursachenden Stamm ab. Bei den meisten harmlosen Infektionen, wie einer leichten gastrointestinalen Infektion, reicht es oft aus, den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt des Patienten wiederherzustellen, ohne dass spezifische Medikamente erforderlich sind. Ruhe und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr unterstützen den Heilungsprozess.
Bei schweren Infektionen, wie Harnwegsinfektionen oder durch pathogene Stämme (z. B. Enterohämorrhagische E. coli, EHEC) verursachte Durchfallerkrankungen, werden häufig Antibiotika eingesetzt. Zu den gängigen Antibiotika gehören Ciprofloxacin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol und Amoxicillin. Allerdings ist die Verwendung von Antibiotika bei bestimmten E. coli-Stämmen, wie EHEC, umstritten, da sie die Freisetzung von Toxinen verstärken und den Krankheitsverlauf verschlimmern können.
Eine zunehmende Herausforderung ist die Antibiotikaresistenz. Einige Stämme von E. coli haben Resistenzen gegen viele gängige Antibiotika entwickelt, was die Behandlung erheblich erschwert. Besonders besorgniserregend sind sogenannte Extended-Spectrum Beta-Lactamase (ESBL)-produzierende Stämme, die gegen Penicilline und Cephalosporine resistent sind.
Neue und experimentelle Ansätze zur Behandlung resistenter E. coli-Stämme umfassen den Einsatz von Bakteriophagen, Viren, die spezifisch Bakterien angreifen und abtöten können. Auch die phytotherapeutische Forschung untersucht pflanzliche Stoffe, die antibakterielle Eigenschaften haben. Darüber hinaus gibt es Ansätze zur Entwicklung von Impfstoffen, um Infektionen durch pathogene E. coli-Stämme zu verhindern.
Escherichia coli als Verursacher von Harnwegsinfektionen
Escherichia coli (E. coli) ist der häufigste Verursacher von Harnwegsinfektionen (HWI), insbesondere bei Frauen. Etwa 70–90 % aller Harnwegsinfektionen sind auf E. coli zurückzuführen, was die große Bedeutung dieses Bakteriums im Zusammenhang mit HWI verdeutlicht. Die Infektion tritt auf, wenn Bakterien aus dem Darm in die Harnröhre gelangen und sich in der Harnblase, den Harnleitern oder den Nieren ansiedeln. Aufgrund der anatomischen Nähe zwischen Anus und Harnröhre bei Frauen ist die Infektionsgefahr hier besonders hoch.
Ein häufiger Weg für E. coli-Bakterien, in die Harnwege zu gelangen, ist die unzureichende Hygiene nach dem Toilettengang oder bei sexueller Aktivität. Die Bakterien gelangen von der Haut oder dem Anus in die Harnröhre und wandern von dort in die Harnblase, wo sie sich vermehren und eine Entzündung verursachen. Typische Symptome einer Harnwegsinfektion sind häufiges Wasserlassen, Schmerzen oder Brennen beim Urinieren sowie ein unangenehmes Druckgefühl im Unterleib. In schwereren Fällen kann die Infektion auch die Nieren erreichen und Fieber sowie Rückenschmerzen verursachen.
Einige E. coli-Stämme sind besonders virulent und besitzen spezielle Adhäsionsmoleküle (Fimbrien), die es ihnen ermöglichen, sich an die Zellen der Harnwege zu heften und der Spülwirkung des Urins zu widerstehen. Diese Fähigkeit erhöht das Risiko einer Infektion und erschwert die Behandlung. Weitere Virulenzfaktoren, wie die Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen, schützen die Bakterien vor dem Immunsystem und Antibiotika, was die Behandlung von chronischen Harnwegsinfektionen besonders herausfordernd macht.
Die Standardbehandlung bei einer durch E. coli verursachten Harnwegsinfektion besteht in der Regel in der Gabe von Antibiotika wie Nitrofurantoin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol oder Fosfomycin. Bei unkomplizierten Infektionen führt eine kurze Therapie von drei bis fünf Tagen meist zu einer vollständigen Heilung. Bei komplizierten oder wiederkehrenden Infektionen kann eine längere Antibiotikabehandlung notwendig sein. Allerdings stellt die zunehmende Antibiotikaresistenz bei E. coli-Stämmen, insbesondere bei ESBL-produzierenden Bakterien, eine wachsende Herausforderung dar.
Zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen werden verschiedene Maßnahmen empfohlen. Dazu gehört eine gute Intimhygiene, ausreichend Flüssigkeitszufuhr und das rechtzeitige Wasserlassen nach dem Geschlechtsverkehr, um die Bakterien aus den Harnwegen zu spülen. Einige Studien deuten auch darauf hin, dass Cranberry-Extrakte bei der Vorbeugung von HWI hilfreich sein können, da sie verhindern, dass E. coli-Bakterien an den Zellen der Harnwege haften.
In schwereren oder wiederkehrenden Fällen von Harnwegsinfektionen wird manchmal eine Langzeitprophylaxe mit Antibiotika erwogen, um weitere Infektionen zu verhindern. Die Forschung zu alternativen Behandlungs- und Präventionsmethoden, wie probiotische Therapien oder Impfstoffe, gewinnt zunehmend an Bedeutung, um den Herausforderungen durch resistente Bakterien zu begegnen.
Quellen
- Hahn et al.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer, Berlin 2009
- Kayser et al.: Medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Knipper, R.: Molekulare Genetik. Thieme, Stuttgart 2006